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Ein guter Gast

Das Zwerghündchen

Von Dr. A. W.

Wie Sophus Schlamelcher auf den Gedanken kam, daß
er ein Zwerghündchen haben müffe, ist nicht geklärt. Der
Brief, der den Entschluß verkündete, schlug bei den ahnungs-
losen Eltern wie eine Gasbombe ein, zumal da Onkel Benno
gerade da war. Die braven, im Gehege bürgerlicher Kon-
ventionen aufgewachsenen Eltern und der gute alte Onkel
Benno, der mit Vorliebe wie ein frecher Lahn auf fremden
Misthaufen krähte, oder, anthropomorph gesprochen, seine
Nase in fremde Verhältnisse steckte, streuten Asche auf ihr
Laupt. Nur bildlich, denn ste waren viel zu ordnungsliebend,
um sich die Frisuren auf diese Weise zu verschandeln und
Staub auf dem Vertikow zu riskieren, aber seelisch glichen
sie absolut einer Versammlung von Liobs. Wenn es eine
seelische Müllabfuhr gäbe, so hätte ste tagelang zu tun ge-
habt, um den aus Anlaß des Zwerghündchens produzierten
Schlamelcherschen Seelenschutt abzukutschen.

Wie kam der Iunge nur auf die Jdee? Man hatte ihn
doch nach Leipzig geschickt, um ihn Zura studieren zu lassen,
nicht zwecks Ankauf von Zwerghündchen! Das war ent-
schieden etwas verruchtes!

„Er ist doch keine Courtisane!" sagte Onkel Benno, der
aber gar nicht wußte, was eine Courtisane war. Er sagte
das nur immer, wenn jemand etwas außergewöhnliches mit
dem Beigeschmack des Anstößigen unternahm. Auf ihren
Sohn angewendet, empfand Frau Schlamelcher diesen Aus-
druck aber diesmal als Beleidigung und erkundigte sich zum
ersten Mal und in spitzem Ton, was eine Courtisane sei.
Als der Onkel nicht mit der Sprache heraus wollte, verbot
sie ihm das Laus. Onkel Bennos Gestcht wurde in unglaub-
lich kurzer Zeit wie ein Klumpen Mennige, jenes rote Zeug,
mit dem Klempner meistens vergeblich versuchen, Löcher in

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der Wasserleitung zu kitten. Er ging wütend, und als er
sich unterwegs die ihm angetane Schmach noch einmal brüh-
warm vor sein geistiges Auge rief, da lief er vor innerer
Erregung auch noch etwas blau an. Ganz Laß und ganz
Pflaume betrat er die Stadlbibliothek und ließ sich das Kon-
versationslexikon reichen, um unter Kurtisane nachzusehen.
Er blieb aber bei Kurdistan hängen und vertiefte sich der-
maßen in die Sitten und Gebräuche jenes Landes, daß er
am Ende nicht mehr wußte, weshalb er hergekommen war.

Anterdessen saßen Sophuffens Eltern beim Kaffee, der
durch die entsehliche Nachricht getrübt war. Sophus war
stels ein guter Iunge gewesen und hatte nie einen Lang
zum stltlich verworfenen verraten. Seine gute Mutter wen-
dete ihr Gedächtnis, wie ein Bauer seinen Leuhaufen, um
und um. Vorschriftsmäßig hatte er Bäh geschrien, er hatte
als Kind nicht krümmere Beine gehabt, als es dem Lerkom-
men und dem guten Tone entsprach, er hatte in fünften
Lebensmonat pünktlich wie ein städtischer Katasterbeamter
die ersten Zähne aus dem rosa Anterkiefer hervorgetrieben,
später sich die übliche Erbse ins Nasenloch gesteckt und zwar
so, daß der Onkel Doktor sie mit der Pinzette herausholen
mußte, hatte in seiner Schulzeit Ouarta und Llntertertia
zweimal durchgemacht und Stinkbomben in den Geschichts-
unterricht verstreut, und nun krönte er seinen Lebenslauf
und studierte Iura. Alles war so schön normal verlaufen.
Extravaganzen waren Schlamelchers ein Greuel. And nun
dies! Ia, es war doch wohl ein Fehler gewesen, dem Jungen,
als er großjährig geworden war, ein Teil seines Erbes aus-
zuzahlen. Nun ging er hin und kaufte Zwerghündchen dafür.

Da erinnerte sich Frau Schlamelcher, daß Sophus als
Kind von zwei Iahren rätselhafte und unerklärliche Worte
 
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