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D>e belden Kisten

versetzte ihn in einen Zustand der Gereiztheit, der sich in
seiner Stimme ausdrückte.

„Labe nur deutsches!" krächzte Lerr Pulverich, „sühre
prinzipiell kein anderes!" Äier begann Lerr Pulverich sich zu
retirieren und ries noch im Abgehen: „Bitte einen Moment
Geduld!"

Während er sich in dem an den Laden anstoßenden
Raum in Ordnung brachte, was ziemlich lange dauerte,
da kein srischer Kragen zu finden war, ging der Assessor
ungeduldig im Lgden auf und ab.

„Ein ekelhafter Kerl!" sagte er und schritt dabei aus
dem eigcntlichen Laden in einen anstoßenden Lagerraum
hinein, wo er sich neugierig umsah. Lier standen gleich vorn
zwei genau gleiche Kisten, auf der einen las der Assessor
„Naketensähe", aus der andern „Bandnudeln". Diese Schil-
der waren mit je zwei Reißzwecken an das Äolz der Kistcn-
deckcl festgemacht.

Der Assessor, der sich über das lange Wartenmüssen
ärgerte, bückte sich in plötzlicher Eingebung und
vertauschte rasch und ges chickt die beiden Schildcr.

„Llbcr Äerr Assessor, was tun Sie denn
da?" sagte Käte, die ihm gefolgt war. „Sofort
tauschen Sie die beiden Schi-"

Weiter kam sie nicht, denn man hörte Pul-
verich nahen.

Der Assessor, der wohl einsah, daß er da
eben etwas zu weit gegangen war, bückte sich
gerade, um die Schilder wieder aus die rich-
tigen Kisten zu bringen, aber es war zu spät.

And so schritt er denn, um sich nicht bloßstellen
zu müssen, hocherhobenen Lauptes, und so, als
wenn ihn nichts besonderes in dem Nebenraum
habe intcressieren können, in den Laden zurück.

Pulvcrich war den ganzen Morgen über
verärgert. Mittags nökerte er zum erstenmal
über das Gulasch, das ihm im Blauen Ochsen,
wo cr als Iunggeselle aß, vorgesetzt wurde.

Uebrigens crfuhr er, daß der neue Assessor
den lächerlichen Namen Piephahn führte. Er
empfand das wie eine Schwäche des ander»
und fühlte über diesen unwichtigen Amstand
eine gewisse Genugtuung, die seine Laune
wesentlich verbesserte.

Aus dem Blauen Ochsen heraustretend, be-
merkte er einige Schritte vor sich Käte Grütz-
specht. Ein feiner Duft wehte hinter ihr her.

Er fühlte Plöhlich einen Stich eine Landbrcit
über dem Gulasch und folgte ihr mißtrauisch.

Ein Verdacht war in ihm ausgestiegen. Vor-
sichtig schnuppernd ging er hinter Käte her,
und als sie im Laus des Sattlermeisters Taubc
verschwunden war, schlüpftc er nach und prüfte
die Luft, denn Apotheker und Drogisten haben
scharfe Nasen und riechen Dinge, von denen sich
die Schulweisheit anderer nichks träumen läßt.

Abcr cs roch in dem Lausflur so vcr-
teuselt stark nach Leder, daß er nicht feststellen
konnte, ob es wirklich sein Parfüm war. Nach-
denklich betrat er die Drogerie, wo ihm der
Lehrling Frih sogleich wichtig mitteilte, daß
er Fräulein Käte mit dem Lerrn Assessor in
die Konditorei von Wurich habe gehen sehen.

Sonst war sein Äerr gegen solche Neuigkeiten
keineswegs immun, darum war es ihm un-

verständlich, warum er heute eine Ohrfeige von wuch-
tiger Qualität bezog; er sand das im höchsten Maße
ungerecht.

!lm sich zu rächen und um sein Persönlichkeitsgefühl
zu retten, vertauschte er bei der ersten Gelegenheit die
beiden Schilder „Raketensätze" und „Bandnudeln", worauf
ihm bedeutend leichter wurde.

Am selben Abend erschien, ganz kurz vor Ladcnschluß,
Fräulein Käte, rosig und srisch wie immer. Pulvcrich be-
grüßte sie kühl, war aber sofort voll Mitleid, als sie sich
mit dem Taschentuch fächelte und behauptete, es sei ihr gar
nicht gut. Pulverich rannte sofort weg, als sie ihn schmel-
zend bat, er möge ihr doch etwas aus der Apotheke be-
sorgen. Fritz hatte sich schon gedrückt.

Kaum war Pulvcrich zur Türe hinaus, da vertauschte
Käte rasch die beiden Schilder, und als der Drogist mit
einem Mittelchen zurückkehrte,war ihr schon wieder ganz gut.

Pulverich machte sich seine Gedanken über diesen Fall,
übrigens tröstliche Gedanken.

Im Wirbeltanz

— „Aufhören! bittel —mir wird schon ganz
schwindelig!" — „Nanu — sonst willst du aber
stets diejenige sein, um die sich alles dreht."

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