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Meggendorfer-Blätter: Meggendorfer-Blätter — 54.1903 (Nr. 654-666)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16704#0016
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j2

Meggendorfer-Blätter, ^läünchen


Resigniert trank der Major sein Glas aus und saß fortan
stumm und schweigend. Still erhob er sich nach einiger Zeit,
verabschiedete sich kurz und ging nach tfause. —

Wer beschreibt aber das Erstaunen des Ttamlntisches, als
nach verlauf einer knappen Stunde der Major wie ein Rasender
in das Iimmer stürinte, kfut und Mantel herunterriß und
mit hochrotein Aopf nach Luft und Worten schnappend auf seinen
gewohnten Sitz zustürztei

„Gott sei Dank, daß ich Sie noch tresfel Ich hätte vor
Wut ersticken müssen, wenn ich mir jetzt nicht durch Morte Luft
machen könnie.

Also ich steige vorhin schwermütig, wie ich Sie verlassen,
in meine Llektrische und brüte sorgenvoll vor mich hin. Da
fange ich zufällig einige Brocken der Unterhaltung zweier Damen
mir gegenüber auf. Ich horche hin, ich passe genauer auf und
denken Sie sich: ganz dieselbe Leidensgeschichte kommt heraus,
die ich Ihnen vorhin von mir erzählt habe. Nur aus der Aus-
drucksweise eines alten Majors in die einer feinen weißharigen
Dame übersetzt.

Als sie an derselben Lcke den Wagen verließ, welcher auch
mein Iiel war, da konnte ich nicht umhin, auf sie zuzugehen
und ihr einige iVorte herzlichen Beileids auszusprechen. Es
war mir beinahe ein Trost, zugeben zu müssen, daß ste womög-
lich noch ein schlechteres Los gezogen hatte, als ich. Ihr <Buäl-
geist inußte ja geradezu für das Narrenhaus reif sein. Ltwa
alle halbe Stunde HLmmerte er wie ein Rasender auf seinem
Alavier herum ohne Melodie, ohne Takt, ohne Sinn und ver-
stand, nur lediglich in der Absicht, Lärm zu machen, unterstützt
in diesem Beginnen von einer kläffenden Lsundeschar, welche
die teuflischste Unterwelt aus-
gesxieen zu haben schien.

Linen Blick warf ich noch
auf die gebrochene, abgehärmte
Gestalt meiner Begleiterin und
dann sah ich deutlich die Auf-
gabe, die ich hier zu erfüllen
hatte.

„Gnädige Fraul Gesiatten
Sie mir, Ihr Aavalier in dieser
Angelegenheit zu sein? Ich
werde Sie auf diese oder jene
Weise von dem tollen Unhold
befreienl"

„Lr wird mir als ein hitziger
und bärbeißiger Niann geschil-
dert —"

„Gnädige Fraul Ich bin
Vffizierl Lassen Sie das nur
meine Sorge sein. Sie wohnen,
wie ich sehe, Numero dreiund-
zwanzig —"

„D neinl" unterbrach sie.

„Ich will nur eine Freundin
besuchen. Ich selber wohne in
dieser Straße Nummero drei-
zehn —"

Ichtaumelteförmlichzurück:

„Gnädige Fraul N)o woh-
nen Sie?"

„Numero dreizehn par-
terre. Und derVuälgeist, derüber

mir wohnt, heißt — — aber was ist Ihnen denn xlötzlich?
Sie sind ja ganz bleich und schlottern förmlichl"

Ich winkte nur mit der kjand und stieß ruckweise hervor:
„Sxrechen Sie weiterl Ihr Vuälgeist heißt —?"

„Sie werden es ja schon erraten haben, meine lherrenl —
NAe ich von der alten Dame losgekommen bin, nachdem ich
meinen Namen von ihren bebenden Lippen vernommen, kann
ich Ihnen nicht sagen. Ich weiß nur, daß Asthma uud Abend-
luft und alles vergessen war, daß ich durch die Straßen rannte
wie ein Närrischer, daß ich hierher gestürmt bin, um mir Luft
zu machen, daß ich jetzt hier sitze, mit meinen Fäusten mir an
die Stirne schlage und jammernd frage: Mas soll ich denn jetzt
eigentlich anfangen?!"

Die ganze Tafelrunde sah sich merkwürdig an und viele
Gesichter zeugten von einem unterdrückten Lächeln.

Schließlich begann der Landgerichtsrat, nachdem er einen
tiefen Schluck getan:

„Vas will ich Ihnen sagen, mein lieber Najorl Erstens
verbrennen Sie Ihr Rlavier. Iweitens hängen Sie Ihre thunde
auf. Drittens heiraten Sie die alte Dame. Und viertens schimxfen
Sie nie wieder auf die ,Leute über mir^."

Der Major schüttelte müde den Aopf:

„Nein, lherr Landgerichtsratl Für Gewaltmaßregeln bin
ich nicht. Mein Alavier werde ich verschließen. Meine ljunde
in die Uüche sperren. Der alten Dame eine Torte schicken. Und
die Rasselbande über mir für die ruhigsten Leute von der Melt
halten. Ich denke, das wird Strafe genug sein. Meinen Sie nicht?"

Alle stiminten lachend zu und der heutige Tag wurde troh
seines traurigen Anfangs einer der lustigsten am runden Tisch.

Zukrmftsbitd.

?lmtsrichterin: „Iu sechs Monaten Gefängnis sind Sie verurteilt worden, nehmen Sie die
Strafe an?"

Strolch: „Vh, Frau vorsitzende, wer könnte Ihnen etwas abschlagen!"

Verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
In Gesterreich-Ungarn für lherausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in NAen I.
Verlag von I. F. Schreiber in München und Etzlingrn.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
Zukunftsbild
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Bildunterschrift: Amtsrichterin: "Zu sechs Monaten Gefängnis sind Sie verurteilt worden, nehmen Sie die Strafe an?" / Strolch: "Oh, Frau Vorsitzende, wer könnte Ihnen etwas abschlagen!"

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Schramm, Viktor
Entstehungsdatum (normiert)
1903 - 1903
Entstehungsort (GND)
Esslingen am Neckar

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Amtsgericht
Gericht
Verurteilung
Strafe
Freiheitsstrafe
Frau
Mann
Landstreicher
Angeklagter

Literaturangabe

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Digitales Bild
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Meggendorfer-Blätter, 54.1903, Nr. 654, S. 12

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