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Zeichnung von I. Mauder

Der Weihnachtsmann

— „Malefiz, himmlische Leerschaaren übereinand, hätt' i
bald g'sagt, wo bleibt denn die Verkehrspolizei?"

Gefälligkeit

Von Dr. A. Wagner

Ich war immer der Meinung, daß Löflichkeit und Ge-
sälligkeit angeborene Fehler sind, schwere seelische Mißbil-
dungen, viel schlimmcr als beispielsweise eine Äasenscharte.
Ich meine nicht die berechnende Löflichkeit, die das Gegen-
über in ein feines, unfühlbares Netz von Worten und Gesten
einwickelt wie die Spinne ihre Beute, ich spreche von jener
gefälligen Äöflichkeit, die aus wahrer Lerzensgüte fließt.

Daß ich in der Elektrischen Leuten, die kein Kleingeld
bei sich haben, mit Groschen aushelse, das ist noch nicht so
schlimm, wenn ich auch ost bei einer einzigen Fahrt auf
diese Weise mehr als zwei Mark ausgebe, mein eignes
Trambahngeld nicht gerechnet.

Ebenso selbstverständlich ist es, daß ich Leuten, die ver-
zweifelt am Wegesrande stehen, weil sie keine Münze für
den Gasautomaten haben, der gerade vor dem Mittagessen
die Abgabe von Gas eingestellt hat, — also, daß ich solchen
Leuten helfe, ist doch selbstverständliche Menschenpflicht.
Sehr oft sind es hübsche junge Frauen. Sie quittieren, wie
das jungen Frauen eigen ist, mit zwanzigkarätigen, um die
Längsachse drehbaren Blicken, sogenannten Flettnerblicken,
ich aber gehe mit steil aufgerichtetem Rückgrat von dannen.
Den Dank, Dame, begehr ich nicht! Als der erste Affe sich
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entschloß, nur noch aus den L>interhänden zu gehen und mit
den Vorderfüßen künftig lediglich die Mahlzeiten einzuneh^
men bezw. bei Bedarf seinen Nebenaffen übers Ohr zu
hauen, kann er nicht mit sich selbst zusriedener gewesen sein.

Viele Leute würden es schon bedenklicher finden, sich
aus purer Gefälligkeit zu verlvben. Ich habe das getan.
Ein junges Mädchen aus der Lüneburger L>eide, mit süd-
deutschen Ansitten und Mißbräuchen unbekannt, hatte ver-
sucht, mir Kaiserschmarrn zu kochen. Der gute Wille war
nicht zu verkennen, wohl aber das Gericht, das sie mir mit
liebender Land servierte. Es sah aus wie die Aeberreste
eines Eisenbahnunglücks, nur war es weit bösartiger . . .
Aus Löflichkeit aß ich es natürlich, aber ein gewiegter Ma-
genspezialist hatte alle Mühe, mich wieder auf den Damm
zu bringen. Andern Leuten ist das Zillertal eine Freude,
ich lernte in dieser Zeit die Magenpumpe schätzen, die im-
mer wieder im Laufe von acht Tagen Reste des lecker be-
reiteten Mahlcs ans Licht der fachärztlichen Sprechstunde
besörderte. Darüber war die Maid aus der norddeutschen
Tiesebene so unglücklich. daß ich sie trösten mußte. Ich ent-
schloß mich, mit ihr einen Verlobungskonzern zu gründen.
Lier stehe ich. Ich konnte nicht anders.
 
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