Zeitschrift für Humor und Aunst
meinem Rat, mein Aind, ich wüßte keinen bessern auf der
welt."
Iulchen atmete erleichtert auß sprach ein dankbares, aber
gänzlich unüberzeugtes „Iawohl, liebe tNama!" und widmete
sich dann mit erneuter ksingebung ihrer Toilette, weil sie eben
am Sprunge war, der Tante Eleonore einen jdflichtbesuch zu
machen.
Wenn die INutter, anstatt ihren Gedanken nachzuhängen
und sich hierin durch nichts stören zu lassen, ihre Tochter beob-
achtet HLtte, würde sie gar manches auffällig gefunden haben. Denn
sonst xflegte Iulchen höchst ungern zu Tante Lleonore zu gehen,
die sie sehr unehrerbietig ein „fades altes Besteck" zu nennen
gewohnt war, und wenn sie es notgezwungen tat, so wählte sie
mit großer Bchlauheit die ältesten Aleider, um wenigstens durch
das Mitleid, das sie erregte, einige tNark Taschengeld heraus-
zuschlagen. Aber heute schmückte sie sich mit ganz besonderer
Ueberlegung, heute trug sie das duftige weiße mit dem diskreten
Ausschnitt, die hellen Schuhe und den Modellhut erster Garnitur,
den ihr der Gnkel jüngst aus paris mitgebracht hatte. Ieder
Nkenschenkenner hätte daraus geschlossen, daß Fräulein Iulie
Brand unzweifelhaft den Besuch bei Tante Eleonore mit einem
Rendezvous auf irgend eine kunstreiche Art zu verknüpfen
wünschte, aber Frau Brand rechnete im Aoxf immer höhere
Bummen aus, die sie hätte ersparen können, wenn sie ehedem
ihren Mann nach den bewährten Grundsätzen behandelt haben
würde, die sie ihrer Tochter zur Aussteucr gab.
Auf solche weise geschah es, daß Iulchen gerade Punkt
halb drei Uhr jene Lcke kreuzen konnte, um die herum ihr
Bräutigam, der Forstassessor Uiuthmann, durch einen merkwür-
digen Zufall seinem Amte zustrebte. Als der junge, frische
Iägersmann sie eräugte, war er fast gar nicht überrascht, seine
Braut hier zu treffen; es sah fast aus, als ob es nicht zum
erstenmal geschähe. Trotzdem aber hatte er alle Ukühe, sein
Gesicht in dcn angenehmen regelmäßigen Formen zu erhalten,
durch dic es von Ututter Natur ausgezeichnet war, denn vicl
fehlte gerade nicht, daß es aus den Fugen gegangen wäre vor
Bergnügen.
„Grüß Dich," rief er mit seiner lauten fröhlichen Stimme,
„und betrachte Dich einstweilen zehntausendmal geküßtl Ich
wollte, wir wärcn im wald, im schönen, grünen Forst," fügte
er etwas leiser hinzu und drückte ihr die kjand, daß die Glares
bedenklich zu krachen begannen. „Schau nur einmal den wunder-
baren Tag an, und da setzt sich so ein dalketes Dirndl zu einem
alten, abgeblaßten Frauenzimmer hinauf — xfui, Ljasl"
„Ia, schau Ukax," antwortete Iulchen, indem sie schmollend
das Näschen in die lhöhe zog und die Bberlippe so weit hob,
daß man die feinen kleinen Perlcn der Zähne schimmern sah,
„glaubst Du, mir ist das ein Vergnügcn? Gerade so gut könnt'
ich sagen, Du gehst gerne auf Dein Bureau. Ucbrigens scheint
es mir auch so," setzte sie scherzend dazu.
Lr zuckte mit den Achseln und schaute sie prüfend an.
„Du," sprach er langsam, wie eincr, der seiner Sache nicht
recht sicher ist, „hör mal Bchatz. Ich habe heut Putztag und
es liegt gar nichts daran, wenn ich heut schwänze. wenn Du
um fünf Uhr zn der alten Schachtel kommst, ist es auch noch
srüh genug. Nlagst nicht, gehcn wir ein wenig in den Park?"
Iulchen schüttelte energisch den Ropf. „was Dir nicht
alles einfiele," meinte sie halb entrüstet, halb lachend. „wenn
uns irgend jemand begegnete, — ich danke. jlapa und Mama,
alle Gnkel und Tanten crführen es. Schamloses Geschöxf wär'
uoch der mildeste Spruch, den ich zu hoffen hätte."
„Ach was, in drei Ntonaten sind wir Nlann und Frau . .
Ist denn das ein Verbrechen, wenn ich mit meiner Braut
spazieren gehe?"
Der boshafteLehrling oder das gcstörteMittagsfchtäfchen.
t
meinem Rat, mein Aind, ich wüßte keinen bessern auf der
welt."
Iulchen atmete erleichtert auß sprach ein dankbares, aber
gänzlich unüberzeugtes „Iawohl, liebe tNama!" und widmete
sich dann mit erneuter ksingebung ihrer Toilette, weil sie eben
am Sprunge war, der Tante Eleonore einen jdflichtbesuch zu
machen.
Wenn die INutter, anstatt ihren Gedanken nachzuhängen
und sich hierin durch nichts stören zu lassen, ihre Tochter beob-
achtet HLtte, würde sie gar manches auffällig gefunden haben. Denn
sonst xflegte Iulchen höchst ungern zu Tante Lleonore zu gehen,
die sie sehr unehrerbietig ein „fades altes Besteck" zu nennen
gewohnt war, und wenn sie es notgezwungen tat, so wählte sie
mit großer Bchlauheit die ältesten Aleider, um wenigstens durch
das Mitleid, das sie erregte, einige tNark Taschengeld heraus-
zuschlagen. Aber heute schmückte sie sich mit ganz besonderer
Ueberlegung, heute trug sie das duftige weiße mit dem diskreten
Ausschnitt, die hellen Schuhe und den Modellhut erster Garnitur,
den ihr der Gnkel jüngst aus paris mitgebracht hatte. Ieder
Nkenschenkenner hätte daraus geschlossen, daß Fräulein Iulie
Brand unzweifelhaft den Besuch bei Tante Eleonore mit einem
Rendezvous auf irgend eine kunstreiche Art zu verknüpfen
wünschte, aber Frau Brand rechnete im Aoxf immer höhere
Bummen aus, die sie hätte ersparen können, wenn sie ehedem
ihren Mann nach den bewährten Grundsätzen behandelt haben
würde, die sie ihrer Tochter zur Aussteucr gab.
Auf solche weise geschah es, daß Iulchen gerade Punkt
halb drei Uhr jene Lcke kreuzen konnte, um die herum ihr
Bräutigam, der Forstassessor Uiuthmann, durch einen merkwür-
digen Zufall seinem Amte zustrebte. Als der junge, frische
Iägersmann sie eräugte, war er fast gar nicht überrascht, seine
Braut hier zu treffen; es sah fast aus, als ob es nicht zum
erstenmal geschähe. Trotzdem aber hatte er alle Ukühe, sein
Gesicht in dcn angenehmen regelmäßigen Formen zu erhalten,
durch dic es von Ututter Natur ausgezeichnet war, denn vicl
fehlte gerade nicht, daß es aus den Fugen gegangen wäre vor
Bergnügen.
„Grüß Dich," rief er mit seiner lauten fröhlichen Stimme,
„und betrachte Dich einstweilen zehntausendmal geküßtl Ich
wollte, wir wärcn im wald, im schönen, grünen Forst," fügte
er etwas leiser hinzu und drückte ihr die kjand, daß die Glares
bedenklich zu krachen begannen. „Schau nur einmal den wunder-
baren Tag an, und da setzt sich so ein dalketes Dirndl zu einem
alten, abgeblaßten Frauenzimmer hinauf — xfui, Ljasl"
„Ia, schau Ukax," antwortete Iulchen, indem sie schmollend
das Näschen in die lhöhe zog und die Bberlippe so weit hob,
daß man die feinen kleinen Perlcn der Zähne schimmern sah,
„glaubst Du, mir ist das ein Vergnügcn? Gerade so gut könnt'
ich sagen, Du gehst gerne auf Dein Bureau. Ucbrigens scheint
es mir auch so," setzte sie scherzend dazu.
Lr zuckte mit den Achseln und schaute sie prüfend an.
„Du," sprach er langsam, wie eincr, der seiner Sache nicht
recht sicher ist, „hör mal Bchatz. Ich habe heut Putztag und
es liegt gar nichts daran, wenn ich heut schwänze. wenn Du
um fünf Uhr zn der alten Schachtel kommst, ist es auch noch
srüh genug. Nlagst nicht, gehcn wir ein wenig in den Park?"
Iulchen schüttelte energisch den Ropf. „was Dir nicht
alles einfiele," meinte sie halb entrüstet, halb lachend. „wenn
uns irgend jemand begegnete, — ich danke. jlapa und Mama,
alle Gnkel und Tanten crführen es. Schamloses Geschöxf wär'
uoch der mildeste Spruch, den ich zu hoffen hätte."
„Ach was, in drei Ntonaten sind wir Nlann und Frau . .
Ist denn das ein Verbrechen, wenn ich mit meiner Braut
spazieren gehe?"
Der boshafteLehrling oder das gcstörteMittagsfchtäfchen.
t
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Meggendorfer Blätter
Titel
Titel/Objekt
Der boshafte Lehrling oder das gestörte Mittagsschläfchen
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1903 - 1903
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Aufbewahrungsort (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 54.1903, Nr. 666, S. 151
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg