Ergebnis der Wochenaufgabe Nr. 44
(Nr. 1858)
Die Schaurntorte
Preisträger: Nm. 100. - Adolf Postler, Linz a. D.
Stisterstraße 14.
e lustige Lösungen:
Einsender: Iohannes Knirsch, Einsender: Anton Bruner, Einsender: E. L. Weidemann,
Lamburg. Nestomitz a. E. Gliicksbnrg.
Beherzigenswertc Worte fiir und wider
„Zch werde es schon nicht^ so schlimm inachen, Onkel,"
tröstete ich. „Denn es würde mich natürlich betrüben, wenn
du an meinem Gedicht Anstoß nehmen würdest."
Er dachte nach. „Sage mal: kannst du die Verse nicht
so einrichten, daß man auch einen anderen Sinn heraus-
lesen kann? Tante braucht ja nichts davon zu wisscn. Du
bist doch ganz geschickt; sowas muß eine Kleinigkeit sür
dich sein."
Das war schmeichelhaft sür mich, und deshalb ver-
sprach ich eilfertig, Onkel Tobias ganz und gar zufricden
zu stellen. Ein Gedicht sollte es werden, das sowohl als
Äymnus für Abstinenten wie auch als Iubelkantus sür
frohe Zecher gelten könnte. Das würde mir keineswegs
schwer fallen, behauptete ich. Aber das stimmte nicht; es
ist mir hart geworden, ein schweres Stück Arbeit ist es
gewesen, und ich habe manches Glas Wein trinken müssen,
bis es geglückt war.
Als ich dann Tante Sabine das Manuskript brachte,
hatte ich zuerst einiges zu erklären. „Llm die Wucht meiner
Worte zu erhöhen, habe ich tüchtig lange Verszeilen ge-
wählt, sechssüßige Iamben. Bei solchen Versen empfiehlt
202
es sich, in dcr Mitte eine Cäsur eintreten zu lassen, eine
kleine Kunstpause, und es scheint mir angezeigt, sie auch
äußerlich anzudcuten; viclleicht könntest du sogar eine der
Zierranken, die doch das Gedicht umgeben sollen, sich mitten
hindurch schlängcln lassen. Ferner habe ich außer ein paar
Punkten keine Interpunktionszeichen angebracht, die bei
der einigermaßen monumentalen Art deiner Tafel nur
störend wirken würden."
Tante Sabine nickte. „Na ja, das wirst du besser verstehen.
Mir kommt es vor allem auf den Wortlaut an. Also, »un
wollen wir mal sehn. ,Wer sich zum Weine hält dcm
wird es schlimm crgeheiü — gut, sehr gut l ,Der ist stets
wohlbestellt — wer Wasser nur mag schen/ Das ist ent-
zückend, — dieser schlichte, volkstümliche Ton! ,Du ziehst
aus Rebensaft — Verdruß und Mißgelingen. — Die
frische srohe Krast wird dir das Wasser bringeiü-
also wirklich, mein Iunge: du hast es ganz so getroffen,
wie ich es haben wollte! Gleich wcrde ich mich an die
Arbeit machen."
Sofort machte Tante Sabine sich ans Werk; zwei
Tage lang roch und stank es im Lause, und dann war das
Prunkstück fertig. Die Tafel sah so aus:
(Nr. 1858)
Die Schaurntorte
Preisträger: Nm. 100. - Adolf Postler, Linz a. D.
Stisterstraße 14.
e lustige Lösungen:
Einsender: Iohannes Knirsch, Einsender: Anton Bruner, Einsender: E. L. Weidemann,
Lamburg. Nestomitz a. E. Gliicksbnrg.
Beherzigenswertc Worte fiir und wider
„Zch werde es schon nicht^ so schlimm inachen, Onkel,"
tröstete ich. „Denn es würde mich natürlich betrüben, wenn
du an meinem Gedicht Anstoß nehmen würdest."
Er dachte nach. „Sage mal: kannst du die Verse nicht
so einrichten, daß man auch einen anderen Sinn heraus-
lesen kann? Tante braucht ja nichts davon zu wisscn. Du
bist doch ganz geschickt; sowas muß eine Kleinigkeit sür
dich sein."
Das war schmeichelhaft sür mich, und deshalb ver-
sprach ich eilfertig, Onkel Tobias ganz und gar zufricden
zu stellen. Ein Gedicht sollte es werden, das sowohl als
Äymnus für Abstinenten wie auch als Iubelkantus sür
frohe Zecher gelten könnte. Das würde mir keineswegs
schwer fallen, behauptete ich. Aber das stimmte nicht; es
ist mir hart geworden, ein schweres Stück Arbeit ist es
gewesen, und ich habe manches Glas Wein trinken müssen,
bis es geglückt war.
Als ich dann Tante Sabine das Manuskript brachte,
hatte ich zuerst einiges zu erklären. „Llm die Wucht meiner
Worte zu erhöhen, habe ich tüchtig lange Verszeilen ge-
wählt, sechssüßige Iamben. Bei solchen Versen empfiehlt
202
es sich, in dcr Mitte eine Cäsur eintreten zu lassen, eine
kleine Kunstpause, und es scheint mir angezeigt, sie auch
äußerlich anzudcuten; viclleicht könntest du sogar eine der
Zierranken, die doch das Gedicht umgeben sollen, sich mitten
hindurch schlängcln lassen. Ferner habe ich außer ein paar
Punkten keine Interpunktionszeichen angebracht, die bei
der einigermaßen monumentalen Art deiner Tafel nur
störend wirken würden."
Tante Sabine nickte. „Na ja, das wirst du besser verstehen.
Mir kommt es vor allem auf den Wortlaut an. Also, »un
wollen wir mal sehn. ,Wer sich zum Weine hält dcm
wird es schlimm crgeheiü — gut, sehr gut l ,Der ist stets
wohlbestellt — wer Wasser nur mag schen/ Das ist ent-
zückend, — dieser schlichte, volkstümliche Ton! ,Du ziehst
aus Rebensaft — Verdruß und Mißgelingen. — Die
frische srohe Krast wird dir das Wasser bringeiü-
also wirklich, mein Iunge: du hast es ganz so getroffen,
wie ich es haben wollte! Gleich wcrde ich mich an die
Arbeit machen."
Sofort machte Tante Sabine sich ans Werk; zwei
Tage lang roch und stank es im Lause, und dann war das
Prunkstück fertig. Die Tafel sah so aus: