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Zeitschrift für Humor und Aunst

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„Gut! Ich nehme Ihre Einladung an; also heute abend
uni sieben im ,Schwarzen Kater'?"
„Gewiß l Ls wird ein genußreicher, froher Abend werden;
kommen Sie nur auch ja pünktlich, Herr Flockerl!" —- —
Als Herr Flockerl, der Haustyrann, am Nachmittag nach
Bureauschluß heimkehrte — nicht ohne daß er sich zuvor die
Schuhe gründlich abgestreift und gereinigt hatte — bot er seiner
Gattin einen freundlich-schüchternen „Guten Abend!" und ließ
sich in seinen Sorgcnstuhl nieder. Mhne seinen Gruß weiter
zu beachten, begann Frau Flockerl zu inquiriercn:
„Hast Dir die Schuh' gut ab'putzt, Raimund?"
„Ja, liebe Brigitta!"
„Warst fleißig heut' im Bureau?"
„B, freilich war ich fleißig, liebes Frauerll"
„Na, ich macht' Dir's auch nicht raten! — Hast von Deinen:
Taschengeld vielleicht wieder was aus'geben?"
„G nein! Wo denkst Du hin, teuerste —"
„Schon gut! Aber Du weißt, seit damals, wo Du Dir eine
Zigarre gleich um fünfzehn Pfennig kauftest, trau' ich Dir nimmer
recht über den weg. Fünfzehn Pfennige für eine ZigarreII
Mich schaudert's heute noch."
Herr Flockerl seufzte in sich hinein. Diese Fünfzehn-
Pfennig-Zigarre, welche er sich vor drei Jahren einmal in einer
Anwandlung jugendlichen Leichtsinnes gekauft hatte, bekam er
nun Tag für Tag in den verschiedenartigsten Variationen vor-
geworfen; er hätte nie gedacht, welche giftigen Nachwirkungen
dieses bißchen Nikotin haben werde. Doch, Kopf hoch! Heute
galt es, der Welt zu zeigen, daß er kein Pantoffelheld sei, daß
er auch einmal ins Wirtshaus gehen könne, wenn er nur wolle,
und — und seine Brigitte nichts dagegen habe. Ihr gerade-
aus zu sagen: heute abend gehe ich zum „Schwarzen Kater",
getraute er sich nicht.
Da galt es also, eine glaubwürdige Ausrede zu ersinnen,
die sein ungewohntes abendliches Fortgehen plausibel machen
konnte. Herr Flockerl sann hin und her. Endlich hatte er's!
Er nahm eine leidende Mene an, drückte sein Taschentuch an
die Wange und seufzte vernehmlich. Seine Gattin wurde auf-
merksam.
„was hast denn schon wieder, Du alter Krankensessel?"
fragte sie in ihrer liebevollen Weise.

„MH! MHI" stöhnte Flockerl, „mein rechter Augenzahn gibt
mir heut' schon den ganzen Tag keine Ruh'!"
„Ah, papperlapappl wird weiter was sein; ihr Männer
macht immer ein Wesen draus, wenn euch einmal etwas ein
bissel weh tut! Leg Dich ins Bett und deck Dich warm zu, Du
alte Schlafmütze; bis morgen früh ist alles wieder gut!"
„V nein! Ich halt's ja kaum aus vor Schmerzen und
könnt' die ganze Nacht nicht schlafen!" wimmerte Flockerl.
„Na zeig einmal, wo ist denn der wehe Kerl! . . . Was,
der ist's? Ja, der ist doch gar nicht einmal kariös!"
„Freilich nicht; aber wurzelkrank muß er sein. Ls ist das
beste, ich gehe gleich zum Doktor und laß mir ihn reißen!"
ächzte der Heuchler nut einen: Blick auf die Schwarzwälderuhr,
deren Zeiger schon auf ein halb sieben standen, und wollte nach
Hut uud Stock langen.
„Nein, Raimund!" kam es da messerscharf von den Lippen
seiner Frau, „Du bleibst! Zu solch spater Abendstunde geht ein
anständiger Ehemann nicht mehr allein auf die Gasse, wenn
ich angezogen wäre, würde ich Dir gerne das Mpfer bringen —
Du weißt, ich tue alles für Dich — und Dich zum Zahnarzt
begleiten; so werde ich denn das Mädchen um ihn schicken,
damit er Dir hier in: Hanse den Zahn reißt! . . . was, Du
wartest lieber bis morgen früh? — G nein, da wird nichts
draus! Damit Du mir vielleicht die ganze Nacht etwas vor-
jammerst, so wie vor zwei Jahren, wo Du das Wimmerl am
— am — Rücken hattest!"
„Aber liebe Brigitta," wehrte sich der arme Flockerl, „es ist ja
erst einhalb sieben; in längstens einer Stunde bin ich wieder dal"
„Nein, ich dulde dieses abendliche Fortgehen unter keinen
Umständen; Du bleibst, und Marie holt den Doktor Klans!"
Vernichtet sank der Unglückliche in sich zusammen. Ade,
Lrdbeerbowlel Ade, Du schöner guter Augenzahn!
Doch vielleicht ließ sich mit dem Doktor noch reden, um,
wenn schon nicht die Lrdbeerbowle, so doch wenigstens den
vollständig gesunden Zahn zu retten.
Brigitta, die besorgte Gattin, begann schon die „Schlacht-
bank" zuzurichten: sie stellte ein Lavoir und ein Glas Wasser
mit einigen Tropfen Essig darin, zum Mundausspülen bereit
und hängte ein Handtuch über die Stuhllehne. Aengstlichen
Blickes verfolgte Flockerl diese unheimlichen Zurüstungen, und

i9er bestrafte Vessimist.

„Was — schon wieder ein neues Vergnügungs-Etablisse-
ment?! . . Die Welt denkt heutzutage nur mehr —


ans Vergnügen! . ."
 
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