GeMIgkeit
Neulich tras ich Ioe Loe, den Filmregisseur. Ioe
Loe weinte wie ein Kind, dem ein böser Äund den
Schnuller aufgesressen hat.
„Verschaffen Sie mir einen Mann sür meinen neue-
sten Filml Einen Mann, der Schneid hat, einen Kerl,
der zu allem sähig ist. Er muß Pferde stehlen, er muß
den Italiener Muffolini mit Kaugummi wersen, er mnß
seine Schwiegermutter mit Petroleum übergießen, ja er
muß sogar fähig sein, seiner Braut den Bubikopf zu ver-
bieten. So einen Mann brauche ich und finde ihn nicht!
In vier Wochen muß der Film gedreht sein. Wenn ich
in ein paar Tagen den Mann nicht habe, geht mir das
ganze amerikanische Geschäst flöten, und ich muß außer-
dem noch eine Mertelmillion Konventionalstrafe zahlen."
„Warum denn weinen?" sagte ich. „Der Mann steht
vor Ihnen!"
„Sie wollten?" rief Ioe Loe enthusiastisch und um-
armte mich stürmisch. „Kommen Sie übermorgen in mein
Büro!"
Aebermorgen? Lm! Das war eine kurze Zeit. Aber
ich schaffte es.
Das erste war, daß ich ein Pferd stahl. Niemand
glaubt, wie einfach es ist, ein Pferd zu stehlen. Ich
kaufte mir ein Mertelpfund Würfelzucker, pürschte mich
an ein Droschkenpferd heran und gab ihm ein Achtel
zu sressen, währenddessen spannte ich es hinten los, wo-
bei es zutraulich mit dem Schweise wedelte.
Dann zeigte ich ihm die Zuckertüte und führte es
unter den bewegten Dankesworten des Lohnkutschers
davon. Der Mann brauchte nun so lange nichts zu
arbeiten, bis sein Lerr ein neues Pferd beschafft
hatte. Es war etwas schwierig, das Tier vie Treppe
hinauf zu bugsieren, aber mit Geduld und zwei Pfund
Zucker brachte ich auch das fertig, und in der Speise-
kammer schien sich das gute Roß ganz wohl zu fühlen.
Mittlerweile war es die höchste Zeit geworden, nach
Nom zu fahren. Ich mietete ein Flugzeug, versah mich mit
Kaugummi und ging nach sünf Stunden in der Campagna
nieder. Zum Fünfuhrtee war ich bei Mussolini. Er war
sehr herzlich, wir sprachen über Weltpolitik, und nichts
würde unser Verhältnis getrübt haben, wenn ich nicht plötz-
lich mit Kaugummi nach ihm geworfen hätte. Da klingelte
er, aber nicht nach Carabinieri, wie ich erwartet hatte,
sondern nach den weit gefährlicheren Photographen, und
so mußte ich schleunigst den Nückzug antreten.
Die Nacht daheim wurde unruhig. Das Droschkenpferd
war ausgebrochen und wanderte in der Wohnung umher,
erst gegen zwei sthr legte es sich im Salon schlafen. Mich floh
der Schlaf, dcnn was sür Ereignisse standen mir noch bevor!
Am Vormittag begab ich mich, die Merseburger Zau-
bersprüche murmelnd, um mir Mut zu machen, in die Woh-
nung meiner Braut. Meine Schwiegermutter fiel in Ohn-
macht, als ich sie nach einigcn einleitcnden Worten mit dcr
Petroleumkanne in die Schranken sorderte, aber ich blieb
hart und vollendete mein Werk fachgemäß.
Dann kam das schwerste. „Finchen," sagte ich zu mciner
Braut, „ich habe ein Wörtchen mit dir zu reden!"
Alles aus der Welt ist irgendwie zu machen. Man kann
Glühbirnen einwecken, man kann einem seuerspeienden Berg
gut zureden, man kann aus einer Nähmaschine „Keil dir im
Siegerkranz" spielen, man kann nötigensalls mit einem Eich-
hörnchen Sechsundsechzig spielen, nur gegen weibliche Eitel-
keit und Anlogik ankämpsen, kann man nicht. And trotzdem
gelang es mir, in sechsstündiger Llrbcit mciner Vraut das
— „Den Stoff zu diesem Stück habcn Sie wohl
»icht aus dem Leben gegriffen, was, Lerr Doktor?"
— „Weshalb meinen . . .?" — „Nu, schon der
zweite Akt, und immer mensendieckt noch niemand."
Versprechen abzuringen, daß sic sich die löaare wieder wachsen
lassen wolle.
Die Schwiegermutter schnitt mich oftentativ, ich aber
eilte auf beflügelten Socken zu Ioe Loe.
„Es ist alles geschehen," sagte ich. „Das gestohlene
Pferd schläft in meinem Salon, die Abendzeitung berichtet
von dem Kaugummiattentat aus Mussolini, meine Schwic-
gcrmutter ist in ein Oelseld verwandelt, und meine Braut,
— das unglaubliche ist geschehen! — meine Braut entsagt
dem Bubikops."
Ioe Loe läutete nach kalten Kompressen.
„Lassen Sie uns sofort mit den Aufnahmen beginnen!"
verlangte ich.
„Sie haben das alles wörtlich genommen," stöhnte Ioe
Loe, „ich meinte doch nur: ich brauche einen verwegencn
Menschen I"
„Ioe Loe!" rief ich ausgebracht, „Sie wollen meine
Verdienste schmälern! Sie wollen leuguen, daß ich ein ver-
wegener Mensch bin?! Wenn Sie meine Schwiegermutter
kennten, würden Sie sich schämen!"
„Ich?" fragte Loe siisfisant. „Es tut mir lcid, aber
vo» Verwegenheit kann in diescm Falle keine Nede sein.
Ia, wenn Sie meine Schwiegcrmutter mit Petroleum
übergossen hätten I"
Ich übergoß auch noch seine Schwiegermutter mit
Pctrolenm, aber der gemeine Mensch ließ mich doch nicht
in dem Film mitspielen.
— „Es ist kein reiner Genuß, wenn meine Frau auf dem
alten Klimperkasten spielt! Es treten immer Nebengeräu-
sche auf!"
— „Sie singt wohl dazu?"
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Neulich tras ich Ioe Loe, den Filmregisseur. Ioe
Loe weinte wie ein Kind, dem ein böser Äund den
Schnuller aufgesressen hat.
„Verschaffen Sie mir einen Mann sür meinen neue-
sten Filml Einen Mann, der Schneid hat, einen Kerl,
der zu allem sähig ist. Er muß Pferde stehlen, er muß
den Italiener Muffolini mit Kaugummi wersen, er mnß
seine Schwiegermutter mit Petroleum übergießen, ja er
muß sogar fähig sein, seiner Braut den Bubikopf zu ver-
bieten. So einen Mann brauche ich und finde ihn nicht!
In vier Wochen muß der Film gedreht sein. Wenn ich
in ein paar Tagen den Mann nicht habe, geht mir das
ganze amerikanische Geschäst flöten, und ich muß außer-
dem noch eine Mertelmillion Konventionalstrafe zahlen."
„Warum denn weinen?" sagte ich. „Der Mann steht
vor Ihnen!"
„Sie wollten?" rief Ioe Loe enthusiastisch und um-
armte mich stürmisch. „Kommen Sie übermorgen in mein
Büro!"
Aebermorgen? Lm! Das war eine kurze Zeit. Aber
ich schaffte es.
Das erste war, daß ich ein Pferd stahl. Niemand
glaubt, wie einfach es ist, ein Pferd zu stehlen. Ich
kaufte mir ein Mertelpfund Würfelzucker, pürschte mich
an ein Droschkenpferd heran und gab ihm ein Achtel
zu sressen, währenddessen spannte ich es hinten los, wo-
bei es zutraulich mit dem Schweise wedelte.
Dann zeigte ich ihm die Zuckertüte und führte es
unter den bewegten Dankesworten des Lohnkutschers
davon. Der Mann brauchte nun so lange nichts zu
arbeiten, bis sein Lerr ein neues Pferd beschafft
hatte. Es war etwas schwierig, das Tier vie Treppe
hinauf zu bugsieren, aber mit Geduld und zwei Pfund
Zucker brachte ich auch das fertig, und in der Speise-
kammer schien sich das gute Roß ganz wohl zu fühlen.
Mittlerweile war es die höchste Zeit geworden, nach
Nom zu fahren. Ich mietete ein Flugzeug, versah mich mit
Kaugummi und ging nach sünf Stunden in der Campagna
nieder. Zum Fünfuhrtee war ich bei Mussolini. Er war
sehr herzlich, wir sprachen über Weltpolitik, und nichts
würde unser Verhältnis getrübt haben, wenn ich nicht plötz-
lich mit Kaugummi nach ihm geworfen hätte. Da klingelte
er, aber nicht nach Carabinieri, wie ich erwartet hatte,
sondern nach den weit gefährlicheren Photographen, und
so mußte ich schleunigst den Nückzug antreten.
Die Nacht daheim wurde unruhig. Das Droschkenpferd
war ausgebrochen und wanderte in der Wohnung umher,
erst gegen zwei sthr legte es sich im Salon schlafen. Mich floh
der Schlaf, dcnn was sür Ereignisse standen mir noch bevor!
Am Vormittag begab ich mich, die Merseburger Zau-
bersprüche murmelnd, um mir Mut zu machen, in die Woh-
nung meiner Braut. Meine Schwiegermutter fiel in Ohn-
macht, als ich sie nach einigcn einleitcnden Worten mit dcr
Petroleumkanne in die Schranken sorderte, aber ich blieb
hart und vollendete mein Werk fachgemäß.
Dann kam das schwerste. „Finchen," sagte ich zu mciner
Braut, „ich habe ein Wörtchen mit dir zu reden!"
Alles aus der Welt ist irgendwie zu machen. Man kann
Glühbirnen einwecken, man kann einem seuerspeienden Berg
gut zureden, man kann aus einer Nähmaschine „Keil dir im
Siegerkranz" spielen, man kann nötigensalls mit einem Eich-
hörnchen Sechsundsechzig spielen, nur gegen weibliche Eitel-
keit und Anlogik ankämpsen, kann man nicht. And trotzdem
gelang es mir, in sechsstündiger Llrbcit mciner Vraut das
— „Den Stoff zu diesem Stück habcn Sie wohl
»icht aus dem Leben gegriffen, was, Lerr Doktor?"
— „Weshalb meinen . . .?" — „Nu, schon der
zweite Akt, und immer mensendieckt noch niemand."
Versprechen abzuringen, daß sic sich die löaare wieder wachsen
lassen wolle.
Die Schwiegermutter schnitt mich oftentativ, ich aber
eilte auf beflügelten Socken zu Ioe Loe.
„Es ist alles geschehen," sagte ich. „Das gestohlene
Pferd schläft in meinem Salon, die Abendzeitung berichtet
von dem Kaugummiattentat aus Mussolini, meine Schwic-
gcrmutter ist in ein Oelseld verwandelt, und meine Braut,
— das unglaubliche ist geschehen! — meine Braut entsagt
dem Bubikops."
Ioe Loe läutete nach kalten Kompressen.
„Lassen Sie uns sofort mit den Aufnahmen beginnen!"
verlangte ich.
„Sie haben das alles wörtlich genommen," stöhnte Ioe
Loe, „ich meinte doch nur: ich brauche einen verwegencn
Menschen I"
„Ioe Loe!" rief ich ausgebracht, „Sie wollen meine
Verdienste schmälern! Sie wollen leuguen, daß ich ein ver-
wegener Mensch bin?! Wenn Sie meine Schwiegermutter
kennten, würden Sie sich schämen!"
„Ich?" fragte Loe siisfisant. „Es tut mir lcid, aber
vo» Verwegenheit kann in diescm Falle keine Nede sein.
Ia, wenn Sie meine Schwiegcrmutter mit Petroleum
übergossen hätten I"
Ich übergoß auch noch seine Schwiegermutter mit
Pctrolenm, aber der gemeine Mensch ließ mich doch nicht
in dem Film mitspielen.
— „Es ist kein reiner Genuß, wenn meine Frau auf dem
alten Klimperkasten spielt! Es treten immer Nebengeräu-
sche auf!"
— „Sie singt wohl dazu?"
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