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Das Brautpaar

— „Weißt du, Max: wir wollen meinen Eltern lieber nicht
erzählen, daß wir uns im Kino kennen gelernt haben. Sie
fmd so ehrpusselig und immer fürs Solide."

— „Verstehe, — sagen wir also: durch Jnserat."

Die ehrlichen Finder

— „Gestern fanden Max und ich eine Briestasche mit
hundert Markl"

— „Loffentlich seid ihr ehrlich gewesen?"

— „Selbstverständlich! Ieder hat die Lälfte gekriegt!"

Medizin

Der Augendiagnostiker Glühftiel genoß einen weit über
dis Grenzen des Normalen hinausgehenden Ruf als Arzt.
Auch Mißerfolge konnten das unbegrenzte Vertrauen seiner
Patienten nicht im geringsten erschüttern. Besonders die
Damenwelt frequentierte ihn, viele der Augen wegen, etliche
der Diagnose wegen. Manche kamen, um fich in die Augen
schauen zu lassen, manche, um ihm in die Augen zu schauen.
Er hatte einen faszinierenden Blick. Kurz und gut: die
Praxis war enorm.

Auch Frau Krumplich in der Bohmstraße, die dicke Frau
Krumplich, war bei ihm gewesen und schwor auf ihn. Bei
jeder Gelegenheit, auf der Treppe, beim Milchholen, beim
Müllausschütten und Teppichklopfen. Selbst ganz fremde
Leute versuchte sie zu gewinnen.

„Sö," pflegte sie beim Stadelbacher in der Milchpolonäse
zu sagen: „Sö schaun aba aa a bissel gelb aus, ja mei, sakrisch
gelb sans, bal ma richti hinschaugt. Akk'rat wia a Post-
kasten, der wo frisch g'strichen is. Mit solchenem Aussehen

Ganz der Papa —„Der Kleine schläft merkwürdiger-
weise fast immer am Tag." — „Das ist doch nicht merkwür-
dig, das tut sein Papa, der Lerr Obersekretär, doch auch!"

— „Der Gaul scheint mit Ihnen durchgehen zu wollen,
Äerr Meier." — „Mit mir? Ich fürchte: ohne mich."

machen Se's b'stimmt nimma lang. Geb ns fei Obacht, daß
's Eahna net amal momentan z'reißt! Bals von a'ra ein-
fachen Frau an Rat annehmen woll'n, nacha sag i Eahna
bloß dös: Gengas halt zum Glühstiel, der kennt si aus! Der
weiß, wia rum bei Eahna 's Blut läuft, der schaugt Eahna
pfeigrad bis ins Rückenmark!"

So fest war Frau Krumplich überzeugt, daß Glühstiel
und nur Glühstiel berufen und geeignet fei, in den krank-
haften Ablauf von Funktionen des menschlichen Körpers
helfend und bessernd einzugreifen. Ihre Lleberzeugungstreue
war die von zehn Durchschnittsaposteln und ihre zwar eintöni-
ge und volkstümliche, aber unermüdliche Propaganda wirkte.

Selbstverständlich konnte sich Frau Grieshaber, die Frau
des Steuerdiätars Ztaver Grieshaber, die mit Krumplichs
auf demselben Gange wohnten, der suggestiven Wirkung
nicht entziehen, wobei vielleicht nicht ganz unwesentlich war,
daß Frau Krumplich wenig unter zweieinhalb Zentner, die
Frau Diätar dagegen knapp hundertzehn Pfund, nach dem
Mittagessen gewogen, ausmachte, und Körpermasse über-
zeugen immer. Frau Grieshaber war aus Aeberzeugung gegen
alle Aerzte und absolut auf Lien-Fong-Essenz eingeschwo-
ren. Sie selbst war, wie sie selbst betonte, kerngesund, aber
ihr Mann, der im Staatsdienst etwas abgewetzte Taver,
hatte es mit der Gesundheit. Frau Krumplich verschwieg
die Natur ihres Leidens, das unter den homöopathischen
Tränkchen Glühstiels geschwunden war wie Butter an der
Sonne, durchaus nicht. Anter dem §>inweis, daß alles na-
türlich sei, erzählte sie immer wieder, mit welchem Eilzugs-
tempo die Passage der Lebensmittel sich bei ihr vollzogen
habe, und was ihr diese beschleunigten Lebensprozesse für
Sorgen und Anannehmlichkeiten eingetragen hätten.

In ihrem guten Fettherzen hatte sie sich vorgenommen,
bei Grieshabers die Rolle des rettenden Engels zu über-
nehmen und den guten Taver von seinem Leiden zu befreien,
das übrigens von seiner Frau mit dem Mantel der Dis-
(Fortsetzung Seite 55)

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