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Zeitschrift für Humor und Äunst

33

Sein

geht doch nichU Es muß ganz anders werden — — ganz
anders!"

Mt großen, erregten Schritten ging der kferr Gberst im
Znnmer auf und ab und ballte förmlich die Fäuste.

„Du bist ja heute in einer wahrhaft göttlichen Stimmung,
was hat es denn nur gegeben?"

„lVas es gegeben hat?"

Der therr Gberst blieb vor seiner Frau stehen und sah sie
mit rollenden Augen an. „lvas es gegeben hat? Zu schildern
und zu glauben ist es überhaupt nicht. So lange die Armee
besteht, ist so was überhaupt noch nicht dagewesen, noch nie,
niemals, und im Interesfe der Armee hoffe ich auch, daß so
etwas nie wieder vorkommen wird, sonst können wir uns ruhig
begraben lassen. Iawohl, begraben lassen" — — wiederholte
er nochmals erregt, als seine Frau ein etwas ungläubiges Ge-
sicht machte — — „denn Disziplin und Subordination machen
es nicht, Drdnung muß herrschen, Grdnung!"

Er zog das lVort so in die Länge, daß er sast jeden Buch-
staben einzeln aussprach, dann nahm er seine Ivanderung wieder
auf.

„Wenn Du Deine schlechte Laune an uns ausläßt, dürfen
wir wohl wenigstens ersahren, was denn so llngeheuerliches
passiert ist. Inwiefern ist denn alle G—r—d—n—u-n—g,
wie Du Dich ausdrückst, über den lsaufen geworfen?"

Er blieb von neuem vor seiner Frau stehen: „lvenn Deine
Neugierde Dir denn absolut keine Ruhe läßt, so sollst Du es
erfahren; aber ich sage Dir im voraus, es ist so ungcheuerlich,
daß Du es nicht glauben wirst." Lr holte noch einmal tief Atem,
dann sagte er: „lvagner hat es drei Tage lang vergessen, den
Abreißkalender abzureißen."

Seine Frau lachte laut aus und selbst Aäthe vergaß allen
Aummer. „lllann, nimm es mir nicht übel," bat Frau von
Roden endlich, — „ivie Du über eine solche Bagatelle überhaupt
ein einziges lvort verlieren kannst, verstehe ich nicht."

„lveil Du überhaupt nichts verstehst, wenigstens nichts von
militärischen Dingen," suhr er sie mit dunkelrotem Aopf ail.
„kjast Du eine Ahnung, was es heißt, wenn auf einem Bureau,
im Gegensatz zu der ganzen übrigen lvelt, drei Tage lang der
,Achtzehnte' ist? ljast Du eine Ahnung was das bedeutet? —
Nein, Du hast keine Ahnung, nicht die leiseste, denn sonst würdest
Du nicht lachen, sondern weinenl"

„Das kommt davon, wenn man sich zu sehr auf anderc
verläßt, warum reißt Du denn den Aalender nicht selbst ab?"

Der ljerr Vberst glaubte nicht richtig verstanden zu haben
und sah seine Frau sassungslos an. „lvas soll ich?" sragte er
schließlich, — — „ich soll selbst — — Du weißt nicht, was Du
redest, dazu bin ich nicht da, ich kann mich nicht um jede
Aleinigkeit kümmern, ich habe lvichtigeres zu tun, wozu habe
ich denn meinen Adjutanten?"

„Doch auch nicht nur, damit er Dir den Aalender abreißt."

„Aber doch deshalb mit-und er hat's verbummelt."

Die Frau Dberst versuchte, ihren Gatten zu beruhigen.
„Aber ist denn das Unglück wirklich so groß?"

„Es ist überhauxt gar nicht wieder gut zu machen. ljast
Du jemals etwas von dem ,Terminkalender^ gehört? Ia?
Dann weißt Du, daß in demselben genau verzeichnet ist, wann
die einzelnen llleldungen, Eingabe-Berichte u. s. w. fällig sind.
Und nun denke Dir die Aonfusion, die dadurch entstanden ist,
daß wir drei Tage dasselbe Datum hatten! Einige wichtige
riachen, die am und 20. sällig waren, liegen noch nnerledigt
im Bureau. Am td- sollte ich auf Befehl der Division meinen
Vffizieren die ehrengerichtlichen Bestimmungen vorlesen lasscn,
ich habe das nun erst heute, am 2;., getan. lvenn ich melde,

Trick.

daß ich den Befehl erst heute ausführte, gibt's ein Unglück, und
wenn ich melde, daß ich es am 1I. tat, so ist das eine falsche
dienstliche llleldung, die mir ljals und Aragen kosten kann.
Lxzellenz wird Rechenschaft sordern und Ausklärung verlangen,
wie eine solche unglaubliche Bummelei übsrhaupt nur denkbar
ist. Und was soll ich dann sagen? Nichts. Ich kann überhaupt
nichts sagen, ich kann überhaupt nur meinen Aoxf hinhalten
und sagen: bitte Exzellenz, bedienen Sie sich."

Frau von Roden war zu lange beim Ulilitär, um nicht ein-
zusehen, daß die Sache doch nicht ganz so harmlos war, wie sie
zuerst geglaubt hatte, trotzdem sagte sie jetzt: „Du siehst ent-
schieden zu schwarz. Exzellenz ist ein sehr liebenswürdiger ljerr,
und vor allen Dingen ist er gerecht. lvenn Du ihm erklärst,
wie die Sache zusammenhängt, wird er lachen, und damit die
Angelegenheit sür erledigt erklären. Dir xassiert nichts, und
dem armen lvagner hoffentlich auch nichts".

„lvas soll das lvort choffentlicksi bedeuten?" brauste der
Gberst auf, „Du willst den Adjutanten doch nicht etwa in Schutz
nehnien? Für solche Bummelei gibt es gar keine Lntschuldigung,
ebenso gut, wie er vergißt, den Aalender abzureißen, kann er
eines lllorgens vergessen, sich anzuziehen und aufzustehen, oder
zum Dicnst zu koinmen, oder was weiß ich. Solche lNenschen
kann ich nicht länger um mich dulden, ich habe ihm heute
morgen auf eine llrt und lveise den Standpunkt klar gemacht,
daß ihm die Augen übergingen. Sobald ich mir darüber einig
bin, wen ich als neuen Adjutanten nehme, wird er abgelöst
und tritt in die Front zurück, und von dem Schreiben, das
Exzellenz mir schickt, hängt es ab, ob ich ihn noch bestrafe oder
nicht. Auf alle Fälle ist es mit dem fast sreundschaftlichen
verhältnis, in dem ich bisher zu lvagner stand, ein sür alle-
mal vorbei, ich verkehre nur noch streng dienstlich mit ihm,
denn man sieht ja, wohin es sührt, wenn man die Zügel etwas
locker läßt. Aber jetzt habe ich ihn an der Aandare, mein
lsaus betritt er fortan uur noch wieder, wcnn der Dienst oder
cine besondcrs wichtige Angelegenhcit es erfordern, und deshalb
wird er auch keine Gesellschaft mehr bei uns mitmachen.
ljoffentlich habt ihr noch nicht daran gedacht, ihn zu lläthes
Geburtstag einzuladen?"

Frau von Roden sah ein, daß jeder lvidersxruch ihren
lllann jetzt nur noch mehr reizen würde, so warf sie ihrer
Tochter einen schnellen Blick zu und sagte: „lvir haben bis jetzt
noch gar nicht über die kleine Gesellschaft gesprochen, und wenn
Du es nicht wünschst, laden wir Leutnant von lvagner selbst-
verständlich nicht ein."

Aäthe wurde ganz blaß — „Aber lliama" wollte sie sagen,
doch ein neuer Blick der Mutter ließ sie schweigen.

„Selbstverständlich wünsche ich das nicht," brauste der Vberst
auf, „im Gegenteil, ich verbiete es euch auf das Energischste,"
und sporenklirrend schritt er hinaus.

Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, da war
es mit Aäthes Selbstbeherrschung vorbei, und weinend stürzte
sie sich in die Arme der lliutter. „lvas soll nun werden?
lvenn Fritz, ich meine Leutnant von lvagner, nicht kommen
darf, macht mir die ganze Gesellschaft keinen Spaß, da wollen
wir auch die anderen Einladungen gar nicht erst abschicken."

Aber auch dieses Mal beruhigte sie die lllutter: „Laß es nur
gut sein, Aind, Du kennst ja den vater, er braust im Augenblick
aus, aber sein Zorn verraucht ebenso schnell, wie er kommt."

Aber dieses Mal hiclt der Zorn des ljerrn Dberst an,
seine Befürchtungen waren eingetroffen, er hatte ein Schreiben
von der Division bekommen, das an Deutlichkeit nichts zu
wünschen übrig ließ. Man warf ihm vor, seinen Adjutanten
nicht genügcnd überwacht zu haben, und machte ihn selbst in
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