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Meggendorfer-Blätter: Meggendorfer-Blätter — 54.1903 (Nr. 654-666)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16704#0039
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Zeitschrift für Humor uud Auust

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war. Und noch einmal fragte er, ob ich mit Isar-Wasser ge-
taust sei. Da packte mich mit einem Utale der Uebermut.

„Gott bewahre," erwiderte ich, „weit entfernt, sehen Sie
denn nicht, daß ich eine Lhinesin bin?"

Er starrte mich mit offenem Munde an, sein Geficht nahm
einen mißtrauischen Zug an, der aber vor meiner ernsten Mene
sofort verschwand.

„Line Lhinefin, aber wozu denn?"

„Das ist eine Frage, die ich schon oft vergeblich an mein
Schicksal richtete. Uleinem Geschmack nach wäre ich auch viel
lieber hier geboren."

„Aeh, das ist aber sehr fesselnd," murmelte er, „man sieht
es Ihnen nämlich gar nicht an. Ia, und da leben Sie so mir
nichts dir nichts mit Ihren chinesischen Gewohnheiten in Deutsch-
land? Sonderbarl Und es gefällt Ihnen ganz gut? Natürlich
sind Sie von deutscher Abkunft? Sagen Sie mal, rauchen Sie
auch Dpium?"

Das verneinte ich.

„Na, wissen Sie, mir können Sie das ruhig sagen . . . .
purols cl' bounenr, ich mache ja keinen Gebrauch davon. Das
muß ganz nett sein, wie? Na, warum genieren Sie sich da?"

Und obwohl ich es entschieden in Abrede stellte, blieb er
dabei, wenn man mich nur recht genau betrachte, HLtte ich so
was Geheimnisvolles, Dämonisches. Lr möchte an mir gerne
einmal seine Aunst versuchen.

Ich schaute ihn sehr betroffen an. Seine Aunst?

„Gewähren Sie mir," lisxelte er, „die große Gnade, mir

Wie sich der Rekrut Dummski

zu helfen weiß, als er vor einem sehr kleinen Fähnrich
salutieren soll.

Ihr lsändchen einen Augenblick zu überlassen. Ich bin näm-
lich ein leidenschaftlicher Lhiromant."

Na, dachte ich mir, Graf Schlaumeier, so haben wir nicht
gewettet. Nlir fiel nämlich sofort das Sxrichwort vom kleinen
Finger ein. Ich lehnte daher seine Bitte ruudweg ab.

Er aber ließ nicht nach, sondern rückte mir immer näher,
indem er allerhand Unsinn schwätzte. Lr werde mir meine Zu-
kunft vorhersagen'und mir heute schon Gewißheit verschaffen,
wo, wann und auf melche lveise ich mein Glück erringen könne.

Ich bat ihn, ruhig sitzen zu bleiben, ich sei gar nicht neu-
gierig, und was mein Glück anbetreffe, so wüßte ich zur Zeit
gar kein größeres und keines das mir lieber sei, als die Ulög-
lichkeit, jeden INoment die Notbremse ziehcn zu können.

Lr begriff mich offenbar gar nicht. „Die Notbremse?"
fragte er. „U?ie kommen Sie auf die Notbremse? Ist das
ein Sxort von Ihnen? Tun Sie das gerne?"

„Ia," antwortete ich, innerlich vor Angst zittcrnd und äußer-
lich so kühl wie ein Lisblock. „Iawohl, es macht mir das
größte Vergnügen, wenn alle Leute aus ihren Magen herbei-
stürzen und alles fragt und sich erkundigt."

Er legte seinen Finger an die Adlernase und besann sich
eine Meile, während er einen ziemlich blöden Gesichtsausdruck
entwickelte.

„Das ist ein ganz eigenartiger chinefischer Geschmack,"
ineinte er, „aber en tin, xrobieren wir es. (Zus ksmms veut,
ckisu veut. Ls kann ganz amüsant sein." Mit diesen Morten
erhob er fich, und ehe ich ihn zu hindern vermochte, zog er kalt
lächelnd die Bremse.

„Aber was treiben Sie, der Zug hält ja, und das kostet
Sie dreißig Nlark!"

„Ihr Munsch war mir Befehl," antwortete er mit einer
tiefen verbeugung.

Mollte er mir damit imxonieren, war das übertriebene
Galanterie oder eine einfache Dummheit, ich konnte das nicht ent-
scheiden, nur war ich sehr gesxannt, wie die Geschichte enden werde.

Natürlich überall die größte Bestürzung, als der Zug im
freien Felde xlötzlich hielt, und von allen Seiten Schaffner, die
von Abteil zu Abteil liefen und Umfrage hielten. Als unser
Magenschlag geöffnct wurde, standen sie zu viert draußen:
„Ist hier die Notbremse gezogen worden?"

Der Graf trat vor, lüftete ein wenig den lhut und bejahte es.

„Uiir ist die Iigarette ausgegangen," flötete er, „ich würde
einen der lserren um ein Streichholz bitten."

lUan schaute sich verdutzt an, schüttelte dcn Aopf und zuckte
die Achseln, weil keiner wußte, was er auf eine solche Frechheit
sagen sollte. „Aommen Sie, lserr Iugführer," brummte schließ-
lich einer, „dem lherrn wollen wir in Nürnberg schon ein Feuer
anzünden."

Langsam setzte sich der Iug wieder in Bewegung. Ich
gestehe ganz offen, die Ruhe und Aaltblütigkeit, mit der der
Graf die Sache erledigt hatte, verfehlten ihren Eindruck nicht
auf mich.

„Jst das nicht eigentlich ein grober Unfug, den Sie da ver-
übten, Lserr Graf?" meinte ich.

„So 'ne Idee davon mag schon dabei gewesen sein, gnädiges
Fräulein. Sind Sie nun befriedigt?"

„Ich habe das gar nicht gewünscht. Sie haben mich falsch

verstanden. Aber hören Sie"-mich überlief es siedheiß

und ich kriegte schon wieder eine ganz unsinnige Angst-

„am Lnde werden Sie noch eingesperrt."

Lr klemmte sein Glas ins Auge und blickte mich verdutzt
an. „Aeh . . . glauben Sie? Und Sie als UUtschuldige, was?
Lustiges Gefängnis das?" Lr lachte aus vollem lserzen.

Lr lachte, wahrhaftig, er lachte, und ich fühlte etwas wie
eine Vhnmacht über mich hereinbrechen, denn mir fiel sofort
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
Wie sich der Rekrut Dummski
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Inschrift/Wappen/Marken
Transkription
Wie sich der Rekrut Dummski zu helfen weiß, als er vor einem sehr kleinen Fähnrich salutieren soll.
Anbringungsort/Beschreibung
Bildbeschriftung

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Becker, Carl
Entstehungsdatum
um 1903
Entstehungsdatum (normiert)
1898 - 1908
Entstehungsort (GND)
Esslingen am Neckar

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Rekrut
Mann
Militär
Minderwuchs
Offizier

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Aufbewahrungsort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 54.1903, Nr. 656, S. 35

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Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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