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Stojentiens Weihnachtsgeschenke

ließ das weiterhin in seinem Plane begründete Verfahren
durch vertrauenswürdige Vermittlung sich vollziehen. Am
Weihnachtsabend ging er, wie immer schon, um acht Ahr
in sein Lotelbett, vor dem er zwei Flaschen Sekt aufge-
pflanzt hatte, trank sie in einer Viertelstunde aus und
schlies dann ein, und das war seine Weihnachtsfeier. Früh
am ersten Feiertage setzte er sich auf die Bahn und suhr
in seine Leimatstadt, wo er um sechs Ahr abends beim
Vetter Wollkemmer erschien.

Die Verwandtschaft war schon da, und außer dem
Geheimen Regierungsrat und seiner Gattin, die kinderlos
waren, müssen nun doch ein paar Leute erwähnt werden,
da sie bei den solgenden Geschehnissen hervortreten, nämlich:
Tante Lermine, die Schwester der Rätin, eine ledige Dame,
der Oberstudienrat Laabes, ein Vetter Stojentiens von
anderer Seite her, und seine Gattin, und ein angeheirateter
jüngerer Lerr, der Rechtsanwalt Dr. Kölp, nebst seiner
Frau, einer geborenen Laabes. Dann war noch allerhand
junges Volk da, auf gebräuchliche Vornamen hörend, wie
Kurt, Max, Paul, Lelene, Frida, Käthe usw.

Ia, da war nun also wieder einmal der gute, liebe Vetter
bzw. Onkel Stojentien gekommen. Aber er war traurig; er
war verdrossen und hatte um Entschuldigung zu bitten. „Fa,
meine Lieben, ich komme leider mit leeren Länden, wenig-
stens vorläufig. Eine blödsinnige Geschichte ist mir passiert.
So ein Esel, solch ein Rindvieh! Der Lotelportier nämlich.
Dentt euch: bloß mit einem Landtäschchen bin ich heute hier
angekommen. Mein Koffer ist in Berlin geblieben, der Koffer,
in den ich ein paar kleine Sachen gepackt hatte, mit denen
ich euch überraschen wollte. Er sollte mir an den Zug ge-
bracht werden; der Lotelportier hatte das zu veranlassen.
Aber der Kerl muß es verschwitzt haben, der blödsinnige

Trottel! Rein verrückt geworden bin ich vor Warten im
Zuge; die Augen hab' ich mir ausgeguckt den Bahnfteig ent-
lang, aber mein Koffer kam nicht, und dann fuhr der Zug
auf einmal ab. Natürlich hab' ich gleich von unterwegs an
das Lotel telegraphiert. Aber ich ärgere mich furchtbar.

Dieser Lammel von Portier, so ein Idiot-na, wenn

ich den wieder zu sehen kriege. Aber nun bitte ich euch, liebe
Leute: seid nicht böse!"

Der alte Stojentien machte sich kein Gewissen daraus,
in seiner lügenhaften Erzählung den unschuldigen Lotelpor-
tier so furchtbar zu beschimpfen. Warum auch? Erstens hörte
der Mann ja nichts davon, und zweitens kriegte er immer
sehr viel Trinkgeld von Stojentien. Nun aber baten die
Verwandten den lieben Vetter bzw. Onkel, er möchte sich
doch ja nicht mehr ärgern; sie wären ja alle so froh, ihn in
ihrer Mitte zu sehen, und an Geschenke hätten sie doch wirk-
lich nicht gedacht. Manche trösteten ihn — und sich selbst
freilich heimlich auch — mit der Aussicht, der Koffer würde
ja gleich nachgeschickt werden und ganz sicher eintreffen; an-
dere aber drückten Zweifel daran aus. Der Rechtsanwalt
Dr. Kölp erbot sich bereits, falls der Koffer verschwunden
bleiben sollte, was anzunehmen er sehr geneigt war, eine
Schadenersatzklage gegen das Lotel anzustrengen. Angeteilt
aber waren die Meinungen in Bezug auf das Versäumnis
des Lotelportiers; der Mann müßte hinausgeschmissen werden,
sagten die meisten; einer von dem jungen Volk aber wollte
ihn zu dem bekannten lehten Mann degradiert wiffen.

Dann wurden im Staatszimmer die Kerzen am Weih-
nachtsbaum angezündet, und nun gab es doch eine Äber-
raschung: eine Kifte stand da, eine lange, flache Kiste. Ia,
das wäre etwas Merkwürdiges, erzählte der Geheime Re-
gierungsrat. Diese Kifte wäre ihm von einem Speditions-
geschäft zugestellt und gleichzeitig ein Brief ausgehändigt

^.nnonosn-^Lpoäition.

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