Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Meggendorfer-Blätter: Meggendorfer-Blätter — 54.1903 (Nr. 654-666)

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.16704#0157
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zeitschrift für t)uinor unü Aunsl

f53

Atoderne Linder.

Aarlchen: „Ella, hast Du ein kserz für mich?"

Llla: „O ja."

Aarlchen: „So gib mir den Auchen."

Llla: „Ach Gott, ich dachte, Du wolltest mich cinnial heiraten!"

wöhnlichsten Dinge verklärten
sich und es schien ihr so, als ob
sie vorher nicht oder nur wie
im Traume gelebt hätte. Sie
erinnerte sich niemals mit ähn-
lichen Gefühlen ein Butterbrot
gestrichen zu haben, und es schien
ihr sehr sxaßhaft, wie so ge-
wöhnliche alltägliche Verrich-
tungen mit einem Schlage ein
völlig verändertes Aussehen an-
nahmen. Und ihre Laune steckte
ihn sichtlich an, dermaßen, daß
sie sich wie zwei Ainder auf-
führten. Sie fütterte ihn und
er schnaxxte jedesmal nach ihrer
Lsand und immer wieder stieß
sie einen leisen Schreckensschrei
aus und zupfte ihn so lange am
Vhr, bis er wieder wie ein
hungriger Spatz den Schnabel
ausriß und um eine Brosame
bettelte. Dann lachte sie, daß ihr
die Tränen über die lVangen
liefen und nannte ihn ihr „liebes,
süßes Lsi", was sie natürlich
mit ungezählten Aüssen zu büßen
hatte.

Und mitten unter diesen
Tollheiten setzte sie dann xlötz-
lich wieder eine sehr ernste Miene
auf, hielt ihm eine Standrede
über sein Benehmen und teilte
ihm mit, daß sie seine Vertrau-
lichkeiten in der Veffentlichkeit
nicht länger dulden und sich von
ihm weg setzen werde, wenn er sich nicht artiger betragen
würde. bsierüber lachte hinwiederuni er so lange, bis ihm sein
Zwicker von der Nase fiel, den sie ini Flug erhaschte und ihm
vorenthielt, weil er ihn angeblich doch nur dazu mißbrauchte,
andere hübsche Uiädchen zu fixieren.

Und als er sie zum Schlusse bat, ob sie es gnädigst gestatten
wollte, daß er eine Zigarette sich anstecke, machte sie ihn darauf
aufmerksam, daß sie es nur dann erlauben könne, wenn er sie
so rauche, wie sie es von den Schusterbuben gesehen habe, die
diesen Genuß gemeinsam zu betreiben xflegen. Zug um Zug
müsse gewechselt werden, damit er sich überzeuge, wie unange-
nehm ein Uiund rieche, der mit griechischem Tabak in Berührung
gekommen sei.

Das übte aber auf den robusten Niann durchaus keine ab-
schreckende UUrkung aus, im Gegenteil, er konnte anscheinend
zu gar keiner Lntscheidung gelangen und begehrte immer wieder
im Namen der Wissenschaft nach einer neuen Probe.

Lange genug hatten die Götter, die bekanntlich neidig sind,
auf das bißchen menschliche Glück, dem Id^ll zugeschaut und
irgend einer beschloß nunmehr, ihm ein jähes Lnde zu bereiten.
Und er entblödete sich nicht, dem dicken Rechnungsrat, der den
Stock über Brands bewohnte, ins Vhr zu slüstern, er solle, anstatt
im Sonnenbrand sxazieren zu laufen, seine noch dickere Lhe-
hälfte in den naheliegenden Garten zu einem kühlen Liter ge-
leiten. Zugleich lenkte es dieser offenbar boshafte Gott so listig,
daß im selben Augenblick, wo das behäbige Paar zwischen den
Aastanien sich hindurchschob, Iulchen den hübschen Aopf durch
das weinlaub steckte und zu ihrem namenlosen Schrecken diese

Bekannten entdeckte, deren Redseligkeit die Mirkung eines
Inserats in den gelesensten Ieitungen noch erklecklich übertraf.

Ium größten Glück schauten die beiden nicht in die Laube,
sondern ließen sich nicht weit davon an einem kleinen Tische nieder.

Flüsternd, mit vor bebender Angst halb gelähmter Stimme
teilte Iulie ihreni Bräutigam das Unglück mit. Der glaubte
es vorerst gar nicht, daß es einen so tückischen Zufall geben
könnte, setzte seinen Aneifer zurecht und lugte vorsichtig hinaus.
Leider, es war so und es unterlag nnn keinem Zweifel mehr,
sie saßen in einer richtigen, regelrechten Dachsfalle. Nun xrüfte
er, von ihren angstvollen Blicken gefolgt, den bsintergrund der
Laube, der aus einer hohen planke bestand — es gab keine Rettung.

Nun saßen sich die beiden ertaxpten Schwerverbrecher wort-
und lautlos gegenüber und suchten aus ihren Utienen irgend
einen Trost zu schöxfen. Aber es war keiner darin, kein Trost,
nicht einmal ein Gedanke von einem solchen. Was ihnen
entgegenstarrte war die bare ksilflosigkeit.

Der Dicke draußen bestellte deutlich hörbar zwei Utaß Bicr
und zwei gebratene bfaxen, was auf eine gemütliche Seßhaftig-
keit schließen ließ, die keineswegs dazu beitrug, den bsumor der
beiden bsäftlinge zu erhöhsn.

„Du, kseinrich," flötete jetzt die Rätin, „findest Du nicht
auch, daß es da zieht? Wollen wir nicht in die Laube gehen?"

„kvie, traue Dir," zischte der Assesor leise und ballte
zornig die Faust, worüber Iulchen trotz ihres Iammers beinahe
hätte lachen müssen. Angenehmerweise fühlte Lseinrich keine
Lust, schon wieder aufzustehen, und verschob dieses schwierige
Geschäft bis nach dem Lssen.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
Moderne Kinder
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Bildunterschrift: Karlchen: "Ella, hast Du ein Herz für mich?" / Ella: "O ja." / Karlchen: "So gib mir den Kuchen." / Ella: "Ach Gott, ich dachte, Du wolltest mich einmal heiraten!"

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Ade, Mathilde
Entstehungsdatum
um 1903
Entstehungsdatum (normiert)
1898 - 1908
Entstehungsort (GND)
Esslingen am Neckar

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Kind
Kindermund
Kuchen
Missverständnis
Natur
Ente

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Aufbewahrungsort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 54.1903, Nr. 666, S. 153

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen