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Die Raubtierwärter
gut, daß das is, und schnalzt
und suckelt mit eure Zunge,
was diese Tiere den Appetit
anregt. Noch besser is jastrei-
cheln und das Fleisch in die
Land nehmen und sie damit
vor der Nase rumsummeln."

Deutlich erkennbar lehn-
ten die Freunde durch Mie-
nenspiel diesen Vorschlag ab.

„Das geht denn ja wohl
auch mit ne handliche Forke.

Zan, was meinst du, soll'n
wir uns das mal ansehn?

Sieh, da hinten fängt gerade
Krischan Siebensluckmit das
Auspingeln von seine schit-
terigen Leringe an. Wir
haben nu Zeit, Arbeit gibt
das nich,und wenn ich gucken
kann peilt hier gerade so 'n
Bootsmann auf uns zu
wegen Laden."

„Denn man fix," sagte Zan, und eine Minute später
waren die Arbeitsleute verschwunden.

Bald darauf standen Leini Butt e und sein Berufs-
kollege Zan vor den Naubtierläfigen. Sie hatten die20 Pfen-
nige Entree auf Ankostenkonto verbucht, um vorerst einmal
inkognito Fühlung zu nehmen mit ihren kllnftigen präsump-
tiven Zöglingen.

„Was meinst du, Zan?"

Ian musterte die Tiere aufmerksam.

„Tschä. was der dicke Löwe hier is, der sieht ja so ge-
mlltlich aus, als wenn er gerade einen halben Buddel Köhm

verschluckt hätte ohne Flasche. Aber rein zu ihn-nee.

Denn kuck mal, wie er mit die Nase bibbert und mit das
eine Auge pliert — und nu jetzt, wo er gähnt, sieh mal ihn
seine Freffe an. Llnd denn der Tiger in den andern Kasten,
der gähnt nich, aber der schielt nach den Dicken da vorn, das
mag ich von ihn nich leiden."

„Och, Zan, da an den Wagen stehen die Stangen, wo die
Kaldaunen von L-ottehllh ran kommen, und die Äaufen, wo
er nu immer bei sein Gehen durchpetten tut, da arbeiten
wir ja erft an, wenn er hier aus den Stall raus is. Ich
melde mir, Ian."

Der Zettelkleber hatte betreffs der Stellen nicht gelogen,
und wirllich bekamen sie die Freunde. Der Dompteur, der
weniger Menschen- als Bestienkenner zu sein schien, hielt
es fllr notwendig, die neuen Beamten vor allzu großem
Wagemut zu warnen. Im Gegensatz zu dem Klebekerl
empfahl er dringend, besonders den Tiger weder mit der
L»and zu fllttern, noch ihn zu treten.

Das versprachen Buttje und Leetentröt, und man sah es
ihnen an, dafi sie es ernst meinten hiermit.

Llnd nun begann die Arbeit. Physisch überstieg sie ja
nun nicht die Grenze desjenigen, was die, durch jahrelange
entnervende Tätigkeit geschwächte Konstitution der Freunde
herzugeben vermochte. Das Ausfegen von Löwen- und
Königstigermist in den leeren Käfigen der Produzenten
war durchaus erträglich. So konnten bei 8 Mark pro
Tag die Geneverflaschen von Leini und Ian llber Vernach-
lässigung nicht klagen.

Nur das Füttern gesiel den beiden nicht so ganz, be-
sonders Zan nicht, der die weichere Seele besaß. Die

Abneigung gegen dtese nor-
wendige Beschäftigung stei-
gerte sich eines Tages lebhaft.
Ian hatte das Fohlenschnitzel
durch die Gitterstäbe gescho-
ben, da beschielte ihn der
Tiger so häfilich, dafi Ian vor
Zagen die Futtei stange sinken
ließ. Leider hing an dieser
Stelle gerade der Tiger-
schwanz eine Spanne aus
dem Käfig heraus, und just
llber der Kante senkte sich
die eiserne Futterstange ziem-
lich heftig auf die Rllcken-
verlängerung des Dschungel-
bewohners.

Mit Wut- und Schmerz-
gebrllll und dem diesen Ge-
schöpfen in ähnlichen Lagen
eigenen Temperament stllrzte
sich das Katzentier auf das
Gitter und langte stch Ians
Mlltze von dessen Kopf, die es hoffnungslos zerfleischte.

Der Arbeitsmann bekam eine weiße Nase, er zitterte
am ganzen Leibe. „Was hätte davon kommen können —
ganz übel werde ich — wenn ich daran denke. — Leicht
hätte das angehen können, daß ich wie gestern meine Sonn-
tagsmlltze aufgehabt hätte."

Leini Buttje und Ian Leetentröt mufiten in einem
Wagen nahe bei ihren Pfleglingen schlafen. Der Raum
war dort so knapp, daß sich die Tierwagen vor den Wohn-
wagen befanden und der Zutritt zu letzteren durch einen
Tierwagen erfolgen mußte, dessen Insaffen dann natllrlich
auf andere Domizile verteilt worden waren, und der zur
Zeit nichts enthielt als gewisse letzte Linterlassenschaften
und eventuell ein Fell, das der Dompteur zu Vorfllhrungs-
zwecken gebrauchte und dort llberwiegend vergaß.

— „Wie nennen Sie das Bild, lieber Freund? ,Bittgebet
der IungfrarL. Na, da möcht' ich wissen, warum das Mäd-
chen betet." — „Natürlich, daß das Bild verkauft wird."

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Besonderer Standpunkt — „Ansre Stadt soll die

allerdreckigste sein, hat
einer im Stadtrat gesagt. Na, da mllssen auch die Straßen-
kehrerden höchsten Lohnkriegen,wo der meiste Dreck liegt."
 
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