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Dte Geheimschrtft

des Augenblicks zu unterstreichen. Dann überließ ich mich
dem allseitig auf mich einstürmenden intensiven Glücksgefühl.
Wenn ich mich recht entsinne, unterschied es sich in nichts
von dem Gesühl, das ich hatte, als ich mit 12 Iahren einem
älteren Äerrn glücklich eine tote Blindschleiche in die Tasche
praktiziert hatte. Äinterher ist mir eingefallen, daß die
Freude im Falle Blindschleiche sogar noch reiner war.

Llnsere Verlobung wäre noch schöner gewesen, wenn
der Parkwärter uns nicht beschlichen hätte, wenn ein ent-
flogener Papagei in den Zweigen eines Baumes nicht
fortwährend gerufen hätte: „Irma, laß das doch!" und
wenn Liane nicht auf meine Worte: „Nun bist du meine
Braut!" geantwortet hätte, schlicht und unlogisch, wie sie
nun einmal war: „Ich bin so srei!"

Auf dem Äeimweg versuchte ich mich zu fassen, aber
ich faßte immer Liane. Ich machte ihr klar, daß wir von
nun an als Doppelwesen auftreten würden und als Braut-
paar eifrig miteinander korrespondieren müßten. Liane
war einverstanden und schon jetzt neugierig, was ich ihr
alles schreiben würde, aber sie bestand darauf, daß wir in
Geheimschrist miteinander verkehren müßten. Sie wußte
aus Kinostücken, wie gesährlich es ist, seine Gefühle un-
chiffriert schristlich niederzulegen.

Wir verabredeten eine Geheimschrift. Das System
war einfach, aber neu. Der Schlüssel war solgender: Für
jedes Wort sollte das in einem bestimmten Wörterbuch
der deutschen Sprache unmittelbar vorhergehende Wort
gesetzt werden. Als Wörterbuch wählten wir den großen
Duden, den ich gleich in zwei Exemplaren erstand. Dann
trennten wir uns, lange und schmerzhaft.

Ich stellte noch fest, daß bei der Verlobung eine Tube
Patentklebestoff, die ich in der Tasche trug, zerquetscht
worden war, und schrieb dann meinen ersten Liebesbrief.

Ich schrieb bis in den grauenden Morgen, denn es
war nicht leicht, jedes Wort nachzuschlagen und das vor-
hergehende dasür zu setzen, und meine Stimmung litt dar-
unter ein wenig. Wenn man eine Geliebte und ein übervolles
Äerz hat und dabei sortwährend den Duden benutzen muß,
so ist das gewiß nicht romantisch. Aber ich ließ nicht nach:
vierzehn Seiten brachte ich zusammen, dann überlas ich noch
einmal das inhaltöschwere Dokument. Äier folgt der Ent-
wurf in unverstellter Muttersprache:

Meine schönste Braut!

Du! Ich liebe Dich! Wenn ich an Dich denke, wird
mir die Welt zum Limmel. Das ist die Blütezeit
der jungen Liebe. Der Kuß von Deinen Lippen macht

mich schwindeln-usw.

In der Geheimschrift lautete dieser Anfang folgendermaßen:

Meiler Schoner Vrausepulver!

Dschungel! Ibis Lid Diäten! Wenigkeit Zbis amü-
sieren Diäten denkbar, Wirbelwind Minze Dickwanst
Welschland zulöten Äimbeer. Darunter Israelit Dick-
wanst Bluterguß Deputierter Iulius Liebchen. De-
putierter kurzweilig Volumen Deichselpferd Linsen
Macherlohn miauen Schwimmvogel. —

Als ich das gelesen hatte, war ich doch stark enttäuscht. Ich
hatte mir die ganz große Liebe anders vorgestellt. Ich fiel
wie ein Stein todmüde ins Bett.

Am nächsten Tage fuhr ich in die Ferien nach Äause.
Meine Eltern waren sehr erfreut, daß ich so fleißig schrieb
und mit dem Wörterbuch arbeitete, ich sagte ihnen, es wäre

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