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Zeitschrift für Humor und Aunft

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üblen Lindruck; bei näherem tchnsehen aber sprachen die roten,
steifen Lsaarbüschel nicht sehr zu seinen Gunsten. Bei wenigen
Lympathien hatte er eine bitterböse Feindin — ksörmanns Grete,
die ihn wegen seiner unablässigen und widerlichen Liebes-
werbungen nicht ausstehen konnte. Nun war er drüben,
wo die Spur des Raubwildes im langen Ried verschwand.

»Wieder zu spät gekommenl" brummte er geärgert,
nicht ahnend, daß er auch auf eine zweite Fährte etwas
zu spät geraten war.

Gleich darauf war die lhalde wieder menschenleer.

Ein xaar lsasen setzten sich neugierig auf die lsinter-
beine und machten Männchen hinter dem Fortschreiteu-
den. Dann breitete der Abend seiue grauen Schleier aus.

Ls war ein prächtiger Frühlings-Sonntagsmorgen.
5cheltend humxelte der alte, noch immer kräftig scheinende
Förster vor das waldumkränzte lsaus. Gerade heute,
da Durchlaucht angemeldet war, mußte ihn das Zixxer-
lein, diese höllische Guittung über feuchtfroh verlebte
2tunden, wieder ungewöhnlich quälen. lveil er aus
diesem Grunde den anftrengenden Dienst im großen
Bergreviere oft nicht mehr hinreichend versehen konnte,
hatte ihm der einsichtige Fürst eine lfilfskraft beigestelltz
die in Person des erwähnten Forstxraktikanten eben eiue
fdrobezeit abdiente. Bruno lNüller, so hieß der ver-
heißungsvolle lveidmann, sollte heute dem Iagdherrn
vorgestellt werden und ihn — da die Rehböcke schon verfärbt
hatten, gleichsam um seine Lignung zu beweisen, auch auf den
Anstand führen. Im Forsthause war schon zeitig alles blank
geputzt und gescheuert. Grete waltete an Stelle der schon vor
langen Iahren verstorbenen Mutter als lsausfrau und zwar in
mustergültiger lveise. Am frühen Vormittage saß sie in
ihrem kleinen Dachstübchen und schrieb, während die
durch das ofsene Fenster eindringenden Sonnenstrahlen
alle Lcken durchsuchten, ein duftendes rosafarbiges
Brieflein. Die Adresse aber war die des rothäuptigen
Iagdpraktikanten. Draußen schüttelten die Tannen darob
verachtungsvoll ihre lvipfel.

V ewige lVeiberfalschheit! — — —

lllittag war vorüber. Am Berge obeu lag lsubert
im schwellenden Grase und xfiff sich ein lustiges Liedel.

Als unten im Dorfe die Glocke das Zeichen zur Nach-
mittagsandacht gab, stellte er seinen musikalischen Ieit-
vertreib, der ihn verraten konnte, ein. Dafür ahmte cr
nun zeitweilig und nicht ohne Geschick den Ruf des
Auckucks nach und leitete dadurch Gretel, die kurz darauf
erschien, auf seine Spur. lNit dem Gebetbuche in der
ksand war sie von lsause weggegangen und hatte da-
durch den Glauben erweckt, sie ginge zur Airche. Die
Begrüßung war nicht für die Geffentlichkeit berechnet.

Langsam schritten sie darauf den lvald herab und je
näher sie der wohlbekannten lsolzknechtshütte kamen,
desto vorsichtiger wurden sie. Ltwa fünfzig Schritte
vor derselben blieb Gretel zurück, während lsubert, der
durch das Gebüsch vorzügliche Deckung fand, sich dicht
an das Blockhaus heranxürschte.

Nichts rührte und regte stch.

plötzlich öffnete sich leise die Tür der lfütte. Nach allen
5eiten spähend, trat der rote lllüller über die Schwelle. Die
Flinte hatte er in der lhütte zurückgelassen. Gleich nach Gretes
Lortgang hatte er sich vom Lorsthause entfernt. Durchlaucht

war erst für fünf Uhr abends angemeldet und da wollte er, wie
er angab, vorher noch einen Ldelmarder ausspüren.

Linen Ldelmarderl — Auf einer jungen Fichte nebenan
pfiff ein dummer, blutroter Gimpel. — —

lliüller zog das zarte Brieflein, das ihn zum Stell-
dichein lud, und überflog es nochmals triumphierenden
Blickes.

„Lange wird es wohl ninimer dauern," sagte er
zu sich selbst, als unten alle Glocken der Dorfkirche ein-
setzten.

Gehorsam zog er sich in die lfütte zurück, um der
lveisung gemäß im Inneru zu warten.

Schon vermeinte er leichte Tritte zu hören, — da
wurde außen der mächtige lsolzriegel vorgeschoben und
gleich darauf kreischte der Schlüssel im Schlosse.

Der Lingeschlossene, der die Schändlichkeit des An-
schlages nicht ahnte, meldete sich sofort und verlangte,
daß geöffnet werde. Natürlich kehrte sich der llebeltäter
nicht daran, sondern kehrte längs der fensterlosen Seitc
der lfütte ohne alles Aufsehen in den lvald zurück.

Noch einige lvorte wechselten lsubert und Grete
im Flüstertone, dann eilte das nußbraune lllägdlein
schnellfüßig in der Richtung gegen das Forsthaus davon,
um den Lmpfang des Fürsten nicht zu versäumen.

Der große Streich war gelungen.

Der Liugekerkerte beschäftigte sich wetternd und
fluchend mit vergeblichen Ausbruchsversuchen; von dem
Gepolter erschreckt, suchte der sanglustige Gimxel eilig
das lveite.

lfubert ließ sich nicht ferne von der lhütte gemächlich nieder,
um eine eventuelle programmwidrige Befreiung des Gefangenen
rechtzeitig zu verhindern. Ls war aber nicht nötig, denn weit
und breit war niemand zu sehen und vor den Drohungen und
Schimpfwortcn schreckten die Riegel nicht zurück.

Im Forsthause schimpfte auch einer. lsörmann war
wütend. Der Fürst mußte jeden Augenblick eintreffen,
und lliüller war noch immer nicht zurück. Grete traf
mit kindlicher Naivität und unbefangen, als ginge sie
die Sache gar nichts an, die letzten vorbereitungen zum
Lmpfange.

Da rollte auch schon der lvagen vor.

So schnell es seine widerspenstigen Beine erlaubten,
eilte lsörmann hiuaus nud bewillkommte den Iagdherrn.

„Also gar nicht zu lsause?!" wiederholte Seine
Durchlaucht, erstaunt über den Bericht des Försters. „Da
werden dann Sie, lieber ksörmann, schon die Güte
haben, mich zu führen."

lNit einem wehmütigen Blicke auf seine schmerzen-
den Lxtremitäten ergab sich der Alte in sein Geschick
und langsam schritt er darauf an der Seite des Fürsten
durch den lvald dahin. Lin ziemliches Stück vor der
heute zwangsweise bevölkerten ksolzhütte lenkten die
zwei dem unteren Rande der lvaldblöße zu, in deren
unterster Lcke letzter Zeit ein Aapitalbock wechselte.
Die Iäger nahmen einen geeigneten Standpunkt ein
und warteten.

lNüller hatte inzwischen in der lsütte oben, die vom Sitze
der beiden Nimrode ganz gut sichtbar war, nach Kräften gewütet.
Nach und nach hatte sich seiner eine nicht beneidenswerte Stim-
mung bemächtigt. Der Fürst mußte schon längst eingetroffen sein.
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
Die Probezeit
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsdatum
um 1903
Entstehungsdatum (normiert)
1898 - 1908
Entstehungsort (GND)
Esslingen am Neckar

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Vögel
Ast
Hütte
Wolf

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Aufbewahrungsort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 55.1903, Nr. 672, S. 69

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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