In Gedanken
— „Ich bitte, den Zucker gut zu wiegen. Das letztemal
habe ich 50 Gramm Soda zu wenig heimgebracht!"
— „Da haben Sie wohl unterwegs etwas genascht?"
Das Verlobungobild
und der Vater sprach sanst zu ihr; er nannte sie ein un-
verständiges, törichtes Mädchen. 5)ätte er schlechte Geschäfte
gemacht, dann hätte er „alberne, blödsinnige GanL" gesagt.
Düster schilderte er ihr Schicksal als Gattin eines kleinen
Buchhalters und bediente sich der schwärzesten Farben da-
bei, - wie bei seinen Trauerhandschuhen. Kätchen heulte
und gestand, ein bißchen hätte sie sich schon über Klebba
ärgern müffen, weil er sie für ungebildet gehalten und über
die Bedeutung des Wortes „5>elios" in hochsahrender
Weise hätte belehren wollen. Das hörte Vater Plügge-
mann gern. „Na also — wenn er schon so ansängt, wie
wäre das erst später geworden!" sagte er, und damit war
die Gerichtssihung geschloffen. Das Tlrteil teilte er Willy
Klebba gleich durch den Fernsprecher mit. „Also, Äerr
Klebba, was ich Ihnen sagen wollte: Sie werden sich doch
nicht im Ernst eingebildet haben usw. usw. Also Punktum,
erledigt! Zu sagen haben wir uns wohl nichts weiter, und
sehen wollen wir uns lieber auch nicht mehr. Schluß!" -
Willy Klebba war nicht besonders enttäuscht; er hatte sich
das schon gedacht und war eigentlich zusrieden, einer per-
sönlichen Auseinandersetzung mit Äerrn Plüggemann ent-
ronnen zu sein. Immerhin war er doch so verletzt, daß er
sich nach neuen Eindrücken sehnte. Er kündigte seine Stel-
lung bei der „Flunder" und nahm eine neue, übrigens mit
wesentlicher Verbesserung, was wohl jeden freuen wird, in
einer anderen Stadt an. Nach seinem Verschwinden war
das bekannte Gras vollends nicht mehr gehindert, über die
Verlobungsgeschichte zu wachsen. —
Ueberspringen wir jeht einen Zeitraum von einem Iahre,
184
wie die Verfaffer fesselnder Geschichten zu schreiben pflegen.
Oder wir können auch so fortfahreil: Ein Iahr nach derl
geschilderten Ereignissen gesellte sich zu dem Bekanntenkreise
der Familie Plüggemann ein gewisser Neinhold Zielke, der
als Studienasseffor an das Städtische Gymnasium verseht
worden war, ein junger Mann von zweisellosem Wert als
Staatsbürger, verbürgter Solidität des Lebenswandels und
angenehm normalem Charakter. Sehr bald, nachdem Kät-
chen Plüggemann ihm vor die Llugen gekommen war, wars
er diese Augen auf sie, und er tras so gut, daß er ent-
sprechende Gefühle in ihrem 5>erzen erweckte. Es wurde
eine schöne, feierliche Verlobung, und Vater Plüggemann
war sehr zufrieden. Natürlich mußten bald danach die
üblichen Photographien bestellt werden. Kätchen schlug den
Photographen Morgenroth vor, was dem Bräutigam recht
war. Auf dem Wege kamen sie am „Atelier 5>elios" vor-
über, und Kätchen, ein wenig errötend, erklärte, dort wür-
den keine besonders guten Bilder gemacht; auch gefiele ihr
der Name nicht, der doch ein bißchen nach Aeberhebung
klinge. 5)ierbei verriet sie eine so genaue Kenntnis der Be-
deutung des Wortes 5>elios, daß der Studienassessor recht
erfreut war über eine so angenehme Bildung, wenn das
auch mit seinern speziellen Fach nichts zu tun hatte, denn
er unterrichtete in der Mathematik und den Naturwissen-
schasten. Es wurden gleich drei Dutzend Bilder bestellt.
Eins bekam Tante Brigitte, aber es mußte ihr mit der
Post geschickt werden, denn sie war seit längerer Zeit ver
reist, nach einem kleinen Äeilbade, wo sie ihren Magen
kurierte. Es ist zu vermuten, daß sie dabei die ihr von Willy
Klebba so überzeugend dargelegten Prinzipien befolgte.
Zeichnung von E. Croissant
— „Ich bitte, den Zucker gut zu wiegen. Das letztemal
habe ich 50 Gramm Soda zu wenig heimgebracht!"
— „Da haben Sie wohl unterwegs etwas genascht?"
Das Verlobungobild
und der Vater sprach sanst zu ihr; er nannte sie ein un-
verständiges, törichtes Mädchen. 5)ätte er schlechte Geschäfte
gemacht, dann hätte er „alberne, blödsinnige GanL" gesagt.
Düster schilderte er ihr Schicksal als Gattin eines kleinen
Buchhalters und bediente sich der schwärzesten Farben da-
bei, - wie bei seinen Trauerhandschuhen. Kätchen heulte
und gestand, ein bißchen hätte sie sich schon über Klebba
ärgern müffen, weil er sie für ungebildet gehalten und über
die Bedeutung des Wortes „5>elios" in hochsahrender
Weise hätte belehren wollen. Das hörte Vater Plügge-
mann gern. „Na also — wenn er schon so ansängt, wie
wäre das erst später geworden!" sagte er, und damit war
die Gerichtssihung geschloffen. Das Tlrteil teilte er Willy
Klebba gleich durch den Fernsprecher mit. „Also, Äerr
Klebba, was ich Ihnen sagen wollte: Sie werden sich doch
nicht im Ernst eingebildet haben usw. usw. Also Punktum,
erledigt! Zu sagen haben wir uns wohl nichts weiter, und
sehen wollen wir uns lieber auch nicht mehr. Schluß!" -
Willy Klebba war nicht besonders enttäuscht; er hatte sich
das schon gedacht und war eigentlich zusrieden, einer per-
sönlichen Auseinandersetzung mit Äerrn Plüggemann ent-
ronnen zu sein. Immerhin war er doch so verletzt, daß er
sich nach neuen Eindrücken sehnte. Er kündigte seine Stel-
lung bei der „Flunder" und nahm eine neue, übrigens mit
wesentlicher Verbesserung, was wohl jeden freuen wird, in
einer anderen Stadt an. Nach seinem Verschwinden war
das bekannte Gras vollends nicht mehr gehindert, über die
Verlobungsgeschichte zu wachsen. —
Ueberspringen wir jeht einen Zeitraum von einem Iahre,
184
wie die Verfaffer fesselnder Geschichten zu schreiben pflegen.
Oder wir können auch so fortfahreil: Ein Iahr nach derl
geschilderten Ereignissen gesellte sich zu dem Bekanntenkreise
der Familie Plüggemann ein gewisser Neinhold Zielke, der
als Studienasseffor an das Städtische Gymnasium verseht
worden war, ein junger Mann von zweisellosem Wert als
Staatsbürger, verbürgter Solidität des Lebenswandels und
angenehm normalem Charakter. Sehr bald, nachdem Kät-
chen Plüggemann ihm vor die Llugen gekommen war, wars
er diese Augen auf sie, und er tras so gut, daß er ent-
sprechende Gefühle in ihrem 5>erzen erweckte. Es wurde
eine schöne, feierliche Verlobung, und Vater Plüggemann
war sehr zufrieden. Natürlich mußten bald danach die
üblichen Photographien bestellt werden. Kätchen schlug den
Photographen Morgenroth vor, was dem Bräutigam recht
war. Auf dem Wege kamen sie am „Atelier 5>elios" vor-
über, und Kätchen, ein wenig errötend, erklärte, dort wür-
den keine besonders guten Bilder gemacht; auch gefiele ihr
der Name nicht, der doch ein bißchen nach Aeberhebung
klinge. 5)ierbei verriet sie eine so genaue Kenntnis der Be-
deutung des Wortes 5>elios, daß der Studienassessor recht
erfreut war über eine so angenehme Bildung, wenn das
auch mit seinern speziellen Fach nichts zu tun hatte, denn
er unterrichtete in der Mathematik und den Naturwissen-
schasten. Es wurden gleich drei Dutzend Bilder bestellt.
Eins bekam Tante Brigitte, aber es mußte ihr mit der
Post geschickt werden, denn sie war seit längerer Zeit ver
reist, nach einem kleinen Äeilbade, wo sie ihren Magen
kurierte. Es ist zu vermuten, daß sie dabei die ihr von Willy
Klebba so überzeugend dargelegten Prinzipien befolgte.
Zeichnung von E. Croissant