Bleggendorfer-Blätter, B'lünchen
lo2
„Natürlich nicht. Aber mein Gott — in Amerika kräht
kein thahn danach, das find eben vernünftige Leute, aber bei
uns gilt es einmal für unpassend. Aann ich es Lndern?"
Nun schwammen die beiden im richtigen Fahrwasfer. Lr
war im allgemeinen ein Feind dieser weiblichen Freiheitsideen,
sür die sie als modernes Nädchen schwärmte, und er ließ in der
Regel nur jene Ungebundenheit gelten, die ihm selbst zugute
kam. Das war ein beliebtes Unterhaltungsthema der beiden,
über das fie stundenlang sich necken konnten und sie verbissen
sich auch diesesmal wieder so sehr in ihren 5tosf, daß sie des
Iveges und der Zeit gar nicht achteten und zu ihrer gegen-
seitigen Ueberraschung xlötzlich am Parktore angelangt waren.
Iulie sträubte sich zwar ernstlich, aber sie brachte es doch
nicht zustande, seinem Bitten und seinem Betteln zu wider-
stehen und so betrat sie teils willig, teils einem mächtigen
inneren Zwange folgend, an seinem Arm den herrlichen Garten.
Sie wendeten sich sofort den stillen, wenig betretenen pfaden
zu, die links und rechts sich verzweigend, an einsamen, träu-
merischen Aaxellen und Pavillonen vorüberführen, über Brücken
sich hinziehen, um sich neuerdings zu verschlingen, sie wandelten
an wunderbaren Seen entlang, auf denen die stolzen Schwäne
ihre Kreise zogen, Seite an Seite schritten sie dahin in stummer
Seligkeit. Sie hatten keinen Blick sür die pracht und Schön-
heit, die sie in reichstsr Fülle umgab, zum mindesten drang sie
nicht in ihr Bewußtsein. vergebens sang die Drossel ihr süßes
Lied und hoch in den Lüsten die unermüdliche Lerche und ganz
umsonst warf die Sonne rosenroten Schimmer über die sxiegeln-
den Flächen oder zeichnete Streifen alten Goldes in das flüsstge
Silber der Gewässer . . . sie sahen nichts, sie hörten nichts von
alledem, sie schauten sich nur in die Augen und das dünkte ihnen
weit schöner zu sein, als aller Zauber rings um sie herum, und
wenn sie sxrachen, so sagten sie höchstens: ,Ich hab' Dich gern,
und ,Du bist mein' und das freute sie mehr als alle Gesänge
und alle Wortc der Melt.
Und ab und zu blieben sie stehen und küßten stch heimlich
und verstohlen und sie erschrak dann und fuhr leicht zusammen,
wenn eine Amsel durch das dürre Laub huschte.
Aeine Seele trafen sie unterwegs und das machte sie kühn.
Ls war zwar bereits halb sünf Uhr, als fie am Ausgang des
Parkes standen und dennoch zögerten ste, ob sie nicht noch ein-
mal zu einem Rundgang sich entschließen sollten. Während
sie darüber berieten, fiel ihm plötzlich etwas noch kfübscheres ein.
„Ich hab' schrecklich Durst und bfunger; da drüben, ganz in der
Nähe, ist ein Wirtshaus, komm mit, Iulchen, wir trinken ein
Glas Bier. Ich kenne den Garten, es ist sicherlich kein Ukensch
da, außerdem haben ste eine Laube dort, wo wir so ungeniert
sind wie in einer Blockhütte."
Iulchen stutzte wohl und wehrte sich eine lVeile. vom
Glück aber, das sie bisher begünstigte, nicht minder berauscht
als vom Reiz des Verbotenen hingerissen, schlug sie alle Be-
denken in den Wind und trat, hochkloxsenden kferzens zwar,
aber äußerlich kühl und entschlossen in den schattigen Raum.
Er hatte recht. Die Laube lag hinten in der Lußersten Lcke,
und ste überzeugte sich, daß kein neugieriges Auge sie erspähen
konnte.
!Vohl errötete sie ein wenig, als sie die sorschenden Blicke
der Rellnerin auf sich gerichtet fühlte, das verlor sich aber bald,
und das Vergnügen, dicht an seiner Seite zu sitzen — zum ersten-
mal allein — überwältigte sie so stark, daß sie oon Mutwillen
und Ausgelassenheit sxrühte. Und gar erst, als sie einige
Schluck Bier, das ste nicht gewöhnt war, getrunken hattel
Alles, was fie tat, nahm einen unerhörten Reiz an, die ge-
Voshaft.
Frieda: „Das Reformkleid steht Dir nicht besonders, es macht Dich häßlicher."
Lmma: „So? Djr steht es aber ausgezeichnet! Dich macht es etwas hübscher.
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„Natürlich nicht. Aber mein Gott — in Amerika kräht
kein thahn danach, das find eben vernünftige Leute, aber bei
uns gilt es einmal für unpassend. Aann ich es Lndern?"
Nun schwammen die beiden im richtigen Fahrwasfer. Lr
war im allgemeinen ein Feind dieser weiblichen Freiheitsideen,
sür die sie als modernes Nädchen schwärmte, und er ließ in der
Regel nur jene Ungebundenheit gelten, die ihm selbst zugute
kam. Das war ein beliebtes Unterhaltungsthema der beiden,
über das fie stundenlang sich necken konnten und sie verbissen
sich auch diesesmal wieder so sehr in ihren 5tosf, daß sie des
Iveges und der Zeit gar nicht achteten und zu ihrer gegen-
seitigen Ueberraschung xlötzlich am Parktore angelangt waren.
Iulie sträubte sich zwar ernstlich, aber sie brachte es doch
nicht zustande, seinem Bitten und seinem Betteln zu wider-
stehen und so betrat sie teils willig, teils einem mächtigen
inneren Zwange folgend, an seinem Arm den herrlichen Garten.
Sie wendeten sich sofort den stillen, wenig betretenen pfaden
zu, die links und rechts sich verzweigend, an einsamen, träu-
merischen Aaxellen und Pavillonen vorüberführen, über Brücken
sich hinziehen, um sich neuerdings zu verschlingen, sie wandelten
an wunderbaren Seen entlang, auf denen die stolzen Schwäne
ihre Kreise zogen, Seite an Seite schritten sie dahin in stummer
Seligkeit. Sie hatten keinen Blick sür die pracht und Schön-
heit, die sie in reichstsr Fülle umgab, zum mindesten drang sie
nicht in ihr Bewußtsein. vergebens sang die Drossel ihr süßes
Lied und hoch in den Lüsten die unermüdliche Lerche und ganz
umsonst warf die Sonne rosenroten Schimmer über die sxiegeln-
den Flächen oder zeichnete Streifen alten Goldes in das flüsstge
Silber der Gewässer . . . sie sahen nichts, sie hörten nichts von
alledem, sie schauten sich nur in die Augen und das dünkte ihnen
weit schöner zu sein, als aller Zauber rings um sie herum, und
wenn sie sxrachen, so sagten sie höchstens: ,Ich hab' Dich gern,
und ,Du bist mein' und das freute sie mehr als alle Gesänge
und alle Wortc der Melt.
Und ab und zu blieben sie stehen und küßten stch heimlich
und verstohlen und sie erschrak dann und fuhr leicht zusammen,
wenn eine Amsel durch das dürre Laub huschte.
Aeine Seele trafen sie unterwegs und das machte sie kühn.
Ls war zwar bereits halb sünf Uhr, als fie am Ausgang des
Parkes standen und dennoch zögerten ste, ob sie nicht noch ein-
mal zu einem Rundgang sich entschließen sollten. Während
sie darüber berieten, fiel ihm plötzlich etwas noch kfübscheres ein.
„Ich hab' schrecklich Durst und bfunger; da drüben, ganz in der
Nähe, ist ein Wirtshaus, komm mit, Iulchen, wir trinken ein
Glas Bier. Ich kenne den Garten, es ist sicherlich kein Ukensch
da, außerdem haben ste eine Laube dort, wo wir so ungeniert
sind wie in einer Blockhütte."
Iulchen stutzte wohl und wehrte sich eine lVeile. vom
Glück aber, das sie bisher begünstigte, nicht minder berauscht
als vom Reiz des Verbotenen hingerissen, schlug sie alle Be-
denken in den Wind und trat, hochkloxsenden kferzens zwar,
aber äußerlich kühl und entschlossen in den schattigen Raum.
Er hatte recht. Die Laube lag hinten in der Lußersten Lcke,
und ste überzeugte sich, daß kein neugieriges Auge sie erspähen
konnte.
!Vohl errötete sie ein wenig, als sie die sorschenden Blicke
der Rellnerin auf sich gerichtet fühlte, das verlor sich aber bald,
und das Vergnügen, dicht an seiner Seite zu sitzen — zum ersten-
mal allein — überwältigte sie so stark, daß sie oon Mutwillen
und Ausgelassenheit sxrühte. Und gar erst, als sie einige
Schluck Bier, das ste nicht gewöhnt war, getrunken hattel
Alles, was fie tat, nahm einen unerhörten Reiz an, die ge-
Voshaft.
Frieda: „Das Reformkleid steht Dir nicht besonders, es macht Dich häßlicher."
Lmma: „So? Djr steht es aber ausgezeichnet! Dich macht es etwas hübscher.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Meggendorfer Blätter
Titel
Titel/Objekt
Boshaft
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Bildunterschrift: Frieda: "Das Reformkleid steht Dir nicht besonders, es macht Dich häßlicher." / Emma: "So? Dir steht es aber ausgezeichnet! Dich macht es etwas hübscher."
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1903
Entstehungsdatum (normiert)
1898 - 1908
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Aufbewahrungsort (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 54.1903, Nr. 666, S. 152
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg