Don Sarlos und der Troubadour
i/
schrieb sie
an Felix
Vucha. Aber
sie wußte, daß
sie als Stadt-
rat Grapentiens
Tochter eine ge-
wisse Neserve zu
beobachten hatte, sie
war auch noch etwas im
Banne des Instituts, und
so schrieb sie, was im Ver-
gleich zu sonst an Bucha ge°
richteten Schreiben recht nüch-
tern klang, nur kurz auf eine
Karte: „Dem begnadeten Künst-
lerihre Bewunderung aussprechen
und ergebenst um ein Bild mit seiner
Namensunterschrift bitten möchte
Ienny Grapentien, Kornmarkt 7."
Es kommt schon im gewöbnlichen
bürgerlichen Leben oft anders, als man
denkt, beim Theater aber noch viel öfter.
Felix Bucha hatte eine nachmittägliche
Billardpartie zu lange ausgedehnt; er kam
in's Theater eine knappe Viertelstunde, ehe
er auf der Bührre vernehmen sollte, daß die
schönen Tage in Aranjuez zu Ende seien. Der
Portier, an dem er vorbeischoß, hielt ihm einen
Vries hin; er nahm ihn zwar, schmiß ihn aber,
ohne ihn weiter zu beachten, auf seinen Toilette-
tisch, machte sicb schleunigst zurecht und stürzte dann
in einem schwarzen spanischen Äofkostüm, das zu den
neuen Garderobestücken gehörte, auf die Vühlre, unter-
wegs schnell jene düstere Miene annehmend, die seit acht
Monaten schon das Rätsel des ganzen Äofes Philipps !!.
gewesen war. Erst, als er während des dritten Aktes es
nötig fand, sich noch etwas blasser zu machen, sah er neben
seinem Schminkkasten wieder den Brief: 5>errn Felix Bucha,
hier, Stadttheater. Er° riß ihn auf, warf den Umschlag fort und
steckte dann nach einem flüchtigen Blick, der ihm ja gar nichts
Neues zeigte, die kleine Karte, gar nicht einmal die Anterschrift
beachtend, in eine Seitentascke seines spanischen Wamses. Wenn nun
nichts passiert wäre, hätte er sie im Gedächtnis behalten, nachher nach
Äause mitgenommen und entsprechend mit Ltebersendung seines Bil
des beantwoetet. Aber es passierte etwas und zwar dem Marquis
Posa, der jetzt gerade seine lange ünterhaltung mit dem König Philipp
hatte. Direktor Valdrian hatte an dieser Ilnterhaltung schon manches
gestrichen, aber dem Künstler, der als Posa stolz sein mußte, einem älteren
- Zetchnung von E. Croissam
und bequemen Lierrn, war sie noch viel zu lang gewesen. Kurzum:
dieser Marquis Posa hatte in seinem Kopfe, in dem sich bekanntlich
die Welt anders als sonst in Menschettköpfen malt, nicht viel von
den ihm zugedachten Versen, und als er nun, nicht gerade mit den
vorgeschriebenen sesten und feurigen Blicken, an Philipp das Er-
suchen richtete, Europens Königen mit einem schönen Veispiel
voranzugehn, da saß er fest. Zum Anglück hatte auch di.e Souff-
leuse nicht aufgepaßt, und Posa stammelte: „Geben Sie-
geben Sie —-"
Ia, was sollte Philipp eigentlich geben? Ein König kann
so viel verschiedne Dinge geben, — das eine, worauf eS
dem edlen Posa ankam, fiel seinem Darsteller in diesem
Augenblick nicht ein, vielleicht weil er, wenn er als
Privatmann in die Lage gekommen wäre, von einem
Könige auch eher alles andere verlangt hätte. Kläg-
lich begann er noch einmal: „Geben Sie — geben
Sie —" Der Darsteller des Philipp paßte zu
seiner Rolle; er war kein guter Mensch, er
hatte großes Vergnügen an dieser kleinen
Katastrophe, und grinsend, aber sehr ver-
bindlich half er endlich ein: „Ah, Ihr meint
wahrscheinlich Gedankensreiheit. Sonder-
barer Schwärmer!" — Das Publikum,
weshalb man der sreundlichen Mit-
telstadt aber wohl keinen Vorwurf
machen wird, zeigte sich nicht reckt
orientiert; nur ein päarZus chauer
erfaßten die Situation u. lach-
ten. Desto größer war,als nun
bald der Vorhang fiel, die
Äeiterkeit hinter der Sze-
ne;auchFelirBucha,der
dieGes chichte sosort er-
zählt bekam, war ent-
zückt, und darüber
vergaßernunvöl-
lig das Brief-
chendesFräu-
lein Ienny
(Fortseyung
Sette 103)
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Faschings-Polonaife
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