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Onkel Lyprian und meine Erziehung

Von Dr. Artur Wagner

Ich habe eine dunkle Ahnung, daß ich noch sehr kind-
lich bin, und ich glaube, es liegt an der Erziehung.

Als ich die Aniversität bezog, war ich unersahren wie
ein Kleiderhaken. Mein Onkel Cyprian hatte mich in seine
Pflanzschule genommen und mich mit seinen pädagogischen
Irrtümern gedüngt. Statt ein junger Mann mit guten
Manieren war ich ein Monstrum, um im Bilde zu bleiben,
eine Eiche, auf der statt Eicheln Petersilie wächst. Mein
Onkel Cyprian war ein gutmütiger Sonderling und selbst
ein großes Kind.

Ich entsinne mich, daß ich ihm einmal einen Streich
gespielt habe. Auf dem Dach des altertümlichen Äauses
befand sich ein mächtiger viereckiger Wafserkasten, der teils
bei einem Brande löschende Wassermassen liefern sollte,
teils täglich kleine Mengen zur Spülung einer bestimmten
Porzellanschüssel abgab. Diese Angaben genügen wohl!

In diese Zisterne sehte ich eines Tages vier Goldfische,
sünf Stichlinge und einen Aal, denn ich liebte Tiere. Die
Goldfische und der Stichling lebten, der Aal war bereits
geräuchert. Nach etwa vierzehn Tagen sah ich zufällig
Onkel Cyprian mit allen Zeichen des Entsetzens jenen Ort
verlassen und im Schlafrock das Dach besteigen. Ich schlich
mich hinein, zog an der Schnur und war wirklich überrascht:
da sprudelte, glitschte und gluckste es von kleinen Fischen,
und mit dem letzten Schub kam auch der Aal herab. Onkel
Cyprian schaffte uns Angeln an, und wir hatten vierzehn
Tage zu tun, bis das Bassin leer war.

Sonst habe ich es nie übers Lerz gebracht, ihm irgend
etwas böses zu tun oder ihm auch nur einen Schabernack
zu spielen.

Onkel Cyprian hatte keine Lebenserfahrungen. Er ent-
nahm die Richtlinien seines Landelns der Poesie und den
Zitaten der Dichter, von denen er voll war.

Als ich die Aniversität beziehen sollte, glaubte er wohl,
nun, da ich ins wirkliche Leben träte, mich mit geistiqen
Waffen gegen den Ansturm der falschen Welt versehen und
mir eine gewiffe jugendli de Lockerkeit, wie ste Studenten
so gut ansteht, auf den Weg geben zu müssen. Er p ägte
mir wiederholt ein: „Wer niemals einen Rausch gehabt,
der ist kein rechter Mann!"

An dem Morgen, als ich sein Laus verließ, sagte er
mir, daß ich wahrscheinlich von meinem Varer her Anlage
zu Plattfüßen habe, schenkte mir ein Paar Plattsnßein-

Ansegen der Technik - „Weniger Arbeit soll'n elektri-
sches Bügeleisen machen? So 'n
Quatsch! Eh' die verfluchten Dinger ausgekommen sind, hat
die Äerrschast die Wäsche zum Bügeln aus 'm Laus gegeben."

lagen und entließ mich. Während ich trübselig davonwan-
derte, stand Onkel Cyprian am Gartentor, und als ich mich
einmal umdrehte, knöpfte er sich das blau-weiß gestreifte
Chemisett ab und winkte damit.

In der Aniversität L. besuchte ich den Profeffor Mülzer,
einen alten emeritierten Lerrn, der mir auf meinem Weg
behilflich sein sollte. Ich hatte an ihn einen Empfehlungs-
brief von meinem Onkel mit.

Ich will es gleich sagen: mein Debut in der großen
Welt verlies kläglich. Vor lauter Schüchternheit gab ich
dem alten Lerrn statt des Empfehlungsbriefes die rechte

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