s66
Ifkeggendorfer-Bläller, INünchen
Wekrafte Wißöegierde.
Die Nlten und die Zungen.
Fremder: „Lieber Mann, das Pflaster stampfen scheint auch
eine recht inühevolle Arbeit zu sein; ist denn der eiserns 5chlägel
da wohl auch sehr schwer?" — —
— „Na, Sie können's ja einmal versuchenl" —
„lVenn Sie erlauben, werde ich so frei seinl — 5apperment, das ist
aber schwerl"
„VhaUI"-
Sein Standpunkt.
Iunggeselle: „Gott sei Dank, daß sich jetzt die Meiber allc
emanzipieren, dann hat wenigstens unsereins vor ihnen Ruhe."
IHor vielen hundert Iahren lebte ein weiser Mann,
/ / und als dieser in die Iahre gekommen war,
^ in denen die Garben der Lebensernte sür den
Sensenschnitt des Todes so gereift zu sein xflegen,
daß dieser sich nur nach einer Ursache umzusehen braucht,
um seine Lrnte einzuheimsen, da erkrankte der Weise
an einer leichten Lrkältung. Und er sxrach zu seiner
Umgebung: „Zwar fühle ich mich nicht so krank, meine
Lieben, um fürchten zu müssen, daß ich unbedingt an
meiner Arankheit sterben muß; aber ich weiß wohl,
daß man in meinem Alter auch an einer geringfügigen
Lrkrankung dahinscheiden kann. Lsolt mir daher einen
Arzt, den ich befragen will, ob er mein Leben noch
länger zu erhalten vermag. Damit ich aber auch ver-
trauen zu dem ärztlichen Ratgeber haben kann, holt
mir einen alten, erfahrenen Mann, der schon viele
Menschen alt werden und sterben sahl"
Und als der alte Arzt gekommen war, fühlte er
dem Aranken den Puls, klopfte am Rücken und an der
Brust, und horchte da und horchte hier, und als er
seine Untersuchung vollendet hatte, fragte ihn der Weise
um seine Ansicht, die er ihn bat, ofsen und ohne Rück-
sicht zu äußern. Und der alte Arzt sprach: „lvas die
ärztliche Aunst vermag, was ich durch meinc langjährige
Lrfahrung gelernt, will ich anwenden, um Dir zn
helfen; da ich aber offen und ohne Rücksicht meine
Meinung über Deinen Zustand äußern soll, will ich Dir
gestehen, daß meine Lsosfnung, Dein Leben noch länger
zu erhalten, nur gering ist. Bereite Dich daher vor,
zu sterben l"
Und der Weise tat dies. Als der 2lrzt ihm Mittel
verschrieben und sein Lager verlassen hatte, berief er
sofort wieder seine Umgebung zn sich und sagte: „lholt
mir einen Rechtsgelehrten herbei, damit ich mich mit
ihm über meinen letzten lVillen berate. Aber es muß
ein alter erfahrener lNann sein, der das Leben in seinen
lföhen und Tiefen kennen gelernt hat und der mir
sagen kann, wie ich es am besten mache, daß mein
vermögen, das ich angesammelt, gut angelegt werde,
und meine Lrben nicht nach meinem Tode in lhader
und Iwist geraten! lfolt auch einen Aaufmann her-
bei, dem ich alle meine Besitztümer verkaufe, damit sie
nicht nach dem Tode unnütz herumliegen oder gar ge-
stohlen werden. Aber der Aaufmann muß alt und er-
sahren sein, damit er sein Geschäft versteht und den
lvert meiner Besitztümer richtig erkenne, denn ich will
nicht, daß er mir mehr zahle, als er kann, noch auch
weniger, als er muß. Der gereifte Aaufmann aber,
der viele lvaren in seinem Leben gekauft und verkauft
hat, wird ihren Wert am richtigsten schätzen. Bringt
mir dann noch einen Tischler herbei, damit er meinen
Sarg mache. Bringt aber einen alten, erfahrenen
lfandwerker, der sein Fach versteht und durch lang-
jährige Uebung geschickt in demselben ist, damit er nur
solches lholz zu meinem Sarge nimmt, das er als gut
erkannt hat und das er richtig zu verarbeiten versteht l"
Und als alle diese Alten gekommen waren und
die Aufträge des weisen lUannes in Lmpfang genom-
men hatten, der Rechtsgelehrte das Testament aufgesetzt,
der Uaufmann den Nachlaß taxiert und bezahlt und
der Tischler den Sarg angefertigt hatte, da sagte der
lVeise zu seiner Umgebung: „Nun bin ich bereit zum
Ifkeggendorfer-Bläller, INünchen
Wekrafte Wißöegierde.
Die Nlten und die Zungen.
Fremder: „Lieber Mann, das Pflaster stampfen scheint auch
eine recht inühevolle Arbeit zu sein; ist denn der eiserns 5chlägel
da wohl auch sehr schwer?" — —
— „Na, Sie können's ja einmal versuchenl" —
„lVenn Sie erlauben, werde ich so frei seinl — 5apperment, das ist
aber schwerl"
„VhaUI"-
Sein Standpunkt.
Iunggeselle: „Gott sei Dank, daß sich jetzt die Meiber allc
emanzipieren, dann hat wenigstens unsereins vor ihnen Ruhe."
IHor vielen hundert Iahren lebte ein weiser Mann,
/ / und als dieser in die Iahre gekommen war,
^ in denen die Garben der Lebensernte sür den
Sensenschnitt des Todes so gereift zu sein xflegen,
daß dieser sich nur nach einer Ursache umzusehen braucht,
um seine Lrnte einzuheimsen, da erkrankte der Weise
an einer leichten Lrkältung. Und er sxrach zu seiner
Umgebung: „Zwar fühle ich mich nicht so krank, meine
Lieben, um fürchten zu müssen, daß ich unbedingt an
meiner Arankheit sterben muß; aber ich weiß wohl,
daß man in meinem Alter auch an einer geringfügigen
Lrkrankung dahinscheiden kann. Lsolt mir daher einen
Arzt, den ich befragen will, ob er mein Leben noch
länger zu erhalten vermag. Damit ich aber auch ver-
trauen zu dem ärztlichen Ratgeber haben kann, holt
mir einen alten, erfahrenen Mann, der schon viele
Menschen alt werden und sterben sahl"
Und als der alte Arzt gekommen war, fühlte er
dem Aranken den Puls, klopfte am Rücken und an der
Brust, und horchte da und horchte hier, und als er
seine Untersuchung vollendet hatte, fragte ihn der Weise
um seine Ansicht, die er ihn bat, ofsen und ohne Rück-
sicht zu äußern. Und der alte Arzt sprach: „lvas die
ärztliche Aunst vermag, was ich durch meinc langjährige
Lrfahrung gelernt, will ich anwenden, um Dir zn
helfen; da ich aber offen und ohne Rücksicht meine
Meinung über Deinen Zustand äußern soll, will ich Dir
gestehen, daß meine Lsosfnung, Dein Leben noch länger
zu erhalten, nur gering ist. Bereite Dich daher vor,
zu sterben l"
Und der Weise tat dies. Als der 2lrzt ihm Mittel
verschrieben und sein Lager verlassen hatte, berief er
sofort wieder seine Umgebung zn sich und sagte: „lholt
mir einen Rechtsgelehrten herbei, damit ich mich mit
ihm über meinen letzten lVillen berate. Aber es muß
ein alter erfahrener lNann sein, der das Leben in seinen
lföhen und Tiefen kennen gelernt hat und der mir
sagen kann, wie ich es am besten mache, daß mein
vermögen, das ich angesammelt, gut angelegt werde,
und meine Lrben nicht nach meinem Tode in lhader
und Iwist geraten! lfolt auch einen Aaufmann her-
bei, dem ich alle meine Besitztümer verkaufe, damit sie
nicht nach dem Tode unnütz herumliegen oder gar ge-
stohlen werden. Aber der Aaufmann muß alt und er-
sahren sein, damit er sein Geschäft versteht und den
lvert meiner Besitztümer richtig erkenne, denn ich will
nicht, daß er mir mehr zahle, als er kann, noch auch
weniger, als er muß. Der gereifte Aaufmann aber,
der viele lvaren in seinem Leben gekauft und verkauft
hat, wird ihren Wert am richtigsten schätzen. Bringt
mir dann noch einen Tischler herbei, damit er meinen
Sarg mache. Bringt aber einen alten, erfahrenen
lfandwerker, der sein Fach versteht und durch lang-
jährige Uebung geschickt in demselben ist, damit er nur
solches lholz zu meinem Sarge nimmt, das er als gut
erkannt hat und das er richtig zu verarbeiten versteht l"
Und als alle diese Alten gekommen waren und
die Aufträge des weisen lUannes in Lmpfang genom-
men hatten, der Rechtsgelehrte das Testament aufgesetzt,
der Uaufmann den Nachlaß taxiert und bezahlt und
der Tischler den Sarg angefertigt hatte, da sagte der
lVeise zu seiner Umgebung: „Nun bin ich bereit zum
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Meggendorfer Blätter
Titel
Titel/Objekt
Bestrafte Wißbegierde
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Bildunterschrift: Fremder: "Lieber Mann, das Pflaster stampfen scheint auch eine recht mühevolle Arbeit zu sein; ist denn
der eiserne Schlägel da wohl auch sehr schwer?" - - // - "Na, Sie können's ja einmal versuchen!" - // "Wenn Sie erlauben,
werde ich so frei sein! - Sapperment, das ist aber schwer!" // "Oha!!!" - - -
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1902 - 1902
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Zeitpunkt Aufnahme (normiert)
2013-10-16 - 2013-10-16
Aufbewahrungsort (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 52.1903, Nr. 640, S. 166