Meggendorfer-Blätter (53.1903 (Nr. 641-653))

6

Bkeggendorfer-Blätter, München

Das ranrponierte cher^.

<lMie Grete war gar schön und jung,
Doch seit des Liebsten Vandern
Im kerzen hatt' sie einen „Sprung"
von einem End' zum andern.

Da ging ste zu dem Meister Schmied,
Der, klug und wohlerfahren,

Im Dorfe jedem Uinde riet
Seit ungezählten Iahren.

Der schmunzelte in seinen Barti
„Ich kann nicht helfen immer.

Solch Mädchenherz ist klein und zart,
Ist Schmiedearbeit nimmerl"

Der Nachbar Tischler war daheim
Dnd wollt' die tVunde schauen,

Doch hatt' die Gret zu seinem Leim
Kein richtiges vertrauen.

Des Schusters stark gexichter Draht
War nur bei Stiefeln rätlich,

Und auch vom Schneider eine Naht
Lrschien nicht wenig schädlich.

Ium Uhrmacher der nächsten Stadt
Zog dann die Grete bange.

Er legte auf ihr Mieder platt
Sein Vhr und horchte lange.

Dann zuckte er die Achseln leis
Und meinte sehr bedächtig-
„Ist etwas leck auch das Gehäus,
Das Uhrwerk puppert prächtig!" —

Auch dies war nur ein kleiner Trost
Und Gretel blieb beklommen,

Da — eines Tags — ist mit der Post
Die Rettung angekommen.

Aus einer Anstchtskarte stand
Das verslein nur geschriebeni
„Bald kehr' ich heim zum vaterland,
Ich bin Dir treu gebliebenl"

Da war mit einem Mal — juchheil —
Die Gretel rot und munter
Und rief: „Mein Herz ist ganz wie neu l
Der .Sprung' ist wegl V Wunderl"

Im ganzen Dorf hat man den Trost,

Daß Aerzte jetzt bisweilen

von auswärts — brieflich — durch diepost

Die schlimmste Krankheit heilen.

Heinrich Schäffer.