Zeitschrift für Humor und Aunst
f3f
Wchtig spekuliert.
tudiosus Iillmann weilte seit einigen tVochen auf Ferien-
—^ besuch daheim und langweilte sich in dem Landstädtchen
nicht wenig. Vor einer halben Stunde hatte er nun folgendes
Telegramm ans der benachbarten Provinzialhauxtstadt erhalten:
Mehrere Uommilitonen versammeln sich heute abend zu fideler
Ferienkneixe im ksotel du Nord. Uomme herüber. Spund.
Sxund war Zillmanns Louleurbruder und Leibbursch.
Da winkte nnn eine vielversprechende Abwechslung in dem
öden Linerlei der kleinstädtischen Ferienfrenden, wenn unserm
tselden zu ihrer Verwirklichung nur nicht der nötige Mammon
gefehlt hätte. Paxa weilte seit einigen Tagen auswärts. Die
Mutter lebte nicht mehr, die minderjährigen Geschwister kamen
nicht in Betracht. Und sonstige Verwandte und Bekannte mit
einem Anleiheversuche zu attackieren, fehlte Zillmann die Zeit,
wollte er den einzigen Zug, der ihn noch rechtzeitig nach D.
bringen konnte, nicht versäumen.
So hatte er sich denn mit leerem Portemonnaie zum Bahn-
hof aufgemacht, hoffend, daß ihm ein freundlicher Zufall vielleicht
im letzten Augenblicke noch eine anpumpfähige Seele in den
Ul>eg führen werde.
Aber Fortuna schien ihm heute nicht lächeln zu wollen.
Wohl erblickte Zillmann unter den auf dem Bahnsteig harren-
den personen seine Tante Lmilie; aber bei dem Gedanken, daß
die ihm das Reisegeld geben könnte, lachte er ingrimmig in
sich hinein.
Tante Emilie war in der ganzen Verwandtschaft wegen
ihres Geizes berüchtigt; sie war die einzige, welcher Zillmann
bei all seiner Virtuosität auf diesem Gebiete noch keinen roten
Pfennig zu entlocken vermocht hatte.
„Beim Zeus, der das Reisegeld ,abzuknöxfen/ das wäre
ein Triumph!"
Zillmann dachte nach. Eine Idee! lVar Tante Lmilie
in dem ganzen Städtchen nicht auch bekannt als die gefürchtetste
Alatschbase, deren größtes Vergnügen darin bestand, Schlechtig-
keiten über die lieben Mitmenschen zu erfahren und zu verbreiten?
Wenn er hier den kjebel einsetzte?
Eiligst, die Zeit drängte, näherte sich der Studiosus der
ältlichen Verwandten.
„Guten Tag, Tantchenl"
Als Antwort ertöntc ein Laut, den man mit gutem lVillen
und lebhafter Phantasie für eine Lrwiderung des Grußes halten
konnte, während ein kalt abweisender, mißtrauischer Blick den
sreundlich lächelnden Musensohn traf.
„Du willst wohl nach D. verreisen, Tantchen?"
»Ia! In einer Minute geht der Zug ab, adieu." Und
Tantchen kehrte dem liebenswürdigen Neffen den RUcken zu,
um fich Anem Touxe des soeben einfahrenden Zuges zu nähern.
Ietzt war der entscheidende Moment gekommen.
„Adieu, Tantchen. Glückliche Reise und viel vergnügen. —
Axroxos, hast Du schon das Neueste von der Frau IVald-
meyer gehört?"
!Vie angewurzelt blieb Tante Emilie bei Nennung dieses
Namens stehen, ihre Front dem Studiosus wieder zukehrend;
>n ihren verkniffenen Zügen war der Ausdruck abweisender
Aälte dem der lebhaftesten Neugier gewichen. War doch Frau
Waldmeyer, wie der Neffe wohl wußte, seit Iahrzehnten die
erklärte Todfeindin Tante Emiliens.
„Nun, was gibt's denn schon wicder Neues von dieser —
dieser Dame?"
Aus der Stimme klang so großes Interesse, daß Zillmann
seinen Toup bereits halb geglückt sah.
„Ia, Tantchen, das kann ich Dir in der knappcn Zeit
nicht mehr erzählen, Du könntest den Zug versäumen, da mußt
Du Dich schon bis zu Deiner Rückkehr gedulden."
Gedulden, wo es sich um die bvaldmeyer handelte, das
ertrug Tante Emilie nicht.
„lVeißt Du, lieber Neffe, ich mache Dir einen vorschlag.
Du hast hier nichts zu versäumen. Begleite mich doch nach D.,
dann kannst Dn mir unterwegs in aller Ruhe und Muße die
Geschichte erzählen."
„Ganz schön, liebes Tantchen, wenn ich nur das nötige
Reise- und Zehrgeld hätte."
In Tante Lmiliens Antlitz sxiegelte es sich deutlich wieder,
wie heftig Geiz und Neugier um den Vorrang stritten. Doch
sie sollte über die Todfeindin etwas erfahren. Rasch griff die
Dame ins Portemonnaie.
„ksier hast Du ein Goldstück, nun beeile Dich aber, sonst
geht uns der Zug vor der Nase weg."
ksei, wie flog Zillmann zum Fahrkartenschalter. Lin paar
Sekunden vor Abfahrt des Zuges saß er der Tante gegenüber.
Diese lehnte sich im Vorgenusse des zu erwartendeu „Ghren-
schmauses" schwelgend, behaglich in die Polster zurück.
„So, lieber Neffe, nun schieß losl"
„Ia, Tantchen, wer hätte das von Frau lvaldmeyer gedacht."
Die Tante lachte schrill auf. „Aber ich bitte Dich, da kennst
Du diese person schlecht. Bei der muß man immer auf das
Schlimmste gefaßt sein."
„Auf das Schlimmste?"
„Nun ja, selbstverständlich, was denn sonst?"
„lsm, Tante, diesmal ist's doch etwas anderes. Ich wollte
Dir nämlich erzählen, daß Frau Waldmeyer zehntausend Mark
für das Blindenasyl gcstiftet hat."
Ls war ein Glück, daß Tante Lmilie saß, sonst wäre sie
wahrscheinlich auf den Rücken gefallen.
„lVaaas? lveiter hättest Du mir nichts zu erzählen als
die Geschichte von der Stiftung, die ich schon kannte, von der
bereits die ganze Stadt spricht?"
„Meiter nichts. Ich glanbte, da der Fall doch neueren
Datums ist-"
„Und dafür habe ich Dir zwanzig Mark geschenkt? G,
Duuuu-II"
--
Äin prakkscher Nifchdieö.
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Wchtig spekuliert.
tudiosus Iillmann weilte seit einigen tVochen auf Ferien-
—^ besuch daheim und langweilte sich in dem Landstädtchen
nicht wenig. Vor einer halben Stunde hatte er nun folgendes
Telegramm ans der benachbarten Provinzialhauxtstadt erhalten:
Mehrere Uommilitonen versammeln sich heute abend zu fideler
Ferienkneixe im ksotel du Nord. Uomme herüber. Spund.
Sxund war Zillmanns Louleurbruder und Leibbursch.
Da winkte nnn eine vielversprechende Abwechslung in dem
öden Linerlei der kleinstädtischen Ferienfrenden, wenn unserm
tselden zu ihrer Verwirklichung nur nicht der nötige Mammon
gefehlt hätte. Paxa weilte seit einigen Tagen auswärts. Die
Mutter lebte nicht mehr, die minderjährigen Geschwister kamen
nicht in Betracht. Und sonstige Verwandte und Bekannte mit
einem Anleiheversuche zu attackieren, fehlte Zillmann die Zeit,
wollte er den einzigen Zug, der ihn noch rechtzeitig nach D.
bringen konnte, nicht versäumen.
So hatte er sich denn mit leerem Portemonnaie zum Bahn-
hof aufgemacht, hoffend, daß ihm ein freundlicher Zufall vielleicht
im letzten Augenblicke noch eine anpumpfähige Seele in den
Ul>eg führen werde.
Aber Fortuna schien ihm heute nicht lächeln zu wollen.
Wohl erblickte Zillmann unter den auf dem Bahnsteig harren-
den personen seine Tante Lmilie; aber bei dem Gedanken, daß
die ihm das Reisegeld geben könnte, lachte er ingrimmig in
sich hinein.
Tante Emilie war in der ganzen Verwandtschaft wegen
ihres Geizes berüchtigt; sie war die einzige, welcher Zillmann
bei all seiner Virtuosität auf diesem Gebiete noch keinen roten
Pfennig zu entlocken vermocht hatte.
„Beim Zeus, der das Reisegeld ,abzuknöxfen/ das wäre
ein Triumph!"
Zillmann dachte nach. Eine Idee! lVar Tante Lmilie
in dem ganzen Städtchen nicht auch bekannt als die gefürchtetste
Alatschbase, deren größtes Vergnügen darin bestand, Schlechtig-
keiten über die lieben Mitmenschen zu erfahren und zu verbreiten?
Wenn er hier den kjebel einsetzte?
Eiligst, die Zeit drängte, näherte sich der Studiosus der
ältlichen Verwandten.
„Guten Tag, Tantchenl"
Als Antwort ertöntc ein Laut, den man mit gutem lVillen
und lebhafter Phantasie für eine Lrwiderung des Grußes halten
konnte, während ein kalt abweisender, mißtrauischer Blick den
sreundlich lächelnden Musensohn traf.
„Du willst wohl nach D. verreisen, Tantchen?"
»Ia! In einer Minute geht der Zug ab, adieu." Und
Tantchen kehrte dem liebenswürdigen Neffen den RUcken zu,
um fich Anem Touxe des soeben einfahrenden Zuges zu nähern.
Ietzt war der entscheidende Moment gekommen.
„Adieu, Tantchen. Glückliche Reise und viel vergnügen. —
Axroxos, hast Du schon das Neueste von der Frau IVald-
meyer gehört?"
!Vie angewurzelt blieb Tante Emilie bei Nennung dieses
Namens stehen, ihre Front dem Studiosus wieder zukehrend;
>n ihren verkniffenen Zügen war der Ausdruck abweisender
Aälte dem der lebhaftesten Neugier gewichen. War doch Frau
Waldmeyer, wie der Neffe wohl wußte, seit Iahrzehnten die
erklärte Todfeindin Tante Emiliens.
„Nun, was gibt's denn schon wicder Neues von dieser —
dieser Dame?"
Aus der Stimme klang so großes Interesse, daß Zillmann
seinen Toup bereits halb geglückt sah.
„Ia, Tantchen, das kann ich Dir in der knappcn Zeit
nicht mehr erzählen, Du könntest den Zug versäumen, da mußt
Du Dich schon bis zu Deiner Rückkehr gedulden."
Gedulden, wo es sich um die bvaldmeyer handelte, das
ertrug Tante Emilie nicht.
„lVeißt Du, lieber Neffe, ich mache Dir einen vorschlag.
Du hast hier nichts zu versäumen. Begleite mich doch nach D.,
dann kannst Dn mir unterwegs in aller Ruhe und Muße die
Geschichte erzählen."
„Ganz schön, liebes Tantchen, wenn ich nur das nötige
Reise- und Zehrgeld hätte."
In Tante Lmiliens Antlitz sxiegelte es sich deutlich wieder,
wie heftig Geiz und Neugier um den Vorrang stritten. Doch
sie sollte über die Todfeindin etwas erfahren. Rasch griff die
Dame ins Portemonnaie.
„ksier hast Du ein Goldstück, nun beeile Dich aber, sonst
geht uns der Zug vor der Nase weg."
ksei, wie flog Zillmann zum Fahrkartenschalter. Lin paar
Sekunden vor Abfahrt des Zuges saß er der Tante gegenüber.
Diese lehnte sich im Vorgenusse des zu erwartendeu „Ghren-
schmauses" schwelgend, behaglich in die Polster zurück.
„So, lieber Neffe, nun schieß losl"
„Ia, Tantchen, wer hätte das von Frau lvaldmeyer gedacht."
Die Tante lachte schrill auf. „Aber ich bitte Dich, da kennst
Du diese person schlecht. Bei der muß man immer auf das
Schlimmste gefaßt sein."
„Auf das Schlimmste?"
„Nun ja, selbstverständlich, was denn sonst?"
„lsm, Tante, diesmal ist's doch etwas anderes. Ich wollte
Dir nämlich erzählen, daß Frau Waldmeyer zehntausend Mark
für das Blindenasyl gcstiftet hat."
Ls war ein Glück, daß Tante Lmilie saß, sonst wäre sie
wahrscheinlich auf den Rücken gefallen.
„lVaaas? lveiter hättest Du mir nichts zu erzählen als
die Geschichte von der Stiftung, die ich schon kannte, von der
bereits die ganze Stadt spricht?"
„Meiter nichts. Ich glanbte, da der Fall doch neueren
Datums ist-"
„Und dafür habe ich Dir zwanzig Mark geschenkt? G,
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Äin prakkscher Nifchdieö.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Meggendorfer Blätter
Titel
Titel/Objekt
Ein praktischer Fischdieb
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1903
Entstehungsdatum (normiert)
1898 - 1908
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Zeitpunkt Aufnahme (normiert)
2013-10-16 - 2013-10-16
Aufbewahrungsort (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 52.1903, Nr. 637, S. 131
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication