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Meggendorfer-Blätter — 55.1903 (Nr. 667-679)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16705#0016
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(2

^Neggendorfer-Blätter, 2Nünchen

Mßtrauen.

^^wei gute Menschen kommen sich entgegen
Auf einem Pfade, einsam und entlegen,

Und siehe, statt zu danken dem Geschick,

Sehn sie sich an mit scheuein Seitenblick,

Und jeder denkti „Bin wehrlos und allein —

Der andre könnte ja ein RLubec seinl"

Das ist die schwarze Saat der Ungerechteni

Sie brandmarkt gleich die Guten wie die Schlechten.

W.

Der gefcheiie DackL.

a, meine bjerren, mein Dackl hat's hinter den Bhren; so-
gar meine Schwiegermutter hat der Aerl dranzukriegen
gewußt.

Fuhr da einmal mein liebes Lhegesxons irgendwohin auf
längeren Besuch. Auf so ein bißchen strohwitwerliche Freiheit hatte
ich schon lange gespitzt. Aber siehe dal Am Bahnhofe nötigt mir
die Friederike den feierlichen Schwur ab, daß ich
jeden Tag pünktlich um acht Uhr abends zu Ljause
sein werde. Sie können sich denken, daß ich
daraufhin nicht gerade in rosigster Stimmung den
Heimweg antrat. In meinem Mißmut wäre ich
vielleicht sogar beim ,Braunen Bären^ ahnungs-
los vorübergetrapxt, wenn mich nicht der Mirt
bemerkt und mit der Frage aufgehalten hätte, ob
ich denn heute gar keinen Durst habe, daß ich
nicht einmal mein Stammwirtshaus sähe.

Ia, Durst hatte ich, einen Ljöllendurst. Der
Abschied hatte mir verdammt warm gemacht; und
da übrigens dem björensagen nach des Bärenwirts
Ljofbräu ein ganz vorzügliches Nittel gegen Ge-
mütsverstauchungen sein sollte, so beschloß ich,
die Wunderwirkung desselben an einem, höchstens
zwei Glas zu erxroben. Zu mehr reichte die
Ieit nicht; es war sast sieben Uhr und um acht
Uhr hatte ich ja schwurgemäß zu kjause zu sein.

Das erste Glas war bald geleert und auch
das zweite ging schon stark zur Neige; die Wand-
uhr zeigte bereits halb acht; aber der Durst
und die üble Laune waren immer noch da. Nteine Stainm-
tischbrüder hatten es mittlerweile aus mir herausgekitzelt,
warum ich gar so ein bärbeißiges Gesicht machte, und ließen
es nun an allerhand spitzigen Bemerkungen nicht fehlen. Line
Nleile ließ ich mir dieselben ruhig gefallen; aber als man mich
schließlich zu einem kleinen Skat einlud, da wurde mir die
Ljänselei doch zu dumm. „kjol's der Teufel!" rief ich, mit der
geballten Faust auf den Tisch schlagend, daß die Gläser klirrten,
„früher oder sxäter breche ich den Schwur ja doch; kjerr kvirt,
ein frisches Bierl Ich bleibe da."

Gab das ein kjallol Meine Iechgenossen übertrumpften
einander förmlich mit Beifallsbezeugungen; mir aber war auf
einmal selig und wohl zu Mute wie noch nie; und als gar mein
Skatbruder und Leidensgenosse Schmiermann — Leidensgenosse
insofern, als auch ihin nach froh verlebten Stunden die Nacht-
ruhe von seiner besseren lhälfte mit nicht enden wollenden Gar-
dinenpredigten gewürzt zu werden psiegt — mich ob meiner
heroischen Auflehnung gegen weibertyrannei als bjelden des
Abends zu seiern anhub, da wurde es mir klar, daß nur derjenige
den Freudenbecher feuchtfröhlichen Beisammenseins so recht mit

Der gescheite Dackl.

Ljerzenslust zu lehren versteht, dem Gott sein sanftes weib weit
weg in die Welt geschickt hat.

Wenn nur der Schmiermann nicht gar so lang geredet hättel
Schon mehrmals hatte ich in der sicheren Lrwartung, daß das
kjoch-hoch-hoch nun endlich da sei, mir den Bart vor dem Munde
weggestrichen, dabei jedesmal einen verlangenden Blick nach dem
wohlgefüllten Glase werfend; doch Schmiermann hatte seinem
Sermon immer noch etwas hinzuzufügen. Aber schließlich mußte
doch einmal das Lnde kommen, und es kam, aber anders, als
ich es mir vorgestellt hatte.

Der Redner sxrach mit erhobener Stimme: „Und so fordere
ich Sie denn auf, meine kjerren" — die Angeredeten wischten
sich den Mund; ich tat desgleichen — „mit mir einzustimmen in
den Ruf:" — alle griffen nach den Gläsern; ich selbstverständlich
auch — „Unser Freund und" — „bjeiliger kjubertus," entfuhr
es da meinen schreckensbleichen Lippen, „der bjut meiner Schwieger-
mutterl"

In der halb geösfneten Türe stand, in Schweiß gebadet,
mein Dackl und schwenkte das mir leider nur zu gut bekannte

romantische Aopfbedeckungsmittel der Gefürchteten in ausgelas-
sener Freude hin und her. Bhne für das noch immer seiner
durststillenden Bestimmung harrende Glas Bier vor mir auch
nur noch einen Blick übrig zu haben, eilte ich, verfolgt von
ironischen Ljochrufen meiner schadenfrohen Stammtischbrüder,
schnurstracks in meine Behausung, wo ich zur größten verwun-
derung meiner Schwiegermutter Schlag acht Uhr ankam.

Das Zeugnis musterhafter pünktlichkeit, das sie mir aus-
stellen mußte, habe ich nur meinein braven Dackl zu verdanken.
Meine Frau hatte mit ihrer Ukama verabredet, daß letztere hie
und da ein wenig nachschauen solle, ob die gewährte Ausgangs-
frist auch gewissenhaft eingehalten werde, und diese war gleich
am Abschiedstage zu einer solchen Inspizierung eingetroffen.
Da sie sich meine Abwesenheit zunutze machte, um im Ljause
nach Anlässen für liebevolle Lrmahnungen herumzuspüren, hatte
der jdfiffikus da Gelegenheit gefunden, ihren bjut zu stehlen und
mir als warnungszeichen vor der drohenden Gefahr eines
schwiegermütterlichen Gewittersturmes zu überbringen.

Sie sehen also, meine Ljerren, mein Dackl ist wirklich ein
viecherl, zu dem man „Sie" sagen muß. Airderl.

verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
In Besterreich-Ungarn für kjerausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in wien I.
Verlag von I. F. Schrribrr in Miinchrn und Cßlingrn.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
Der gescheite Dackel
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Engelhard, Paul Otto
Entstehungsdatum (normiert)
1903 - 1903
Entstehungsort (GND)
Esslingen am Neckar

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Dackel
Stammtisch
Mann
Frau
Damenhut

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Aufbewahrungsort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 55.1903, Nr. 667, S. 12
 
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