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Llebers Ziel

Der Magistratssekretär Schanzer hat Anspruch auf vier
Wochen Urlaub. Aber er möchte diesen Arlaub beträchtlich
aufwerten;er möchte nicht vier, sondern acht Wochen haben.
Denn erstens kann er so lange bei seinem Vetter, dem Do-
mänenpächter, wohnen, und zweitens fühlt er sich wirklich
sehr der Erholung bedürftig. Denn auf dem Magistrat
haben sie ja auch wirklich so maßlos viel zu tun.

Ohne ärztliches Zeugnis ist sowas aber nicht zu machen,
und deshalb geht Schanzer zum Medizinalrat Dr. Silber.
Der ist ein netter, verständiger Mann. Er untersucht den
Magistratssekretär sünf Minuten lang und schreibt dann
zehn Minuten an dem Attest. „So, §>err Sekretär, — nun
werden Sie den Nachurlaub schon bekommen. Llnd in der
Tat brauchen Sie ihn ja auch ganz unbedingt."

Der Magistratssekretär Schanzer freut sich und zieht
ab. Aber nach sünf Minuten ist er wieder da, — inzwischen
hat er auf dem Korridor das
Attest gelesen. „Nein,Lerr
Medizinalrat, das geht
nicht, das geht wirklich
nicht! Mit dem Attest darf
ich nicht um Nachurlaub
einkommen, — da werde
ich ja gleich abgebaut."

Rückfall

— „Mit Doktor Pfeifer ist
nichts los, sage ich Ihnen!"

— „Wieso? Äat er nicht
Ihrem Mann damals tadel-
los das gebrochene Bein
kuriert?"

— „Gewiß, aber vor acht
Tagen ist er von der Leiter
gefallen und hat das Bein
von neuem gebrochen."

Eine mütterliche Seele

Acht Iahre lang dient unsere Auguste bei uns. Ietzt
will sie sich verheiraten. Ein Sattler und ein Väcker haben
sich um ihre krästige Land beworben. Lange hat sie sich
nicht entscheiden können. Ihre Sympathie schien zwar mehr
dem Sattler zu gehören, denn mit dem ging sie immer zwei
Sonntage aus, und erst am dritten mit dem Väcker. ilnd
nun hat sie sich doch für den Bäcker entschlossen.

Wir erkundigen uns nach dem Motiv dieser unver-
muteten Wahl. And da erklärt Auguste: „Gott ja, den
Sattler mag ich eigentlich beffer leiden. Aber wenn dann
die Kinderchen kommen, - beim Bäcker ist doch immer ein
Stück Kuchen da. Beim Sattler aber liegt doch das 5)and-
werkszeug herum, und wie leicht kann sich da so'n kleines
Kind mal mit so einem spitzen Pfriem in's Auge stechen!
Da müßte ich mir ja mein ganzes Leben lang Vorwürfe
machen!"

Das Nequisit

Der Theaterdirektor
Baldrian kam aus derApo-
theke und schüttelte sich.
,,L>ab' mir eben was für
meinenMagengebenlassen.
Den hab' ich mir gestern
Abend total verkorkst. Ekel-
haft! ,Antonius und Kleo-
patrcL führ' ich so bald nicht
wieder auf."

„Aber was hat denn
das mit Ihrem Magen zu
tun, L>err Direktor?"

„Sie kennen wohl das
Stück nicht? Die Kleopatra
muß doch 'ne Giftschlange
haben. Da hab' ich gestern
einfach 'nen Näucheraal
gekauft."

— „Nun werden Sie mir also keine Wurst mehr verkaufen,
Fräulein Marta. Ich habe gehört, Sie wechseln die Stelle."

— „Vor allem die Diät, —ich geh' jetzt in 'nen Bäckerladen."

Die Wette

Von Artur Wagner

Zu dem vielbeschäftigten Psychotherapeuten Dr. Tief-
blick kam eines Tages ein aufs äußerste deprimierter Mann.
Er rang die L)ände und raufte sich die Liaare. L>err Tief-
blick beruhigte ihn sachgemäß.

„Sprechen Sie sich aus!" sagte L>err Tiefblick.

„Ach, Lerr Doktor," klagte der Mann, „es handelt sich
um meine liebe Frau. Die ist so herrschsüchtig! Wenn ich
nicht immer das Gegenteil von dem täte, was sie will, dann
hätte ich überhaupt bald keinen eigenen Willen mehr. Aber
mich reibt das auf!"

„Das ist Tlnsinn, mein Lieber!" versicherte Tiefblick. „Ver-
suchen Sie es mal anders! Nur einen Tag lang. Tun Sie
einmal alles, was Ihre Frau wünscht! Sie werden sehen,
die Äerrschsucht Ihrer Frau ist pure Einbildung von Ihnen."

Der Mann sah etwas zweifelhaft aus.

„Sie meinen wirklich, daß ich das versuchen soll?"

„Iawohl, mein Lieber!"

„Das gibt ein Anglück!" raunte der Äerr. „Da wette
ich mit Ihnen eine Flasche Sekt gegen eine Bratkartoffel,
daß das nicht gut geht!"

„Topp!" ries L>err Tiefblick, „die Wette gilt. Erstatten
Sie mir, bitte, Bericht!"

34

Nach einigen weniger interessanten Fällen kam einige
Zeit niemand. Aber dann kam kurz vor Schluß der Sprech
stunde eine Dame. Sie rang die L>ände und raufte sich den
Bubikopf. Das war Äerr Tiefblick gewöhnt. Er beruhigte
sie sachgemäß.

„Sprechen Sie sich aus!" sagte Äerr Tiefblick.

„Ich wollte Sie um Rat fragen, Äerr Doktor! Mein
Mann ist so eigensinnig. Er tut immer das Gegenteil von
dem, was ich will. Das reibt mich auf. Ich will Ihnen
ein Beispiel sagen:

Ich möchte so gern einen Lautsprecher. Wenn ich aber
zu meinem Mann sagen würde: Schaff doch einen Laut-
sprecher an! Dann-"

„Dann würde er gleich das ganze Nadio abschaffen,"
nickte L>err Tiefblick. „Tja, solche Fälle sind mir vertraut,
das Radio ist zur Zeit in vielen Familien Kampsobjekt."

„Aber was soll ich da tun?"

„Ich will Ihnen was sagen, gnädige Frau: verlangen
Sie einfach das Gegenteil von dem,was Sie wirklich wollen!"

Die Dame ging, ein wenig getröstet.

Am nächsten Tage verlangte ein L)err stürmisch, mitten
in der Sprechstunde vorgelassen zu werden.
 
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