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Das Verlobungsbild

Von Peter Robtnson

Kätchen Plüggemann war damals kaum neunzehn Iahre
alt, als ihre Verlobung mit jenem Äerrn Willy Klebba,
dem Buchhalter, vorfiel. Zu diesem, um es gleich zu sagen,
später bedauerten Vorfall kam es gelegentlich einer som-
merlichen Landpartie. Solche Ausflüge sind ja sehr geeignet,
Vekanntschaften zwischen Damen und Lerren zu Verlobungen
sich zuspitzen oder ausarten zu laffen.

Kätchens Vater, der Äandschuhfabrikant Albert Plügge-
mann, hatte die Landpartie veranstaltet, mittels eines so-
genannten Kremsers, der etwa anderthalb Dutzend Personen
ohne sonderliche Anbequemlichkeit zu befördern vermochte.
Die Gesellschaft hatte nur aus Familienmitgliedern und
einigen sehr guten Freunden bestanden; als einziger mehr
entfernt Stehender war ganz zuletzt noch der Buchhalter
Willy Klebba eingeladen worden, für den noch freien Platz
auf dem Bock neben dem Kutscher, und er hatte die Ein-
ladung auch nur dem Amstande verdankt, daß sein Kontor-
stuhl in den Näumen der Likörfabrik „Zur Flunder" stand,
deren berühmte Schnäpse überall gern getrunken werden.
Der alte Plüggemann trank sie auch sehr gern, und er hatte
sich gedacht: Wenn wir den Klebba einladen, wird er doch
so vernünftig sein und einpaarFlaschen Schnaps mitbringen.
— Willy Klebba, ein harmloser und sonst zu geistreichen
Kombinationen wenig befähigter Mensch, hatte auch tat-
sächlich diese Erwartung erfüllt; die Kombination: Land-
partie und Schnapsgenuß hatte ihm eingeleuchtet, und er
hatte drei Flaschen mitgebracht: Pomeranzen, der Appelit
auf vieles Essen macht, Kursürstlichen Magen, der nachher
das viele Essen gut bewältigen läßt, und Cherry Brandy,
so zwischendurch zu genießen. Das war eine verständige Wahl,
und Plüggemann fand, der Äerr Klebba wäre doch ein recht
vernünftiger junger Mann. Llebrigens trank Plüggemann
am meisten von den Schnäpsen.

Willy Klebba trank keinen Schnaps auf der Landpartie
und Kätchen Plüggemann tat das auch nicht. Das war auch
gut, denn wenn die beiden Schnaps getrunken hätten, würde
es vielleicht eine etwas unangenehme Vorstellung hervor-
rufen, wenn nun berichtet wird, daß Willy und Kätchen
Erdbeeren im Walde suchend, sich auf einmal — wie das
eben bei jungen Leuten so kommt — einen Kuß gaben. Diesem
ersten ließen sie dann, grade so, wie es der alte Plüggemann
bei den Schnäpsen tat, noch manche andere folgen, Arm in
Arm dahin wandernd und schließlich unversehens dem Lager
der Ausflugsgesellschaft näher kommend, woraus nun ein°
trat, was sie nicht beabsichtigt hatten: Tante Brigitte, die
stark weitsichtig ist, wurde eine der Lippenkollisionen gewahr.
Tante Brigitte hatte nur einen Schnaps getrunken, aber
der hatte genügt, sie sehr lebhaft zu machen, und nun kreischte
sie sofort los: „Ah, ein Brautpaar! O, eine Verlobung!
Na, da gratuliere ich aber von ganzem Äerzen." Und dann
sahen sich Willy Klebba und Kätchen Plüggemann auch
schon von Gratulanten umringt, und im Augenblick wurde,
was eben noch ein Vorfall gewesen war, zu einem Ereig-
nis: die Verlobung war sertig.

Menschliche Meinungen ändern sich oft sehr schnell. Vater
Plüggemann, der Willy Klebba vorhin noch für einen ge-
fälligen und vernünftigen jungen Mann gehalten hatte, er°
klärte ihn jetzt für einen ganz unverschämten, dummen Lüm°
mel. Jm Stillen allerdings nur, denn zu offenen Aeuße-
rungen schien ihm der Augenblick nicht günstig; es waren
zu viele Leute da. And ebenso heimlich nannte er seine Toch-
ter eine alberne Gans. Das war ihm nicht zu verdenken;
kein Vater, der eine gut gehende Fabrik hat, wird anders
urteilen, wenn seine Tochter einen unbemittelten kleinen
Buchhalter nehmen will. „And noch dazu aus der Schnaps-
branche!" knurrte Plüggemann, was aber haßlich und un-

dankbar von ihm war, denn er
hatte so viel von Klebbas Schnäp-
sen getrunken, daß er schon ein
bißchen torkelte. Er riß sich zu-
sammen. „Na, das ist ja wohl
doch eine ernstere Angelegenheit,"
sagte er mit anstoßender Zunge;
„darüber wollen wir doch noch
malgehörig reden."— FrauPlüg-
gemann aber, die Mutter,zog ihre
Schlüffe und meinte zur Tochter:
„Ach, Kätchen, wenn das dem

Vater nur recht ist!"-

Bald danach wurde die Rück-
fahrt angetreten,in jener verdros-
senen Schläfrigkeit, die sich gegen
Ende solcher Expeditionen meist
einzustellen Pflegt. Der Vater
Plüggemann kam ziemlich bewußt-
los zu Lause an, sprach kein Wort
mehr und ging gleich in's Bett.
Am nächsten Morgen aber mußte
er eine Geschäftsreise antreten,
und erst in der Bahn fielen ihm
s eineTochterKätchen und derBuch-
halter Willy Klebba ein. Aber er
dachte nur: „Blödsinn!" und über-
legte dann lieber seine Geschäfte.

Aber Benno — dazu ist das Ding doch nicht auf dem Schiff!
.Quatsch-ich bin ja auch nicht dazu auf dem Schiff/

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