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Meggendorfer-Blätter: Meggendorfer-Blätter — 54.1903 (Nr. 654-666)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16704#0021
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Zcitschrift für Lfumor und Auust



ausüben und das vorzeitige Pensionsbedürfnis des genannten
Beamten herbeiführen müsse,

Der zweite Punkt entfesselte einen so hitzigen tNeinungs-
austausch, wie er in den Annalen des Sitzungssaales noch nicht
verzeichnet stand. Da das eine der beiden Zimmer Taxete mit
himmelblauem, das andere solche mit feuerrotem Grundton
aufwies, so glaubte ein Teil der Stadtverordneten, eine Neu-
tapezierung werde sich nicht gut umgehen lassen, Seine ab-
weichende Neinung verteidigte der beinahe gewordene Professor
der bildenden Aünste, gewesene Tanzlehrer und jetzige Rentier
und Stadtverordnete kserr Springfuß, !Nit Lmphase brachte
er zum Ausdruck, daß sich die beiden Zimmer sehr wohl ohne
Neutaxezierung vereinigen ließen. Auf Grund seines fein aus-
geprägten äfthetischen Gefühls sowohl, als auch seiner früheren
Studien über Malerei hielt er sich für berechtigt eine derartige
Vereinigung, besonders wenn in der Mtte durch einen gelben
Streifen ein fein abgetönter Uebergang gebildet würde, als
modernen Stil cornms il kaut zu bezeichnen, Trotz dieser mit ver-
schwenderischer Beredsamkeit gemachten Ausführungen wurde
der Magistratsantrag mit fünf gegen vier Stimmen ebenfalls
angenommen.

Schlimme Tage brachen jetzt für den kferrn Sekretär und
seine teure Gattin herein, Sämtliche wertvollen kNöbel wurden
im bsausflur und auf dem Boden interimistisch untergebrachtz
und das unglückliche Lhexaar mußte Tag und Nacht in einem
kleinen kfinterstübchen hausen.

Auch das gesamte Stadtbild wurde nicht unwesentlich und
zwar zu seinen Ungunsten beeinslußtz denn der große städtische
Bauhatte einen gewaltigenZuzug, besonders italienischerArbeiter,
zur Folge, und Ausschreitungen aller Art waren jetzt in dem
sonst so friedlichen Städtchen an der Tagesordnung.

Aber jedes Ding hat sein Lnde, Und nach neunmonat-
licher angestrengter Arbeit, wobei während der letzten Wochen
Nachtschichten eingerichtet wurden, war der gewaltige Umbau
vollendet und die Spitzen der Zivil- und Militärbehörden konnten
nach Besichtigung des gelungenen lVerkes sich zu dem üblichen
solennen Festbankett vereinigen. —

Lndlich, endlich kam auch das jdrivatleben der Familie Feder-
fuchs wieder zu^seinem Rechte und bei festlicher Beleuchtung
des neuen Salons durch die kfängelampe des chemaligen roten
Zimmers wurde die Linweihung durch das von der Frau Sekretär

Lntscheidung zum dritten Punkt zu treffen war nicht minder
schwierig, während in dem roten Zimmer die Decke einfach
weiß getüncht war, wurde das blaue Zimmer durch einen an
der Decke in dreißig Zentimeter Lntfernung von den Wänden
ringsherum laufenden vier Zentimeter breiten grasgrünen Strich
auf den ersten Blick als „Gute Stube" erkannt, kferr Stadt-
verordneter Lrhrer jdstfstg wies an der lfand der Akten darauf
hin, daß die Decke im roten Zimmer erst vor neun und diejenige
des blauen Zimmers sogar erst vor acht Iahren teilweise auf-
gefrischt worden wäre, somit glaubte er, würde es genügen, wenn
der grüne Strich, der an der Seite der zu entfernenden Wand läuft,
weiß übertüncht, die beiden Seitenstriche bis zur neu gewonnenen
Gegenwand verlängert und von neuem verbunden würden.

Diese glückliche Lösung, die in so genialer Weise das Nütz-
liche mit dem Angenehmen verband, fand entgegen der Nlagi-
stratsvorlage mit sieben gegen zwei Stimmen Annahme. —

So war es denn beschlossene Sache, daß die beiden ein-
fenstrigen Ziminer der Sekretärswohnung zu einem zweifenstrigen,
Zwanzig gZuadratmeterumfaffenden Salon umgebaut werdensollten,
Ls war aber auch die höchste Zeit, daß der Würfel gefallen,
denn schon begannen die Diskussionen über diesen jdunkt an den
verschiedenen Dämmerschopxen-Stammtischen einen entschieden
bedrohlichen Lharakter anzunehmen.

so lange und schmerzlich vermißte Damenkränzchen „Strumpf-
stopfer" feierlichst vollzogen, Im jdrinzix waren sich alle Damen
darüber einig, daß hier in verhältnismäßig kurzer Zeit etwas
wirklich Großartiges geschaffen und die deutsche Sprache zu arm
sei, den Lindruck zum Ausdruck zu bringen.

Durch diese überschwengliche Anerkennung geriet die Frau
Sekretär in hochgradige Freude und ließ sich im Affekt zu einer
superfahrlässigen und folgenschweren Bemerkung hinreißen, Mit
Stolz hob sie nämlich hervor, daß ihr neuer Salon nicht nur
der schönste sondern jetzt auch der größte am Grte sei, denn selbst
derjenige der Frau Bürgermeister zähle nur achtzehn Guadrat-
meter, während der ihrige zwanzig Guadratmeter umfasse,

Das war zu viel für die Frau Bürgermeister. Seit zwei
Stunden hatte sie trotz des Neidstachels in ihrem kserzen wohl-
wollende Liebenswürdigkeit meisterhaft zur Schau getragen,
Ietzt wollte sie sich erheben, aber leichenblaß sank sie in
ihren Stuhl zurück.

Der rasch herbeigerufene Arzt des Grtes konnte nur noch
den Tod durch kserzschlag konstatieren, —

Nach sofort vom Staatsanwalt eingeleiteter Nntersuchung
wurde acht Tage darauf der Aegelklub „Runde Augel" xolizei-
lich aufgelöst, wegen fahrlässiger Tötung, verursacht durch den
Ankauf eines zu billigen Schreibzeuges.
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
Das Schreibzeug
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Engelhard, Paul Otto
Entstehungsdatum (normiert)
1903 - 1903
Entstehungsort (GND)
Esslingen am Neckar

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Mann
Tisch
Gespräch
Sitzung
Stadtratsmitglied
Stadtrat
Meinungsverschiedenheit

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Aufbewahrungsort (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
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In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
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Meggendorfer-Blätter, 54.1903, Nr. 655, S. 17

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