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Zeichmmg don I. Mnuder

— „Woll'n mer zusammen 'n syarreston riskieren, Fräulein Meta?"

— „Ach Gott, Äerr Meier, ich danke Jhnen schön, aber ich kann nicht schon wieder essen."

Die beiden Ktsten

leiteten und sittlich gefestigten Laushalt wie dem Grütz-
spechtschen, so viele Obstflecke zu vertilgen waren, sogar in
allen Monaten, wo garantiert kein Obst aus dem Markte
ist, und daß die Motten dort nicht einmal im Winter ver-
schwanden und überhaupt ein auffallend zähes Leben zu
besitzen fchienen.

Äerrn Pulverich, der nicht von gestern war, fiel das
naturgemäß auch aus, und er deptete sich das aus seine
Weise und buchte es auf die 5zabenseite eines Kontos, das
er in seinem Äerzen sür Käte Grützspecht errichtet hatte.
Aus der Sollseite dagegen standen seit einiger Zeit einige
kategorische Imperative, von denen einige lauteten: „Er-
kläre dich ihr! Mach beim Bürgermeister Besuch! Äalt
um ihre Land an, ehe dir ein anderer zuvorkommt!"

Tatsächlich betrieb Lerr Pulverich im Stillen die Sache,
nur glaubte er gar nicht eilen zu müssen, denn von Kon-
kurrenz bei Käte war keine Rede. So setzte er die Sache
in aller Nuhe ins Werk.

Er fuhr öfter zur Anprobe in die nahe Großstadt, wo
er bei ersten Schneidern die entsprechenden schwarzen Klei-
dungsstücke in Auftrag gegeben hatte. Es kostete einen
Batzen Geld, aber das war man sich schuldig.

Er gedachte, an einem ganz bestimmten Sonntag vor-
mittag die Droschke des Lerrn Knörnschild, der ein Fuhr-
unternehmen am Platze betrieb, zu bestellen, einen Blumen-
strauß und die' Initiative in die Land zu nehmen und die
Romantik der Obstflecken und Mottengespräche und un-
bestimmtcn Blicke in die geordneten Bahnen eines bürger.
lich einwandfreien Verlöbnisses zu lenken.

Die Droschke hätte er zwar keineswegs gebraucht, denn
es war bis zu Bürgermeisters genau 45 Sekunden um die
Ecke, aber es gall in Kleinschlickelsheim nun einmal sür
ausgesucht schlechten Ton, derlei Besuche zu Fuß zu er-
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ledigen. Ia, das Lerkommen schrieb sogar vor, daß man
das Silbergeschirr zu bestellen, und daß Lerr Knörnschild
seinen Pelzkragen — salls es Winter wäre — anzuziehen
habe, eine Feierlichkeit, die gegen Erlegung von 3 Mark
extra zu haben war.

Die Gelegenheit schien umsomehr von Gott gewollt,
als am Montag darauf der erste Eliteball der Saison mit
Gewinnverlosung und Sektzelt stattfinden sollte, da würde
er dann gleich zum ersten Male als Bräutigam tanzen.

Pulverich, der gerade zwei chemische Reaktionen über-
wachte, um einerseits Fleckwaffer, andrerseits Brausepulver
herzustellen, verfiel in ganz ungeschäftsmäßige Träumereien.
Er weilte in Gedanken mit der Geliebten im Sektzelt. Zu-
sällig war auch gerade niemand anders darin. Einen flüch-
tigen Kuß drückte er auf die erbebenden'Lippen, dann süllte
er ihren und seinen Sektkelch, das heißt, er goß das wer-
dende Fleckwasser zu dem unsertigen Brausepulver und war
im nächsten Moment in Schaumwolken eingehüllt.

Pulverich riß sich den Schlips vom Lals, wobei
der Kragen auch gleich mitging, rieb sich die tränenden
Augen und tappte nach einem Äandtuch. In diesem Moment
ging die Ladenklingel. Kling-lüng-lüüüüüng! machte es. Es
ist immer so: in Momenten, in denen wir nicht gerllstet
sind, ereignet sich entscheidendes.

Pulverich lenkte den durch Fleckwasser und Brause-
pulver getrübten Blick auf die Eintretenden: es war Käte
Grützspecht, aber sie war nicht allein, wie sonst, sondern in
ihrer Begleitung befand sich ein Lerr mit einem Monokel,
der Lerrn Pulverich durchdringend ansah und echtes fran-
zösisches Parsüm verlangte.

Lerr Pulverich kannte den Äerrn nicht, ahute aber,
daß es der neue Assessor vom Amtsgericht sein müsse, und
witterte instinktiv den Nebenbuhler. Das und dazu das
Bewußtsein, sich in einer lächerlichen Lage zu befinden,
 
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