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Gottlieb kauft Hüte

voll Alster, der zweite eine Kollektion Negenmäntel, und auf
seinem Rllcken schwankte ein Rucksack, aus dem Sport-
strllmpse hervorquollen. Die zwei letzten versuchten mit Äilfe
von Kommandoworten eine schwere Kiste hochzuheben. Gott-
lieb stand vor dem Spiegel der Auslage und drehte sich
rechts und links wie eiu Truthahn. Er hatte einen neuen
Lut auf. der ihm miserabel stand. Es war das übertrieben
Modernste auf diesem Gebiete, ein milchkaffeesarbener Som-
brero mit violettem Band.

Goitlieb trat auf mich zu, zeigte auf seinen Kops und
sagte: „Was sagst du dazu?"

Ich wollte ihm nicht gerade mit
rohen Tritten die Illusion zertrampeln,
deshalb hielt ich solgenden kleinen Vor-
trag:

„Gottlieb, die Kleidung eines Men-
schen muß individuell sein, das heißt, jeder
muß seinen eignen Stil kennen und da-
nach seine Kleidung wählen. Da ich unter
Stil den Gesamteindruck der Persönlich-
keit verstehe, so entschlage ich mich nicht,
zu behaupten, daß der Anzug der Aus-
fluß des Charakters seines Trägers sein
muß. Da ich dich nun als einen Mann
von reichem, aber exklusivem Innenleben
mit Eremiteneinschlag kenne, so wirst du
mich nicht mißverstehen, wenn ich mich
nicht entbrechen zu können glaube, dir
zu sagen, daß sowohl Format als auch Farbe dieses Lutes
deinen persönlichen Stil nicht nur nicht unterstreichen, son-
dern geradezu brutalisieren. Dein Lut erweckt Affoziationen
an wogendes Präriegras und an den sausenden Lasso, seine
KrempeistwiederÄorizontinden westlichenSteppen,umseinen
Kopf kreist der heisere Schrei der Pampasgeier und flattern
die todbringenden Fausthiebe Winnetous. Dein Lmt ist gött-
lich, ist kosmisch, aber dir, Gottlieb, dir ist er nicht adäquat."

Erschöpst lehnte ich mich an einen Dienstmann. Vei
geistigen Menschen muß man in der Formulierung von Ab-
lehnungen so surchtbar vorsichtig sein. Trotzdem brach Gott-
lieb unter dem Sinn meiner Worte fast zusammen.

„Er steht mir also nicht!" stöhnte er. Dann machte er

melten ebenfalls satalfftisch „Amtauschen!" und trotteten in
dumpfer Entschloffenheit hinterdrein.

Nach zwanzig Minuten langem Warten erschien die
Kavalkade wieder, Gottlieb an der Spitze mit einem schmal-
krempigen, mausgrauen Zllndhütchen bedeckt, das ihm auf-
saß wie eine geplatzte, zu enge gewordene Knospenhlllle, die
der wachsende Schößling abzustreifen im Begriff steht.

Schweigend gesellte ich mich zu ihm, und Goltlieb erzählte
mir spontan folgendes:

„Seit etwa drei Monaten laufe ich wie von Furien ge-
trieben umher. And ich war so glllcklich.
Ich hatte einen alten Lut, der mir aus-
gezeichnet stand. Er war verschoffen
und fleckig, aber was tut das? Äätte ich
nur meinen alten Äut wieder! Aber
nein, so ist der Mensch, nie zusrieden
und undanlbar. Ich setzte es mir in den
Kopf, daß ich einen neuen Äut haben
mllffe, und erfllllte mich selbst mit ge-
hässigen Gesllhlen gegen meinen alten
Freund. Eines Tages sah ich in der
Auslage des Geschäftes, das wir eben
verlassen haben, einen Äut. Er gefiel
mir ausgezeichnet, ich ging hinein, pro-
bierte ihn aus und sah mich sragend um.
Ich sand, er kleidete mich außerordentlich.

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