e g g e II d o r f e r - L I ä l t e r, ünchen
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Dein Vater ein, der inich am Bahnhof jedenfalls erwarteie.
Grundgütiger Gott . . . . ich konnte das gar nicht ausdenken.
Na, sage doch selber, in Nürnberg steht vielleicht ein Lchutzmann
am Perron, verhaftet uns, wir ziehen womöglich gefesselt an
Deinem Vater vorüber und damit war alles zu Lnde. Denn
wenn hundertmal die harmlose Mahrheit aufgedeckt worden
wäre, das hätte mir alles nichts genütztz ich wäre verloren gewesen.
Das ging mir wie ein Gewittersturm durch den Noxf.
Aber was machen? Der Zug hält nicht mehr, daß man
aussteigen könnte, zum Fenster hinaussxringen, das war auch
so 'ne eigene Sache .... mit den Röcken, nicht wahr? Na,
das kann ja gut werden. Auf jeden Fall und wenn es noch
so günstig verlief, gab es einen Alatsch, der nicht zu unterdrücken
war. tvirklich, Franz, Du magst mir glauben oder nicht, ich
habe Blut geschwitzt, und der einfältige Mensch von einem Grafen
suchte mich dadurch zu beruhigen, daß er mich auslachte und
behauptete, die Geschichte sei nicht halb so grausam, als ich sie
mir vorstellte — mit einem Wort, ich verlor vollständig den
Aopf, und als ich merkte, daß wir uns einer Station näherten,
sprang ich auf und zog zum zweitenmal die verhängnisvolle
Bremse. Ich wünschte, koste es, was es wolle, auszusteigen. Der
Graf schaute mich koxfschüttelnd an, er meinte wohl, ich sei
nunmehr völlig verrückt geworden.
„Das muß man Ihnen lassen, Gnädigste, Sie haben kost-
spielige jdasfionenl Ich fürchte nur, das personal wird ein biß-
chen derb werden."
Lr hatte recht, der Gute. Der Zug stand einige Schritte
vor der Station, und der Mann mit der roten Mütze ordnete
sofort an, daß wir beide den kvagen verlassen müßten.
Das taten wir denn auch und zwar unter den Segenswünschen
der gesamten Passagiere und unter einem ksagel von Bemerkungen,
deren zarteste einen ksausknecht gekränkt haben würde. Den
Grafen amüsierte unbegreiflicherweise seine Lage, er lachte trotz
aller grimmigen Nienen auch dann noch, als der Vorstand ihn
ins Verhör nahm und eine seierliche Amtshandlung einleitete.
Lr war übrigens ritterlich genug, die Schuld vollständig
auf sich zu laden, erklärte, ich hätte mit der Sache gar nichts
zu tun und ich würde mich entsxrechend beschweren, dexonierte
einen blauen Schein und setzte mir alsdann eine Dexesche an
Deinen Vater auf, in welcher der Stationsvorsteher ihm mitteilen
mußte, daß er, der Vorsteher näinlich, mich durch ein bedauer-
liches versehen an der Meiterreise gehindert habe, wofür er
um Entschuldigung bitte. Ich würde mit dem nächsten Zug folgen.
Auf diese IVeise bin ich glücklich dem Verhängnis ent-
ronnen — Gott sei gelobt und bedankt!"
„Und deswegen, Llli, hast Du meinen vater und mich so
inständig gebeten, wir möchten gegen den Lisenbahnmenschen
keine Anzeige erstatten, damit nicht der ganze Schwindel schließ-
lich an den Tag kam. Und wir dachten, es sei Dein gütiges,
mitleidiges !serz."
„Iawohl," erwiderte Frau Llla, „das war es auch. Der
Lisenbahner hätte mich 'zwar wenig gekümmert, aber was würdest
denn Du, armes Ljascherl, angefangen haben, wenn Du mich
nicht bekommen hättest? Um Dich war's mir Angst . . . nur
um Dich, schau, Franzerl, Deinetwegen habe ich schwindeln
müssen, so hart es mir auch gefallen ist."
„Ist das aber anch wirklich alles, Llli? Gar alles?"
„lvirklich, Franz, auf Lhrel Das Schönste war übrigens
schon, daß es der echte Mirach gar nicht war, der heißt ja
Dskar — frech wie Vskar — sondern ein weitläufiger Vetter
Frih. Und ich — kjerrgott, hab' ich mich gefürchtetl"
„Du zitterst ja jetzt noch, Uiäuschen," sagte er voll väter-
licher Milde und er gab sich, wie man ruhig versichern kann,
alle erdenkliche Mühe, ihre Aufregung mit den hier einschlägigen
Mitteln dauernd zu beschwichtigeu.
Der t'lamierte Dichterlmg.
— „Ach, dort kommt sie schon, meine holde Blumel
verehrtes Fräulein, darf ich's wagenl sZhnen hiermit mcin
Lrstlingswerk'zu Füßen zu legen l"
— „U)as seh' ich . . Sie sind ja ein — IvurstmachergeselleI"
verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
In Mesterreich-Ungarn für kserausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in lvien I.
Vrrlag von I. F. Schreibrr in Münchrn und Etzlingrn.
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Dein Vater ein, der inich am Bahnhof jedenfalls erwarteie.
Grundgütiger Gott . . . . ich konnte das gar nicht ausdenken.
Na, sage doch selber, in Nürnberg steht vielleicht ein Lchutzmann
am Perron, verhaftet uns, wir ziehen womöglich gefesselt an
Deinem Vater vorüber und damit war alles zu Lnde. Denn
wenn hundertmal die harmlose Mahrheit aufgedeckt worden
wäre, das hätte mir alles nichts genütztz ich wäre verloren gewesen.
Das ging mir wie ein Gewittersturm durch den Noxf.
Aber was machen? Der Zug hält nicht mehr, daß man
aussteigen könnte, zum Fenster hinaussxringen, das war auch
so 'ne eigene Sache .... mit den Röcken, nicht wahr? Na,
das kann ja gut werden. Auf jeden Fall und wenn es noch
so günstig verlief, gab es einen Alatsch, der nicht zu unterdrücken
war. tvirklich, Franz, Du magst mir glauben oder nicht, ich
habe Blut geschwitzt, und der einfältige Mensch von einem Grafen
suchte mich dadurch zu beruhigen, daß er mich auslachte und
behauptete, die Geschichte sei nicht halb so grausam, als ich sie
mir vorstellte — mit einem Wort, ich verlor vollständig den
Aopf, und als ich merkte, daß wir uns einer Station näherten,
sprang ich auf und zog zum zweitenmal die verhängnisvolle
Bremse. Ich wünschte, koste es, was es wolle, auszusteigen. Der
Graf schaute mich koxfschüttelnd an, er meinte wohl, ich sei
nunmehr völlig verrückt geworden.
„Das muß man Ihnen lassen, Gnädigste, Sie haben kost-
spielige jdasfionenl Ich fürchte nur, das personal wird ein biß-
chen derb werden."
Lr hatte recht, der Gute. Der Zug stand einige Schritte
vor der Station, und der Mann mit der roten Mütze ordnete
sofort an, daß wir beide den kvagen verlassen müßten.
Das taten wir denn auch und zwar unter den Segenswünschen
der gesamten Passagiere und unter einem ksagel von Bemerkungen,
deren zarteste einen ksausknecht gekränkt haben würde. Den
Grafen amüsierte unbegreiflicherweise seine Lage, er lachte trotz
aller grimmigen Nienen auch dann noch, als der Vorstand ihn
ins Verhör nahm und eine seierliche Amtshandlung einleitete.
Lr war übrigens ritterlich genug, die Schuld vollständig
auf sich zu laden, erklärte, ich hätte mit der Sache gar nichts
zu tun und ich würde mich entsxrechend beschweren, dexonierte
einen blauen Schein und setzte mir alsdann eine Dexesche an
Deinen Vater auf, in welcher der Stationsvorsteher ihm mitteilen
mußte, daß er, der Vorsteher näinlich, mich durch ein bedauer-
liches versehen an der Meiterreise gehindert habe, wofür er
um Entschuldigung bitte. Ich würde mit dem nächsten Zug folgen.
Auf diese IVeise bin ich glücklich dem Verhängnis ent-
ronnen — Gott sei gelobt und bedankt!"
„Und deswegen, Llli, hast Du meinen vater und mich so
inständig gebeten, wir möchten gegen den Lisenbahnmenschen
keine Anzeige erstatten, damit nicht der ganze Schwindel schließ-
lich an den Tag kam. Und wir dachten, es sei Dein gütiges,
mitleidiges !serz."
„Iawohl," erwiderte Frau Llla, „das war es auch. Der
Lisenbahner hätte mich 'zwar wenig gekümmert, aber was würdest
denn Du, armes Ljascherl, angefangen haben, wenn Du mich
nicht bekommen hättest? Um Dich war's mir Angst . . . nur
um Dich, schau, Franzerl, Deinetwegen habe ich schwindeln
müssen, so hart es mir auch gefallen ist."
„Ist das aber anch wirklich alles, Llli? Gar alles?"
„lvirklich, Franz, auf Lhrel Das Schönste war übrigens
schon, daß es der echte Mirach gar nicht war, der heißt ja
Dskar — frech wie Vskar — sondern ein weitläufiger Vetter
Frih. Und ich — kjerrgott, hab' ich mich gefürchtetl"
„Du zitterst ja jetzt noch, Uiäuschen," sagte er voll väter-
licher Milde und er gab sich, wie man ruhig versichern kann,
alle erdenkliche Mühe, ihre Aufregung mit den hier einschlägigen
Mitteln dauernd zu beschwichtigeu.
Der t'lamierte Dichterlmg.
— „Ach, dort kommt sie schon, meine holde Blumel
verehrtes Fräulein, darf ich's wagenl sZhnen hiermit mcin
Lrstlingswerk'zu Füßen zu legen l"
— „U)as seh' ich . . Sie sind ja ein — IvurstmachergeselleI"
verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
In Mesterreich-Ungarn für kserausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in lvien I.
Vrrlag von I. F. Schreibrr in Münchrn und Etzlingrn.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Meggendorfer Blätter
Titel
Titel/Objekt
Der blamierte Dichterling
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Bildunterschrift: - "Ach, dort kommt sie schon, meine holde Blume! // Verehrtes Fräulein, darf ich's wagen! Ihnen hiermit mein Erstlingswerk zu Füßen zu legen!" // - "Was seh' ich .. Sie sind ja ein - Wurstmachergeselle!"
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1903
Entstehungsdatum (normiert)
1898 - 1908
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Aufbewahrungsort (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 54.1903, Nr. 656, S. 36
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg