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Meggendorfer-Blätter: Meggendorfer-Blätter — 54.1903 (Nr. 654-666)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16704#0038
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e g g e n d o r f e r - B l ä t t e r, BäüIIchen


Äin originesser Äanrsbart.

— „kfören Sie, Führer, Jhren schönen Gamsbart
da müffen Sie mir verkaufenl"

— ,,V je, gnä' therr, was hab' i für schöne Gams-
barteln g'habt, aber allerweil sind s' mir g'stohlen

word'n Den da kann i Ihna net verkaufen; wissen S',
i hab' mir nur d' thaar so wachsen laffen und
durch des Lückerl da im tsut steck' i s' durch. Den
Gamsbart kann ma niemand stehlen!"


mir: tvie Gott will. triama, paxa begleiten mich an die Bahn,
ermahntenmich höchstnachdrücklich und ich hätte am liebsten geheult.

Ich suche mir ein Loupe erster Alaffe aus mit dem be-
stimmten Vorsatz, die mir hinlänglich bekannte, meist langweilige
Strecke zu durchschlafen.

Der Schaffner schloß die Türe, mir dämmerte es, weil ich
vor Aufregung wenig geruht hatts, schon etwas vor den Augen,
da wurde plötzlich die Pforte noch einmal aufgeriffen und ein
therr, dem ein Lakai ein paar tsandköfferchen reichte, stieg in
höchster Lile ein. Im selben Augenblick fuhr der Zug ab.

Das ärgerte mich natürlich, weil ich jetzt nicht so ungezwungen
der holden Traumseligkeit fröhnen konnte, der ich einen so
schönen Teil meiner Unwiffenheit verdanke. Aber ich beschloß,
mich möglichst wenig stören zu laffen.

tVie ich so das Gesicht des Ankömmlings streifte, bildete ich
mir ein, ich müßte ihn irgendwo, irgendwann schon einmal be-
gegnet haben. Dieser lange Aopf mit dem feschen Schnurr-
bärtchen, mit den sorglich gescheitelten schwarzen tsaaren, die
kleinen, kühlen Augen, von denen eines mit dem Linglas be-
wehrt war — das hab'ich schon malgesehen. Aberfragtesich nur wo?

Lr hat mich sehr artig begrüßt, und ich dankte ihm so kalt ...."

„So wie mir, so ein bißchen im Armenrechtl"

„Sehr richtig, tferr Doktorl" . . . und schaute zu meinem
Fenster hinaus.

„Gottlob," murmelte der Mann mit seiner feinen, dünnen
Aristokratenstimme vor sich hin, „beinahe zu spät gekommen."

Ich hätte gerne ergänzend „äh" hinzugefügt.

„Pardon, gnädiges Fräulein," fuhr er etwas lauter fort, sich
vorstellend: „Graf tNirach, Graf Fritz Ntirach."

Ietzt glaubte ich ihn freilich zu kennen. Und nun ging es
mir auch gleich wie ein Blitz durch das tferz. Ich bin doch
sonst gar nicht so ängstlich, aber die durchwachte Nacht, die
Furcht vor der nahen Prüfung — mit einem tvort, ich erschrak
so, daß ich gewiß mich entfärbt haben muß.

Das also war der berüchtigte Graf tNirach, der große Lr-
oberer sämtlicher weiblichen tserzen, der überall bekannte Don
Iuan-und ich allein mit ihm im Loupö!

Natürlich jetzt lachst Du — unverschämter tNensch! Ietzt
erzähl' ich gar nichts mehr."

Nach einer kleinen Zwischenpause, die entsprechend ausgefüllt
wurde, versöhnt, begann sie wieder:

„Siehst Du, ich weiß auch gar nicht, vor was ich mich so sehr
ängstigte, das sind eben so Gefühle — Dummheiten meinetwegen,
aber die Gegenwart dieses tNannes beunruhigte mich aufs aller-
höchste. tNein erster Blick richtete sich auf die Notbremse. tvenn
er nur den geringsten Schritt über die Grenze des Erlaubten
machen würde, so war ich fest entschlossen, die Bremse zu ziehen.

Ls ist ja furchtbar lächerlich — aber schließlich, ich dachte
an gar nichts anderes mehr als an die Bremse und an den
Grafen, der mir, weil ich von seinen Abenteuern nur immer
so mysteriöse Andeutungen gehört hatte, im Lichte eines ent-
setzlichen Seeräubers erschien.

vorläufig verhielt er sich freilich so sonderbar, eher wie ein
rechter Sxießbürger, daß ich ganz irre wurde an ihm und durch-
aus nicht begreifen konnte, wie es denn möglich wäre, daß man
an ihm irgend einen Gefallen finden sollte. Nur schien er ent-
setzlich neugierig zu sein.

„Pardon," fragte er, „das gnädige Fräulein fahren wohl auch
nach Nürnberg?"

„Iawohl," sagte ich.

„Pardon, und können vor Aufregung die Ankunft kaum
erwarten?"

„Ich bin gar nicht aufgeregt."

„pardon, Sie haben vollständig recht. Ich habe nur ge-
meint, weil. . . äh, weil Sie so lebhaften Teint haben. Und . . ."
er zögerte ein wenig . . . „und weil das gnädige Fräulein die
Stiefelchen verwechselt haben."

Ich blickte erschrocken auf meine Füße — tserrgott ja, es
war so; nein, aber so was! Darum konnte ich vor Schmerzen
vom tvagen kaum an den Zug marschierenl Das war in der
dummen Aufregung geschehenl N)ie ich mich schämtel

„Ia, ja," fuhr er lächelnd fort, „das macht die Sehnsucht,
die Sehnsucht so ganz allein. Gnädiges Fräulein sind ver-
lobt . . . Sie sind blond, er ist natürlich schwarz, leidenschaftliches
Blut, Rassemensch, hab' ich recht, wie? Am Lnde Gffizier,
strammer Iunge? Aber Sie sind eine Münchnerin?"

Ich verzichtete auf so viele Fragen zu antworten. Der
Mann entwickelte ja eine tvißbegierde, die ganz außerordentlich
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
Ein origineller Gamsbart
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Bildunterschrift: - "Hören Sie, Führer, Ihren schönen Gamsbart da müssen Sie mir verkaufen!" / - "O je, gnä' Herr, was hab' i für schöne Gamsbarteln g'habt, aber allerweil sind s' mir g'stohlen word'n / Den da kann i Ihna net verkaufen; wissen S', i hab' mir nur d' Haar so wachsen lassen und durch des Lückerl da im Hut steck' i s' durch. Den Gamsbart kann ma niemand stehlen!"

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Schramm, Viktor
Entstehungsdatum (normiert)
1903 - 1903
Entstehungsort (GND)
Esslingen am Neckar

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Wanderer
Zopf
Mütze
Gamsbart
Wanderführer <Person>
Wanderstock

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Aufbewahrungsort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 54.1903, Nr. 656, S. 34

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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