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Meggendorfer-Blätter, Blünchen
Idecir
wahrend seine jdhantasie ihm die unglaublichsten Ltreiche spielt
und er den schwarzen Nebenbuhler sörmlich aus dem 5piegel
herausgrinsen sieht.
jdaula war in bester Laune nach thause gekommen, hatte
tsut und Schirm weggeworfen und dann ein mitgebrachtes kleines
Paket sorgsam, fast zartlich in ihren Schreibtisch eingeschlosseiu
Dann lief sie in die Aiiche, guckte in die Töxfe, setzte sich hie-
rauf mit einem kräftigen Ruck an
den Tisch und lud die ältliche
Nlina, ihr treues Faktotum, zu
einer Beratung ein, mit welch
festlichem Speisezeitel man nächste
Moche den Geburtstag des lhaus-
herrn feiern könnte. Nlan muß
gestehen, wie sie da, mit den
Beinen schlenkernd, das Kochbuch
durchstöberte, machte sie entschie-
den keinen würdig frauenhaften,
aber noch weniger den Lindruck,
als ob ein schlechtes Gewissen sie
bedrückte. Und als ihr die Aöchin,
die sich ihres Alters wegen
manches erlauben durste, den
Norwurf machte, daß es von der
gnädigen Frau nicht schön sei, in
dem bereits aufgeräumten Zim-
mer so cine Mirtschaft zu machen
und den fdapierkorb umzuleeren,
da ging der durchaus nicht begrisf-
stuhigen Gnädigen ein Feuerwerk
auf und sie tanzte wie besessen
im Zimmer herum, das Bildnis
ihres Gatten dabei mit allen mög-
lichen zärtlichen Grobheiten apo-
strophierend.
Ls vergingen einige Tage,
ohne daß Lserr Theodor Miller
Gelegenheit gefunden hätte, seine Frau bei irgend etwas ver-
dächtigem zu ertappen. So sehr er das bsaus überwachte, in
welches sie damals verschwunden war, er sah sie nie mehr in
dessen Näho. Freilich konnte er nicht den ganzen Tag dort
Mache stehen, und wer weiß, ob ihr nicht jemand einen Wink
gegeben hatte, sich zu hüten; leichte Frauen sinden immer
kselfershelser. Der Lifersuchtsteufel bohrte und hämmerte in
ihm herum, daß er bald um den verstand kam. Seine besten
Stunden waren die, wenn er lhals über Aopf arbeiten mußte,
denn nur arbeiten war jetzt sein Trost. lllit Befriedigung über-
nimmt er den Stoß Briefe, den eben die Frühpost wieder ge-
bracht hat und dreht erstaunt einen derselben in den lhänden;
er sieht so gar nicht geschäftsmäßig aus nach Form und Farbe
des Auverts, und doch, Privatbriefe schreibt man ja nicht
mit der Nlaschine? lliit einem Ruck hat er den Brief geöffnet,
und jeder Blutstropfen weicht aus seinem Angesicht, während
er liesti
„Geehrter kserrl Lin verdacht raubt Ihnen seit einiger
Zeit die Gemütsruhe, doch sind Sie zu edel, um ohne Be-
rveise gegen die Schuldige aufzutreien. lvollen Sie Auf-
klärung und Gewißheit erlangen, so werden Sie dieselbe
morgen um elf Uhr vormittags in Ihrer lvohnung finden.
Lin aufrichtiger Freund."
„lllorgen elf Uhr," sagte er zähneknirschend, „morgen um
elf Uhr! Aber — der Brief ist ja gestern geschrieben, — also
heute, gleich, halb elf ist's, da ist keine Zeit zu verlieren. Na
warte, Gott sei euch gnädig,
erwürgen, erschlagen will ich den
Aerl, dieses Ideall"
Und mit Riesenschritten eilt
er seinem lfeim zu, bahnt stch
mit den Ellenbogen den lVeg
durch das Gedränge, taub und
blind für alles, was um ihn her
vorgeht, stürmt er die Stiege
hinauf und stürzt in das lVohn-
zimmer. 2llles leer noch, aber
auf dem Tisch steht ein Riesen-
strauß duftender Rosen und da-
neben liegt ein großes Auvert,
das in den Schriftzügen seiner
Frau seine Adresse trägt. „Der
Abschiedsbrief," durchfährt es
blitzschnell sein Gehirn, während
er mit bebenden Fingern den
Umschlag löst. Da — was ist
das? AllerhandSchriftstückefallen
heraus, darunter ein Ausschnitt
aus dem Annoncenteil einer Iei-
tung: „Gebrauchte, gut erhaltene
Schreibmaschine ,Ideall billig zu
verkaufen. Zlnfragenunter Lhiffre
Ideal Nr. gII an die Expedition."
Dann ein mit lNaschinenschrift
bedecktes Blatt — er traut sei-
nen Augen nicht; das ist ja der
verfluchte anon^me Brief — lvort für lvort —
„paula," ruft er und stürzt in das Nebenzimmer, „Paula,
o ich alter — "
„Lsel," ergänzt lachend seine Frau und zieht ihn am llermel
zum Schreibtisch, wo sie ein weißes Tuch von einem mit Blumen
bekränzten Gegenstand herabzieht: „Lrlaube mir vorzustellen'
mein Ideal," knixt sie und tippt dann mit komischem Seufzer
ihrem Gatten auf die Stirn.
„Was soll ich Dir nur für eine Strafe diktieren, Du
Ungeheuer? Aalte Dusche und Aneippgüsse sollen ein gutes Vor-
beugungsmittel sein bei beginnenden Defekten in dieser Gegend,
glaubst Du nicht?"
Das „Ideal" steht iin Bureau, und Frau jdaula klappert
eifrig darauf Geschäftsbriefe. lferr Theodor lliiller macht wieder
ein Gesicht wie an seinem lfochzeitstage, und wenn die beiden
glückstrahlend 2lrm in Arm auf dem lveg ins Bureau vorüber-
gehen, so sagt die Nachbarin achselzuckend:
„So ein verliebtes Getue, bin neugierig, wie lang das
dauern wird!"
Drigineller Heiratsantrag.
„lNein Fräulein, wenn Sie auf einem so kloinen
Fuße leben wollen, als Sie einen haben, würdo ich es
wagen, um Ihre lfand zu bittenl"
Äin gutes Kind.
Schlosserlehrling: „vater, wenn Du der lNutter nix
sagst, daß ich den Topf zerbrochen hab', dann mach' ich Dir zu
Deinem Geburtstage 'nen kfausschlüssel."
Wefcitigte Ärinnerungen.
Neugeadelter Bankier <Zll seiner Zrau, die zum Zahnarzt wiH) I
„Laß' Dir nur all die defekten Zähne ziehen, sie stammen ja
ohnehin alle aus unseror bürgcrlichen Zcit."
Meggendorfer-Blätter, Blünchen
Idecir
wahrend seine jdhantasie ihm die unglaublichsten Ltreiche spielt
und er den schwarzen Nebenbuhler sörmlich aus dem 5piegel
herausgrinsen sieht.
jdaula war in bester Laune nach thause gekommen, hatte
tsut und Schirm weggeworfen und dann ein mitgebrachtes kleines
Paket sorgsam, fast zartlich in ihren Schreibtisch eingeschlosseiu
Dann lief sie in die Aiiche, guckte in die Töxfe, setzte sich hie-
rauf mit einem kräftigen Ruck an
den Tisch und lud die ältliche
Nlina, ihr treues Faktotum, zu
einer Beratung ein, mit welch
festlichem Speisezeitel man nächste
Moche den Geburtstag des lhaus-
herrn feiern könnte. Nlan muß
gestehen, wie sie da, mit den
Beinen schlenkernd, das Kochbuch
durchstöberte, machte sie entschie-
den keinen würdig frauenhaften,
aber noch weniger den Lindruck,
als ob ein schlechtes Gewissen sie
bedrückte. Und als ihr die Aöchin,
die sich ihres Alters wegen
manches erlauben durste, den
Norwurf machte, daß es von der
gnädigen Frau nicht schön sei, in
dem bereits aufgeräumten Zim-
mer so cine Mirtschaft zu machen
und den fdapierkorb umzuleeren,
da ging der durchaus nicht begrisf-
stuhigen Gnädigen ein Feuerwerk
auf und sie tanzte wie besessen
im Zimmer herum, das Bildnis
ihres Gatten dabei mit allen mög-
lichen zärtlichen Grobheiten apo-
strophierend.
Ls vergingen einige Tage,
ohne daß Lserr Theodor Miller
Gelegenheit gefunden hätte, seine Frau bei irgend etwas ver-
dächtigem zu ertappen. So sehr er das bsaus überwachte, in
welches sie damals verschwunden war, er sah sie nie mehr in
dessen Näho. Freilich konnte er nicht den ganzen Tag dort
Mache stehen, und wer weiß, ob ihr nicht jemand einen Wink
gegeben hatte, sich zu hüten; leichte Frauen sinden immer
kselfershelser. Der Lifersuchtsteufel bohrte und hämmerte in
ihm herum, daß er bald um den verstand kam. Seine besten
Stunden waren die, wenn er lhals über Aopf arbeiten mußte,
denn nur arbeiten war jetzt sein Trost. lllit Befriedigung über-
nimmt er den Stoß Briefe, den eben die Frühpost wieder ge-
bracht hat und dreht erstaunt einen derselben in den lhänden;
er sieht so gar nicht geschäftsmäßig aus nach Form und Farbe
des Auverts, und doch, Privatbriefe schreibt man ja nicht
mit der Nlaschine? lliit einem Ruck hat er den Brief geöffnet,
und jeder Blutstropfen weicht aus seinem Angesicht, während
er liesti
„Geehrter kserrl Lin verdacht raubt Ihnen seit einiger
Zeit die Gemütsruhe, doch sind Sie zu edel, um ohne Be-
rveise gegen die Schuldige aufzutreien. lvollen Sie Auf-
klärung und Gewißheit erlangen, so werden Sie dieselbe
morgen um elf Uhr vormittags in Ihrer lvohnung finden.
Lin aufrichtiger Freund."
„lllorgen elf Uhr," sagte er zähneknirschend, „morgen um
elf Uhr! Aber — der Brief ist ja gestern geschrieben, — also
heute, gleich, halb elf ist's, da ist keine Zeit zu verlieren. Na
warte, Gott sei euch gnädig,
erwürgen, erschlagen will ich den
Aerl, dieses Ideall"
Und mit Riesenschritten eilt
er seinem lfeim zu, bahnt stch
mit den Ellenbogen den lVeg
durch das Gedränge, taub und
blind für alles, was um ihn her
vorgeht, stürmt er die Stiege
hinauf und stürzt in das lVohn-
zimmer. 2llles leer noch, aber
auf dem Tisch steht ein Riesen-
strauß duftender Rosen und da-
neben liegt ein großes Auvert,
das in den Schriftzügen seiner
Frau seine Adresse trägt. „Der
Abschiedsbrief," durchfährt es
blitzschnell sein Gehirn, während
er mit bebenden Fingern den
Umschlag löst. Da — was ist
das? AllerhandSchriftstückefallen
heraus, darunter ein Ausschnitt
aus dem Annoncenteil einer Iei-
tung: „Gebrauchte, gut erhaltene
Schreibmaschine ,Ideall billig zu
verkaufen. Zlnfragenunter Lhiffre
Ideal Nr. gII an die Expedition."
Dann ein mit lNaschinenschrift
bedecktes Blatt — er traut sei-
nen Augen nicht; das ist ja der
verfluchte anon^me Brief — lvort für lvort —
„paula," ruft er und stürzt in das Nebenzimmer, „Paula,
o ich alter — "
„Lsel," ergänzt lachend seine Frau und zieht ihn am llermel
zum Schreibtisch, wo sie ein weißes Tuch von einem mit Blumen
bekränzten Gegenstand herabzieht: „Lrlaube mir vorzustellen'
mein Ideal," knixt sie und tippt dann mit komischem Seufzer
ihrem Gatten auf die Stirn.
„Was soll ich Dir nur für eine Strafe diktieren, Du
Ungeheuer? Aalte Dusche und Aneippgüsse sollen ein gutes Vor-
beugungsmittel sein bei beginnenden Defekten in dieser Gegend,
glaubst Du nicht?"
Das „Ideal" steht iin Bureau, und Frau jdaula klappert
eifrig darauf Geschäftsbriefe. lferr Theodor lliiller macht wieder
ein Gesicht wie an seinem lfochzeitstage, und wenn die beiden
glückstrahlend 2lrm in Arm auf dem lveg ins Bureau vorüber-
gehen, so sagt die Nachbarin achselzuckend:
„So ein verliebtes Getue, bin neugierig, wie lang das
dauern wird!"
Drigineller Heiratsantrag.
„lNein Fräulein, wenn Sie auf einem so kloinen
Fuße leben wollen, als Sie einen haben, würdo ich es
wagen, um Ihre lfand zu bittenl"
Äin gutes Kind.
Schlosserlehrling: „vater, wenn Du der lNutter nix
sagst, daß ich den Topf zerbrochen hab', dann mach' ich Dir zu
Deinem Geburtstage 'nen kfausschlüssel."
Wefcitigte Ärinnerungen.
Neugeadelter Bankier <Zll seiner Zrau, die zum Zahnarzt wiH) I
„Laß' Dir nur all die defekten Zähne ziehen, sie stammen ja
ohnehin alle aus unseror bürgcrlichen Zcit."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Meggendorfer Blätter
Titel
Titel/Objekt
Origineller Heiratsantrag
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Bildunterschrift: "Mein Fräulein, wenn Sie auf einem so kleinen Fuße leben wollen, als Sie einen haben, würde ich es wagen, um Ihre Hand zu bitten!"
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1903
Entstehungsdatum (normiert)
1898 - 1908
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Aufbewahrungsort (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 55.1903, Nr. 673, S. 82
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg