Prohibtttonskommifsar Obermair
Solaiig der alte Peter
Am Petersplatz noch steht,
Solang die grüne Isar
Durchs Münchnerstadtl geht,
Solang ani alten Platzl
Stehts alte Lofbräuhaus,
Solang hört die Gemütlichkcit
Beim Münchner niemals aus.
And dann stoß Corbinian dcr Mund über, weil das
^wrz so voll war. Er wurde selbst zum Dichter. Stehend
freihändig deklamierte cr die Worte:
Im wunderschönen Monat Mai,
Als alle Knospen sprangen,
Da ist in meinem Lerzen auch
Das Bockbier aufgegangen.
Die Lefepilze entblößten ihre Läupter und weinten
vor Rührung.
»I leg mein Amt nieder!" rief Corbinian.
„Was ham S' denn nur heut, Lerr Obermaier," fragte
besorgt die Kellnerin Cenzi und faßte Corbinian bei der
Schulter, „gradweg eingschlafen san S'. Genga S' lieber
heim, sonst grantelt d' Frau Gemahlin morgen!" Lurry
Beherzigenswerte Worte sür und wider
Von PekerNobinso»
Onkel Tobias und Tante Sabine, seine gute Frau, er-
klärten inimer, in der Frage des Genusses geistiger Getränke
bestände leider zwischen ihnen ein durchaus reziprokcs Vcr-
hältnis. Aber das stimmte nicht ganz. Wäre Onkel Tobias
dein Alkohol in solchem Maße hold gewesen, wie Tante
Sabine ihm abhold war, o, da wäre er cin elendcr, nichts-
würdiger Trunkenbold gewesen, eine Schande dcr Mensch-
heit, und selbst die beste, von den tüchtigsten Aerzten ge-
leitete und einem über alle Maßen energischen Perional
bedienteTrinkerheilanstalt hätte ihn wohl nicht retten könncn.
war aber ein gesundcr, ordentlicher Lerr, der mit Recht
was vorstellte im Städtchen, eine kleine Säulc des Staatcs,
vin geachteter Mitbürger, ein sorgsamer Lausvatcr, - kurz
und gut: ein braver Mann. Daß er hin und wieder ein
kKläschen oder auch mal cine Flasche Wein trank, daß ihm
gutes Bier vortrefflich schmeckte, und daß ihm schlicßlich
»nter Amständen auch ein Schnäpschen angezeigt erschien,
kvnnte diese menschlichen Qualitäten wirklich nicht im ge-
ringsten beeinträchtigen. Auch seiner Gesundheit war der-
gleichen durchaus nicht abträglich. Im Gegenteil: es wäre
ihr dienlich, sagte er. Denn der Wein ersreue des Menschen
^erz, heiße es schon in der Bibel; ein srohes Lerz aber
lei die sicherstc Gewähr sür ein immer heiteres Gemüt, und
dieses wiederum die seste Grundlage des leiblichen Wohl-
l>efindens. Freilich, in ganz jungen Iahren dürfe man ihm
"icht so sehr huldigen, aber mit zunchmcndem Alter wirkc
er wie Mcdizin. Kein geringerer als der große Arzt Lufe-
land habe geraten, je älter man wcrde, desto mehr Wein
küirfe man trinken. Alles in allem: Onkel Tobias sah in
einem mäßigen, bei geselligen Zusammenkünften manchmal
"uch reichlicheren Alkoholgenuß ein Mittel nicht zur Ver-
kürzung, sondern grade zur Verlängerung dcs Lebens.
Tante Sabine aber urteilte anders, ganz anders. Für
ste bedeutete schon ein Trvpsen Likör, ein Schlückchen Wein,
em Gläschen Bier Gift, schrcckliches Gift. Sie lcugnete
uicht, daß dieses Gift gewisse verführerische Neize besäße;
aber grade darin läge die surchtbare Gefahr, behauptete
fic, denn es locke und lade zu iminer stärkerem Genusse ein.
Ani dicser Gefahr mit Sicherheit zu entgehcn, gäbe es nur
das eine Mittel, ein für allemal abstinent zu leben. „Erzittre
vor dem ersten Schritte!" sprach sie und meinte damit den
ersten Tropfen.
Aus dieser Verschiedenheit der Anschauungen hatte sich
nun der immerhin bemerkenswerte Zustand ergeben, daß
bei Tisch Onkel Tobias ein Glas mit Bier und am Sonn-
tag mit Wein, Tante Sabine aber eine schöne Kristallka-
raffe mit klarem Wasser vor sich hatte,daß der Onkel abends,
wenn er sich behaglich in seinem Lehnstuhl angesiedelt hatte,
einen freilich nicht gar zu starken Grog sich braute, die
Tante aber aus ebendemselben Kessel das Wasser für ihren
Tee entnahm, und daß schließlich abends Tobias manchmal
in die Kneipe ging, während seine Sabine allein blieb und
sich mit der stillen Gesellschast eines Buches begnügte.
Solch ein Gegensatz hätte in vielen Fällen Lader und
Zwietracht, wenn nicht gar ein dauerndes Zerwürfnis aus-
keimen lassen. Bei Onkel Tobias und Tante Sabine aber
herrschte trotzdem heiterer Friede, und ihr eheliches Glück
blieb ohne Wolken. Das war natürlich weniger das Ver-
dienst des Onkels als das der Tante. Denn er hatte ja, was
er wollte, nämlich starkes Getränk, und wenn seine Frau
das nicht mochte, so traf ihn das ja nicht. Sie aber mußte
doch tagtüglich mehr oder niinder starke Verletzung des von
ihr als einzig richtig erkannten Grundsatzes erleben; sie sah
in ihrem Lause ihren Feind Alkohol, zwar nicht regieren,
denn das wäre freilich schlimm gewcsen, aber doch willkom-
men geheißen, und erhob trotzdeni keine grollend keifcnde
Stinime. Das lag wohl daran, daß ihr ümschwung zur Ab-
stinenz crst nach einer schon zwanzigjährigen glücklichen Ehe
erfolgt war; da hatte sie ihren guten Tobias eben schon so
schätzen gelcrnt, daß sie ihm sein Behagen ließ. Er galt
ihr als ein Ausnahmefall. Ia, solch ein Kernmensch, der
durfte schlicßlich sein Gläschcn genießen. Für ihn brauchte
es nicht jene völlige Bcschränkung zn gcben, die sie am
liebsten, wenn sie nur gekonnt hätte, der ganzen übrigen
Mitbürgerschaft auferlcgt hätte. Tobias war die Ausnahme,
wclche die Regel bekrüftigte, nänilich die des Nutzens der
Abstinenz für die durchschnittliche Menschheit. Es war brav
von Tante Sabine, den Fall so anzusehen; Onkel Tobias
würdigte das, und deshalb gab er freundlich lächelnd auch
manchmal nach, wenn sie, was selten vorkam, am späten
Abend ein ihr doch überflüssig erscheinendes allcrletztes Glas
zu »crhindern suchte, — nur mit dem schwach gcseufzten:
„Aber Tobias!"-—
Tante Sabine hatte einen wohlgeordneten Laushalt
I9S
Solaiig der alte Peter
Am Petersplatz noch steht,
Solang die grüne Isar
Durchs Münchnerstadtl geht,
Solang ani alten Platzl
Stehts alte Lofbräuhaus,
Solang hört die Gemütlichkcit
Beim Münchner niemals aus.
And dann stoß Corbinian dcr Mund über, weil das
^wrz so voll war. Er wurde selbst zum Dichter. Stehend
freihändig deklamierte cr die Worte:
Im wunderschönen Monat Mai,
Als alle Knospen sprangen,
Da ist in meinem Lerzen auch
Das Bockbier aufgegangen.
Die Lefepilze entblößten ihre Läupter und weinten
vor Rührung.
»I leg mein Amt nieder!" rief Corbinian.
„Was ham S' denn nur heut, Lerr Obermaier," fragte
besorgt die Kellnerin Cenzi und faßte Corbinian bei der
Schulter, „gradweg eingschlafen san S'. Genga S' lieber
heim, sonst grantelt d' Frau Gemahlin morgen!" Lurry
Beherzigenswerte Worte sür und wider
Von PekerNobinso»
Onkel Tobias und Tante Sabine, seine gute Frau, er-
klärten inimer, in der Frage des Genusses geistiger Getränke
bestände leider zwischen ihnen ein durchaus reziprokcs Vcr-
hältnis. Aber das stimmte nicht ganz. Wäre Onkel Tobias
dein Alkohol in solchem Maße hold gewesen, wie Tante
Sabine ihm abhold war, o, da wäre er cin elendcr, nichts-
würdiger Trunkenbold gewesen, eine Schande dcr Mensch-
heit, und selbst die beste, von den tüchtigsten Aerzten ge-
leitete und einem über alle Maßen energischen Perional
bedienteTrinkerheilanstalt hätte ihn wohl nicht retten könncn.
war aber ein gesundcr, ordentlicher Lerr, der mit Recht
was vorstellte im Städtchen, eine kleine Säulc des Staatcs,
vin geachteter Mitbürger, ein sorgsamer Lausvatcr, - kurz
und gut: ein braver Mann. Daß er hin und wieder ein
kKläschen oder auch mal cine Flasche Wein trank, daß ihm
gutes Bier vortrefflich schmeckte, und daß ihm schlicßlich
»nter Amständen auch ein Schnäpschen angezeigt erschien,
kvnnte diese menschlichen Qualitäten wirklich nicht im ge-
ringsten beeinträchtigen. Auch seiner Gesundheit war der-
gleichen durchaus nicht abträglich. Im Gegenteil: es wäre
ihr dienlich, sagte er. Denn der Wein ersreue des Menschen
^erz, heiße es schon in der Bibel; ein srohes Lerz aber
lei die sicherstc Gewähr sür ein immer heiteres Gemüt, und
dieses wiederum die seste Grundlage des leiblichen Wohl-
l>efindens. Freilich, in ganz jungen Iahren dürfe man ihm
"icht so sehr huldigen, aber mit zunchmcndem Alter wirkc
er wie Mcdizin. Kein geringerer als der große Arzt Lufe-
land habe geraten, je älter man wcrde, desto mehr Wein
küirfe man trinken. Alles in allem: Onkel Tobias sah in
einem mäßigen, bei geselligen Zusammenkünften manchmal
"uch reichlicheren Alkoholgenuß ein Mittel nicht zur Ver-
kürzung, sondern grade zur Verlängerung dcs Lebens.
Tante Sabine aber urteilte anders, ganz anders. Für
ste bedeutete schon ein Trvpsen Likör, ein Schlückchen Wein,
em Gläschen Bier Gift, schrcckliches Gift. Sie lcugnete
uicht, daß dieses Gift gewisse verführerische Neize besäße;
aber grade darin läge die surchtbare Gefahr, behauptete
fic, denn es locke und lade zu iminer stärkerem Genusse ein.
Ani dicser Gefahr mit Sicherheit zu entgehcn, gäbe es nur
das eine Mittel, ein für allemal abstinent zu leben. „Erzittre
vor dem ersten Schritte!" sprach sie und meinte damit den
ersten Tropfen.
Aus dieser Verschiedenheit der Anschauungen hatte sich
nun der immerhin bemerkenswerte Zustand ergeben, daß
bei Tisch Onkel Tobias ein Glas mit Bier und am Sonn-
tag mit Wein, Tante Sabine aber eine schöne Kristallka-
raffe mit klarem Wasser vor sich hatte,daß der Onkel abends,
wenn er sich behaglich in seinem Lehnstuhl angesiedelt hatte,
einen freilich nicht gar zu starken Grog sich braute, die
Tante aber aus ebendemselben Kessel das Wasser für ihren
Tee entnahm, und daß schließlich abends Tobias manchmal
in die Kneipe ging, während seine Sabine allein blieb und
sich mit der stillen Gesellschast eines Buches begnügte.
Solch ein Gegensatz hätte in vielen Fällen Lader und
Zwietracht, wenn nicht gar ein dauerndes Zerwürfnis aus-
keimen lassen. Bei Onkel Tobias und Tante Sabine aber
herrschte trotzdem heiterer Friede, und ihr eheliches Glück
blieb ohne Wolken. Das war natürlich weniger das Ver-
dienst des Onkels als das der Tante. Denn er hatte ja, was
er wollte, nämlich starkes Getränk, und wenn seine Frau
das nicht mochte, so traf ihn das ja nicht. Sie aber mußte
doch tagtüglich mehr oder niinder starke Verletzung des von
ihr als einzig richtig erkannten Grundsatzes erleben; sie sah
in ihrem Lause ihren Feind Alkohol, zwar nicht regieren,
denn das wäre freilich schlimm gewcsen, aber doch willkom-
men geheißen, und erhob trotzdeni keine grollend keifcnde
Stinime. Das lag wohl daran, daß ihr ümschwung zur Ab-
stinenz crst nach einer schon zwanzigjährigen glücklichen Ehe
erfolgt war; da hatte sie ihren guten Tobias eben schon so
schätzen gelcrnt, daß sie ihm sein Behagen ließ. Er galt
ihr als ein Ausnahmefall. Ia, solch ein Kernmensch, der
durfte schlicßlich sein Gläschcn genießen. Für ihn brauchte
es nicht jene völlige Bcschränkung zn gcben, die sie am
liebsten, wenn sie nur gekonnt hätte, der ganzen übrigen
Mitbürgerschaft auferlcgt hätte. Tobias war die Ausnahme,
wclche die Regel bekrüftigte, nänilich die des Nutzens der
Abstinenz für die durchschnittliche Menschheit. Es war brav
von Tante Sabine, den Fall so anzusehen; Onkel Tobias
würdigte das, und deshalb gab er freundlich lächelnd auch
manchmal nach, wenn sie, was selten vorkam, am späten
Abend ein ihr doch überflüssig erscheinendes allcrletztes Glas
zu »crhindern suchte, — nur mit dem schwach gcseufzten:
„Aber Tobias!"-—
Tante Sabine hatte einen wohlgeordneten Laushalt
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