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Meggendorfer-Blätter: Meggendorfer-Blätter — 54.1903 (Nr. 654-666)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16704#0073
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Aeitschrift für Humor und Aunst

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Dieses Schlagwort hatte ich einmal irgendwo gelesen, und
das war mein Glück. Denn sonst hätte ich nicht einmal das
gewußt. tVeiter fiel mir aber absolut nichts ein, so sehr ich
mir auch den Ropf zerbrach, und ich war schon nahe daran,
ihn ganz und gar zu verlieren.

Wenn ich wenigstens meine Morgen-Schokolade gehabt
hättel Ls wunderte mich, daß sie mir meine Frau noch nicht
gebracht hatte. Aber wahrscheinlich kam sie allein nicht sa
zurecht. Denn unser Dienstmädchen war seit zwei Tagen ver-
reist, um der ksochzeit ihrer Schwester beizuwohnen. Gder mcin
bserzensweibchen hatte es gar einmal verschlafen? Na, meinet-
wegen mochte sie bis in die jdupxen schlafen, es würde ja wohl
auch ohne Schokolade gehen. Also nur Mutl

„Schwerer oder leichter als die Luft, meine kserren, das
ist die Schokoladel"

Ljalt, nein — ksimmell — fing denn die Aonfusion heute
schon in aller Frühe an?

„Schwerer oder leichter, schwerer oder lei - — —"
Was waren denn das für eigentümliche Töne, die da plötzlich
an mein Mhr schlugen? Ls klang wie ein Stöhnen und Mim-
mern, da — war das nicht mein Name, der da mitten aus
diesen unartikulierten Lauten herausklang? Um Gottes willen,
das konnte nur von
meinem süßen Frauchen
herrührenl Wie derBlitz

— nein wie ein sechs-
wöchentlicher Ehemann
sprang ich von meinem

Schreibtische herunter
und rannte in die Uüche.

Aeine Frau!

Ich stürzte ins
Wohnzimmer.

Auch keinel

Dann ins Schlaf-
zimmer.

Da war sie!

Sie saß im Bett,
rang die Lsände und
schluchzte.

„Ach Tduard jam-
merte sie mit kaum
vernehmlicher, heiserer
Stimme. „Seit zwei
Stunden rufe ich schon
nach Dir und Du hörst
mich nicht!"

„Mein liebstes Frauchen," erwiderte ich ganz bestürzt, „ich
hörte Dich wirklich nicht!"

„Weil ich nicht schreien kannl Ach ich ersticke ja fast, ich
kriege keine Luft, ich glaube, ich muß sterben. Ach Edua-"

„Ruhig, um Gottes willen, meine Lserren, sprich, keine Luft
mehr," stieß ich in hellster Angst hervor. „Vielleicht gar Diph-
theritis oder so wasl

Bleibe nur ruhig liegen und strenge Dich gar nicht an,
ich laufe sofort zum Dokt — — —"

„Nkache mir nur eine Tasse heiße Milch," lispelte sie.
„Dann schreibe sofort der Marie, daß sie kommt und trage den
Brief aus die Post. Auf dem Rückwege läufst Du zu Frau
Lchneider und bestellst ste hierher. A—a-ch Tduard!"

„ksabe nur keine Angst, meine liebste Vttilie, ich stiege, um
alles zu besorgen. Also eine Tasse heiße jdost — eine Masse

— eine — — —"

Ich sauste in die Aüche und suchte mit bebenden Fingern
Feuer zu machen. Aber ich blies mir fast die Lunge aus, es
wollte nicht brennen. Da nahm ich kurz entschlossen die jdetroleum-
stasche und goß dcren Inhalt auf die Aohlen. Menigstens
wollte ich das. In meinec unseligen Aufregung aber goß ich
das j)etroleum in die Milch und die Nilch dann auf die Aohlen.

Was nun? Meiner Frau durfte ich mit solch einem Fiasko
nicht unter die Augen treten. Doch da erinnerte ich inich aus
meiner Studentenzeit, daß es sür cinen heiseren Ljals nichts
Besseres gäbe, als eineu oder zwei frische Salzheringe. Schon
war ich aus der TUr, da fiel mir ein, daß ich ja den Brief
an Marie zu schreiben vergessen hatte. Also nochmals zurück
und den Brief rasch geschrieben. Ich nahm einen Briefbogen
und ein Touvert, schrieb auf den Bogen die Adresse und auf
den Umschlag: Marie kommen Sie sofort zurück, meine Frau
macht ksochzeitl

Lrst als ich den Brief versiegeln wollte, erkannte ich die
gemachte Dummheit. Ich schrieb also einen neucn. Dann
aber preßte ich einige Sekunden ineinen Aopf in meine ksände
und sagte zu mir selber: „Ruhe, Lduard, Ruhe, sonst bringst
Du noch alles durcheinander. Iede Mnute verzögerung ist
cine Stunde leideusvoller Tual für Dein armes Frauchen.

Darum Ruhe, meine
kserren, Ruhel"

Gefaßt stieg ich die
Trexpe hinab, um zu-
nächst nach dem Postamt
zu gehen. Bei dem
rhythmischen Alange
meines Mauleseltrabes
aber kam mir unwillkür-
lich wieder meine Rede
in den Sinn, so heftig
ich mich auch dagegen
zu wehren suchte.

„Schwerer oderleich-
ter als Marie, schwe —"
Mein Tempo wurde
immer schneller, meine
jdulse fingen an zu stie-
gen, und meine Nerven
drohten sich durchein-
ander zu wirren, wie
ein Anäuel Garn mit
dem eine junge Aatze
spielt. Am mich wieder
ein wenig zu sammeln, blieb ick vor einem Schaufenster
stehen und blickte hinein. Denn gleichzeitig war mir der
Gedanke gekommen, meinem kranken Weibchen eine Lxtrafreude
zu bereiten, und ihr etwas mitzubringen. Zum Unglück waren
in dem Fenster aber nichts weiter zu sehen als ksängelampen,
und die waren doch zu gedachtem Iweckc höchst ungeeignet.
Ich trabte also weitcr und hatte bald darauf das jdostamt
erreicht.

„Sechs kseringe," rufe ich ganz außer Atem.

Arach stiegt das Schalterfenster zu.

Das war doch eine Gemeinheitl Ich hatte für dumme
Sxässe absolut keine Zeit uud trommclte daher aus Leibes-
kräften an die Scheiben. Das Fenster stiegt wieder auf.

„Das ist eine Unverschämtheit," schrei' ich. „wenn man
daheim eine kranke Frau hat und eine ksochzeit verreist ist —"

„was wollen Sie denn eigentlich, Sie ksansnarr?" schreit
der Beamte noch lauter.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
Ein konfuser Morgen
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Schramm, Viktor
Entstehungsdatum (normiert)
1903 - 1903
Entstehungsort (GND)
Esslingen am Neckar

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Bett
Frau
Mann
Tür
Ehepaar
Krankheit

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Aufbewahrungsort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 54.1903, Nr. 659, S. 69

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Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
 
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