Zeitschrift für Humor und Aunst
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nur ab und zu einen Mchtigen forschenden Seitenblick auf die
junge Daine, die mit der Miene eines steinernen Gastes an
der Tafel saß und ihn beständig anstarrte.
Der Forstmeister, der sich nicht anders zu helfen wußte,
slüsterte seinem Nachbar die lateinischen Worte zu: „Nsnts
saptL." Das schien aber hinwiederum diesen außerordentlich
unangenehm zu berühren und es entwickelte sich nur sehr all-
mählich ein allgemeines Gesxräch über dienstliche Angelegen-
heiten und erst sxäter, nachdem
der erste Lindruck sich zu ver-
wischen begann, beteiligte sich
Lilly mit kurzen und knapxen
Antworten an der Unterhaltung.
Als aber beim Nachtisch der
Assistent erzählte, er habe in der
Nähe dcs Forsthauses eine
Blumenart entdeckt, die man
sonst nur in den Alxen zu finden
pflege, ersuchte ihn Lilly, sie ihr
zu zeigen.
Ljerr von Alceberg war
dazu gerne bereit und die beiden
erhoben sich. Der Forstmeister,
den die Sache weniger inte-
ressierte, entschuldigte sich und
blieb sitzen.
Als das paar nach nicht
allzulanger Zeit zurückkehrte, trug LiM einen Busch dieser
Blumen in der bsand und die harmlose Beute schien sie im um-
gekehrten Grade ebenso unbegründet zu beeinflussen, wie sie
ehedem der Aanarienvogel erregt hatte.
Sie war von diesem Augenblick an ivie verzaubert. Eine
Fröhlichkeit erfüllte sie, die dem Forstmeister ganz unheimlich
vorkam; sie lachte über die geringfügigste Bemerkung und aß
und trank mit einem Axxetit, als gelte es nachzuholen, was
sie seit einer Woche versäumt hatte.
Und nicht nur mit ihrem Gnkel scherzte sie wie ein aus-
gelassenes Aind, sondern sie neckte sich auch mit dem Assistenten,
den sie doch vorher so schlecht behandelt hatte und versprach
ihm ohne Zwang, wenn der Gnkel damit einverstanden sei,
schon in den nächsten Tagen seiner Linladung, ihn in seiner
Alause zu bcsuchcn, Folge zu leisten.
Als sie sich sxät am Abend trennten, drückte sie dem alten
kserrn, dessen Ratlosigkeit ihr nicht entgangen war, einen Gute-
nachtkuß aus die Stirne und verschwand singend und lachend
auf ihr Iimmer.
Der Forstmeister aber hatte eine schlaslose Nacht. Lr miß-
traute als Iunggeselle allem Weiblichen aufs heftigste. Und
so erwog er die Frage, was der eigentliche Grund dieser auf-
fallenden Veränderung sein könnte, stundenlang hin und her,
ohne zu einem Abschluß zu gelangen.
Stak vielleicht doch diese unglückselige Liebe so tief in dem
lserzen seiner Nichte, daß sie ihr Gemüt erschüttert hatte oder
war sie . . . er wagte sich das nicht auszudenken, aber er hatte
schon so viel von den Großstadtmädeln gehört, war sie wirklich
ein so leichtsinniges Geschöxf, daß sie sich jedem Mann nach
kurzem Aamxfe an die Brust warf? Gder, was ihm am besten
gefiel, war möglicherweise die Arisis eingetreten und ihre plötz-
liche Fröhlichkeit aus dem Gefühl der Befreiung zu erklären?
Sonderbar — er mochte es sassen, wo er wollte, es blieb immer
und überall ein unerklärbarer Rest.
Die Erklärung sollte indessen nicht lange auf stch warten
lassen. Bei Gelegenheit des Besuches sügte es der Zufall, daß
Lchillinger, mißtrauisch, weil schon wieder eine neue Sxezies
von Blumen ganz in der Nähe des bsauses blühte, den beiden
Botanikern ein bißchen auf die Lixxen sah und zu seiner nicht
geringen Lntrüstung sich überzeugen mußte, daß sie sich da draußen
in der unbefangensten Weise küßten.
Lr schlich sich unbemerkt an sie heran und erwischte sie auf
der Tat. Der Zorn machte ihn so sxrachlos, daß er vorerst nur
mit wütenden Blicken die Attentäter zu zerschmettern versuchen
konnte. pfui, wer HLtte der Lilly eine solche Lharakterlosigkeit
zugetraut!
Da standen sienun diebeiden
armen Sünder in tödlicher
wortloser verlegenheit. Der
Assistent vermochte sich aber
rasch zu fassen.
„verzeihen der bserr Forst-
meister," sagte er, „wir haben
uns auf den ersten Blick so lieb
gewonnen, wir haben uns in
München kennen gelernt . . ."
„So, so," murrte der alte
lserr verächtlich. „Du scheinst
ja sehr vielseitig zu sein, Lilly?"
„Durchaus nicht, lieber
Gnkel . . ich . . wir waren . .
das heißt, ich habe bserrn von
Aleeberg als Leutnant von Rötz
kcnnen gelernt ..."
„Das ist so," ergänzte der
Assistent, „ich schreibe mich von Aleeberg-Rötz und da zwei
Reserveleutnants Aleeberg-Rötz im Regiment dienten, hat man
mich zum Unterschied Rötz genannt."
„Ach und Sie sie sind dieser unglückselige Leutnant? Sind
bci uns einberufen . . . ohl kserrrr! lvie kommen Sie auf den
xolizeiwidrigen Gedanken, sich von mir einladen zu lassen! Sie
soll doch gleich ein Donnerwetterl Mie steh' denn ich jetzt da?
lsaben Sie eine Idee? Sie — Assistent — Sie?"
Lilly hatte sich vom ersten Schrecken erholt und begann mit
hundert Schmeicheleien den Bnkel zu umgarnen.
„Na," brummte dieser, „mir wär' ja alles recht, wenn ich
nur nicht gar so blitzdumm dastünde. Da werd' ich schön darauf-
zahlen dürfenl Aber das sag' ich euch, mit dem Geld, das
will ich machen, aber mit Deinem Vater — das mußt Du selber
auskochen, der wird so glauben, ich hätt' eine alte Meerzwiebel
im Aops anstatt ein bsirn. Und das glaubet er net nur —
das saget er mir ins Gesicht. Ia, ja, sein Briefle les' ich gar
net. Fiel mir einl"
--
Telegraphie ohne Draht.
lDMareonische Telegraphie ohne Draht
Allseitiges Aufsehn gefunden hat;
Doch muß mich dies Faktum als Bürger von jdlundern
lVahrhaftig ganz außergewöhnlich verwundernl
Denn hierorts besorgt schon seit uralter Zeit,
Mit gleicher blitzschneller Geschwindigkeit,
Die Alatschsucht ohne besondere Leitung
Die xrompteste drahtlose lveiterverbreitung.
Memiachcr.
^?raktisch.
Fremder: „Mofür steht denn die lveckuhr hier im lsühnerstall?"
Bauer: „Schau'n Sie, der lsahn wird halt schon a bissel alt
und damit er Morgens xünktlich die Leute weckt, muß
er selbst geweckt werdenl"
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nur ab und zu einen Mchtigen forschenden Seitenblick auf die
junge Daine, die mit der Miene eines steinernen Gastes an
der Tafel saß und ihn beständig anstarrte.
Der Forstmeister, der sich nicht anders zu helfen wußte,
slüsterte seinem Nachbar die lateinischen Worte zu: „Nsnts
saptL." Das schien aber hinwiederum diesen außerordentlich
unangenehm zu berühren und es entwickelte sich nur sehr all-
mählich ein allgemeines Gesxräch über dienstliche Angelegen-
heiten und erst sxäter, nachdem
der erste Lindruck sich zu ver-
wischen begann, beteiligte sich
Lilly mit kurzen und knapxen
Antworten an der Unterhaltung.
Als aber beim Nachtisch der
Assistent erzählte, er habe in der
Nähe dcs Forsthauses eine
Blumenart entdeckt, die man
sonst nur in den Alxen zu finden
pflege, ersuchte ihn Lilly, sie ihr
zu zeigen.
Ljerr von Alceberg war
dazu gerne bereit und die beiden
erhoben sich. Der Forstmeister,
den die Sache weniger inte-
ressierte, entschuldigte sich und
blieb sitzen.
Als das paar nach nicht
allzulanger Zeit zurückkehrte, trug LiM einen Busch dieser
Blumen in der bsand und die harmlose Beute schien sie im um-
gekehrten Grade ebenso unbegründet zu beeinflussen, wie sie
ehedem der Aanarienvogel erregt hatte.
Sie war von diesem Augenblick an ivie verzaubert. Eine
Fröhlichkeit erfüllte sie, die dem Forstmeister ganz unheimlich
vorkam; sie lachte über die geringfügigste Bemerkung und aß
und trank mit einem Axxetit, als gelte es nachzuholen, was
sie seit einer Woche versäumt hatte.
Und nicht nur mit ihrem Gnkel scherzte sie wie ein aus-
gelassenes Aind, sondern sie neckte sich auch mit dem Assistenten,
den sie doch vorher so schlecht behandelt hatte und versprach
ihm ohne Zwang, wenn der Gnkel damit einverstanden sei,
schon in den nächsten Tagen seiner Linladung, ihn in seiner
Alause zu bcsuchcn, Folge zu leisten.
Als sie sich sxät am Abend trennten, drückte sie dem alten
kserrn, dessen Ratlosigkeit ihr nicht entgangen war, einen Gute-
nachtkuß aus die Stirne und verschwand singend und lachend
auf ihr Iimmer.
Der Forstmeister aber hatte eine schlaslose Nacht. Lr miß-
traute als Iunggeselle allem Weiblichen aufs heftigste. Und
so erwog er die Frage, was der eigentliche Grund dieser auf-
fallenden Veränderung sein könnte, stundenlang hin und her,
ohne zu einem Abschluß zu gelangen.
Stak vielleicht doch diese unglückselige Liebe so tief in dem
lserzen seiner Nichte, daß sie ihr Gemüt erschüttert hatte oder
war sie . . . er wagte sich das nicht auszudenken, aber er hatte
schon so viel von den Großstadtmädeln gehört, war sie wirklich
ein so leichtsinniges Geschöxf, daß sie sich jedem Mann nach
kurzem Aamxfe an die Brust warf? Gder, was ihm am besten
gefiel, war möglicherweise die Arisis eingetreten und ihre plötz-
liche Fröhlichkeit aus dem Gefühl der Befreiung zu erklären?
Sonderbar — er mochte es sassen, wo er wollte, es blieb immer
und überall ein unerklärbarer Rest.
Die Erklärung sollte indessen nicht lange auf stch warten
lassen. Bei Gelegenheit des Besuches sügte es der Zufall, daß
Lchillinger, mißtrauisch, weil schon wieder eine neue Sxezies
von Blumen ganz in der Nähe des bsauses blühte, den beiden
Botanikern ein bißchen auf die Lixxen sah und zu seiner nicht
geringen Lntrüstung sich überzeugen mußte, daß sie sich da draußen
in der unbefangensten Weise küßten.
Lr schlich sich unbemerkt an sie heran und erwischte sie auf
der Tat. Der Zorn machte ihn so sxrachlos, daß er vorerst nur
mit wütenden Blicken die Attentäter zu zerschmettern versuchen
konnte. pfui, wer HLtte der Lilly eine solche Lharakterlosigkeit
zugetraut!
Da standen sienun diebeiden
armen Sünder in tödlicher
wortloser verlegenheit. Der
Assistent vermochte sich aber
rasch zu fassen.
„verzeihen der bserr Forst-
meister," sagte er, „wir haben
uns auf den ersten Blick so lieb
gewonnen, wir haben uns in
München kennen gelernt . . ."
„So, so," murrte der alte
lserr verächtlich. „Du scheinst
ja sehr vielseitig zu sein, Lilly?"
„Durchaus nicht, lieber
Gnkel . . ich . . wir waren . .
das heißt, ich habe bserrn von
Aleeberg als Leutnant von Rötz
kcnnen gelernt ..."
„Das ist so," ergänzte der
Assistent, „ich schreibe mich von Aleeberg-Rötz und da zwei
Reserveleutnants Aleeberg-Rötz im Regiment dienten, hat man
mich zum Unterschied Rötz genannt."
„Ach und Sie sie sind dieser unglückselige Leutnant? Sind
bci uns einberufen . . . ohl kserrrr! lvie kommen Sie auf den
xolizeiwidrigen Gedanken, sich von mir einladen zu lassen! Sie
soll doch gleich ein Donnerwetterl Mie steh' denn ich jetzt da?
lsaben Sie eine Idee? Sie — Assistent — Sie?"
Lilly hatte sich vom ersten Schrecken erholt und begann mit
hundert Schmeicheleien den Bnkel zu umgarnen.
„Na," brummte dieser, „mir wär' ja alles recht, wenn ich
nur nicht gar so blitzdumm dastünde. Da werd' ich schön darauf-
zahlen dürfenl Aber das sag' ich euch, mit dem Geld, das
will ich machen, aber mit Deinem Vater — das mußt Du selber
auskochen, der wird so glauben, ich hätt' eine alte Meerzwiebel
im Aops anstatt ein bsirn. Und das glaubet er net nur —
das saget er mir ins Gesicht. Ia, ja, sein Briefle les' ich gar
net. Fiel mir einl"
--
Telegraphie ohne Draht.
lDMareonische Telegraphie ohne Draht
Allseitiges Aufsehn gefunden hat;
Doch muß mich dies Faktum als Bürger von jdlundern
lVahrhaftig ganz außergewöhnlich verwundernl
Denn hierorts besorgt schon seit uralter Zeit,
Mit gleicher blitzschneller Geschwindigkeit,
Die Alatschsucht ohne besondere Leitung
Die xrompteste drahtlose lveiterverbreitung.
Memiachcr.
^?raktisch.
Fremder: „Mofür steht denn die lveckuhr hier im lsühnerstall?"
Bauer: „Schau'n Sie, der lsahn wird halt schon a bissel alt
und damit er Morgens xünktlich die Leute weckt, muß
er selbst geweckt werdenl"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Meggendorfer Blätter
Titel
Titel/Objekt
Lillys Leiden
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1903 - 1903
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Aufbewahrungsort (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 54.1903, Nr. 658, S. 59
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication