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Fön

Von Dr. Artur Wagner

Es handelt sich nicht um jenen Apparat, den Friseure
dazu benuhen, uns hinter den Ohren trocken zu legen.
Es handelt sich vielmehr um die Naturerscheinung gleichen
Namens, und alles, was ich beschreiben will, ist nur
ein Beitrag zu dem Problem: Wetterlage und Seele des
Menschen.

Leute, die aus dem gebildeten Norddeutschland zu uns
nach München kommen, meinen immer, man rede vom Fri-
seur, wenn man jene Naturcrscheinung ansührt. Diesen Leu-
ten sei gesagt, daß wir unter Fön einen warmen, trockenen
Wind verstehen, der, aus der allgemeinen Richtung Ziller-
tal („Du bist mei Freud'!") kommend, in unsre gute Stadt
München hereinschnaubt und hier verheerend wirkt. Wenn
der Fön kommt, brodeln die Gemüter, die Geister rebellieren.
Der Fön fegt Ministersefsel leer und treibt die Menschen
zu Aufzügen zusammen. Der Fön bringt politische Krisen,
Landtagsskandale und Lakenkreuze mit. Er ist ein eigen-
artiger Wind.

Die Wetterwarte versucht ihn immer noch vorher an-
zukündigen, durch lauge, schlechte Ersahrungen beileibe nicht
gewitzigt. Es gelingt ihr nie. Nur Lerr Dimpfl kann es.
Lerr Dimpfl ist einmal aufs Knie gefallen, nicht aus Fröm-
migkeit, sondern aus dem Lofbräuhaus, und seit dieser
Zeit fühlt er den Fön voraus. !lnd damit sind wir beim
Kern dieser Geschichte.

Endlich nämlich geben die Fortgeschrittensten unsrer
Mediziner den Einfluß des Wetters aus das Seelenleben
zu, womit nicht gesagt sein soll, daß sich das Seelenleben
bei Lerrn Dimpfl ausschließlich im Knie abspielt. Viele
Iahrtausende mußten über die Erde dahinbrausen, bis die
Wissenschaft zugab, was der Laubfrosch teils instinktmäßig,
teils als Gewerbe betreibt: er klettert auf einer tückisch
untergeschobenen Leiter auf und ab, wenn sich das Wetter
ändert. Genau so klettert man in München unter der Ein-
wirkung des Föns auf der Skala des Seelenlebens ausund ab.

Lierr Dimpfl wohnt in der Pension neben mir und ist
mein Laubsrosch. Er unterscheidet sich von diesem Tiere nur
wesentlich dadurch, daß er täglich 7 Maß Bier trinkt, was
ein Laubfrosch selbst in der Freiheit nie tut. Doch ich will
nicht abschweisen und zu dem roten Faden zurückkehren,
der der Leitstern dieser Abhandlung ist.

Lerr Dimpfl also macht mich durch Klopsen aufmerk-
sam, wenn er den Fön im Knie spürt. Das ist sehr wichtig,
viel wichtiger, als der Aneingeweihte denkt. Denn ich muß
dann weitschichtige Vorbereitungen treffen. Jch mache zu-
nächst einige Entschuldigungsbesuche im Vorhinein bei Leu-
ten, die ich gewohnheitsmäßig beleidige, wenn Fön ist.
Anter anderm gehe ich ins Parterre zu dem Besttzer der
Pension, Äerrn Milde, und sage etwa solgendes:

„§>err Milde, es könnte sein, daß ich im Laufe der

Der Studienrat in Afrika

— „Angebildete Bande! Nicht einmal vom hunderttorigen
Theben wissen sie was, was bei uns schon in Tertia vorkommt."

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