Zeitschrift für Humor und Aunsl
93
Der Kunstkenner.
Line lustige Geschichte von Paul Blitz.
I^^err Heinz Hartwig war Besitzer einer großen Strumpffabrik; er war
/ ein reicher Mann, denn nicht nur die Fabrik warf einen sehr beträcht-
1 lichen Nutzen ab, sondern auch das Heiratsgut seiner Frau trug eine
ansehnliche Rente ein.
So war also Herr Heinz Hartwig jeder gemeinen Not enthoben, und
wenn er nun trotzdem sich Sorgen machte, so lag das daran, daß die Gattin,
die teure, mit immer neuen Wünschen ihm zu schaffen machte.
Frau Therese wollte höher hinaus; das Getriebe des Alltagslebens
erschien ihr öde und grau; sie wollte sich und ihren Gatten in eine andere,
in eine höhere Sphäre hinaufführen, nämlich in die Regionen der Kunst.
Aber dies Wollen hatte selbst bei so reichen Leuten seine Schwierigkeiten.
Denn das Ehepaar wußte nicht nur keine einzige Kunst auszuüben, sondern
es verstand auch absolut nichts von der Kunst.
Dessenungeachtet aber wußte Frau Therese sehr genau, was sie wollte.
Sie hatte gehört und in Romanen gelesen und auch bei anderen Familien
gesehen, daß es reiche Leute für notwendig erachten, der Kunst ein gastfreies
Haus zu gewähren; und deshalb hielt auch sie es nun für unumgänglich not-
wendig, diese Mode mitzumachen.
Armer Heinz I
Um seine Ruhe war es geschehen, seit die Gattin es sich in den Kopf
gesetzt hatte, ihren Gästen stets die Tagesberühmtheiten der Kunst in ihren
Salons vorzuführen.
Tagaus, tagein führte sie den geplagten Mann umher, von einem
Atelier ins andere, von Ausstellung zu Ausstellung, vom Theater in den
Konzertsaal, treppauf, treppab, immer auf der Suche nach Berühmtheiten, die
man einladen könnte.
Und nicht nur das alleinl Nein, der gute Heinz mußte sein Interesse
für die Kunst auch praktisch betätigen. Er mußte in den Geldbeutel greifen,
tief, oft sehr tief und mußte kaufen, Bilder und Bilderwerke, alles, was Frau
Therese haben wolltet Und dann mußte er auch hier und da helfend bei-
springen, wo es galt einen Künstler zu unterstützen, vor allem dann, wenn
es die lieben Nachbarn erfuhren.
So wurde aus dem Strumpffabrikanten Heinz Hartwig nach und nach
ein Kunstmäcen. Und wenn auch die Künstler heimlich über die Torheiten
des reichen Ehepaares lächelten, man suchte ihr Haus doch immer auf, weil
man dort außerordentlich gut bewirtet wurde, und weil der gute Heinz fast
immer eine offene Brieftasche hatte.
Anfangs November feierte der Mäcen seinen fünfzigsten Geburtstag.
Und zu diesem Fest kamen alle Künstler des Kreises mit Angebinden und
Widmungen für das Geburtstagskind, so daß Herr Heinz und die teure Gattin
schier aufgelöst waren vor freudiger Ueberraschung.
Gegen Wittag kam auch Karl Weinhold mit seiner Gabe. Er war ein
junger Tiermaler, der trotz seiner enormen Begabung noch immer vergeblich
um die Anerkennung kämpfte. Er hatte ein kleines humorvolles Genrebild
gemalt, das er „Lin Kunstkenner" benannte; es stellte einen Schafbock dar,
der vor einem Bild, einer gemalten grasgrünen Wiese, bewundernd steht und
am liebsten das gemalte saftig grüne Gras auffressen möchte.
Als Herr Heinz Hartwig das Bild ansah, wußte er zuerst nicht, ob er
sich freuen oder ärgern sollte; im heimlichen Zweifel sah er das Bild, bald
auch seine Gattin an, als suche er bei ihr Beistand in dieser Ungewißheit.
Aber Frau Therese ging es nicht viel besser, auch sie wußte nicht, was
sie davon denken sollte; schließlich aber ermannte sie sich doch, betrachtete das
Bild durch ihr Lorgnon, und endlich sagte sie höflich, aber ein wenig kühl:
„Sehr nett, sehr wirkungsvoll und auch recht lebenswahr."
Als aber eine halbe Stunde später das Ehepaar allein war, trat Frau
Therese noch einmal vor das Bild hin und sah es lange und prüfend an,
und endlich schüttelte sie den Kopf, indem sie sagte: „Das Bild muß fort —
wir dürfen es nicht zeigen — wir machen uns lächerlich damit!"
Lin wenig erstaunt fragte der Gatte: „Aber weshalb denn nur,
Frauchen?"
Und sie nun lächelnd, überlegend: „Ja, merkst Du denn gar nicht, daß
der Wensch Dich uzen wollte I? Sieh Dir doch nur das Bild genau anl"
Varodie eines Sonntagsrciters.
:r niemals noch im Sattel saß,
Wer nie, geworfen von dem „Braunen"
In kühnem Schwung die Luft durchmaß,
Der kennt euch nicht ihr Pferde-Launen!
A. Kotsch.
Kache des eifer fuchtigen Kaminkehrers.
l
,1,
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Der Kunstkenner.
Line lustige Geschichte von Paul Blitz.
I^^err Heinz Hartwig war Besitzer einer großen Strumpffabrik; er war
/ ein reicher Mann, denn nicht nur die Fabrik warf einen sehr beträcht-
1 lichen Nutzen ab, sondern auch das Heiratsgut seiner Frau trug eine
ansehnliche Rente ein.
So war also Herr Heinz Hartwig jeder gemeinen Not enthoben, und
wenn er nun trotzdem sich Sorgen machte, so lag das daran, daß die Gattin,
die teure, mit immer neuen Wünschen ihm zu schaffen machte.
Frau Therese wollte höher hinaus; das Getriebe des Alltagslebens
erschien ihr öde und grau; sie wollte sich und ihren Gatten in eine andere,
in eine höhere Sphäre hinaufführen, nämlich in die Regionen der Kunst.
Aber dies Wollen hatte selbst bei so reichen Leuten seine Schwierigkeiten.
Denn das Ehepaar wußte nicht nur keine einzige Kunst auszuüben, sondern
es verstand auch absolut nichts von der Kunst.
Dessenungeachtet aber wußte Frau Therese sehr genau, was sie wollte.
Sie hatte gehört und in Romanen gelesen und auch bei anderen Familien
gesehen, daß es reiche Leute für notwendig erachten, der Kunst ein gastfreies
Haus zu gewähren; und deshalb hielt auch sie es nun für unumgänglich not-
wendig, diese Mode mitzumachen.
Armer Heinz I
Um seine Ruhe war es geschehen, seit die Gattin es sich in den Kopf
gesetzt hatte, ihren Gästen stets die Tagesberühmtheiten der Kunst in ihren
Salons vorzuführen.
Tagaus, tagein führte sie den geplagten Mann umher, von einem
Atelier ins andere, von Ausstellung zu Ausstellung, vom Theater in den
Konzertsaal, treppauf, treppab, immer auf der Suche nach Berühmtheiten, die
man einladen könnte.
Und nicht nur das alleinl Nein, der gute Heinz mußte sein Interesse
für die Kunst auch praktisch betätigen. Er mußte in den Geldbeutel greifen,
tief, oft sehr tief und mußte kaufen, Bilder und Bilderwerke, alles, was Frau
Therese haben wolltet Und dann mußte er auch hier und da helfend bei-
springen, wo es galt einen Künstler zu unterstützen, vor allem dann, wenn
es die lieben Nachbarn erfuhren.
So wurde aus dem Strumpffabrikanten Heinz Hartwig nach und nach
ein Kunstmäcen. Und wenn auch die Künstler heimlich über die Torheiten
des reichen Ehepaares lächelten, man suchte ihr Haus doch immer auf, weil
man dort außerordentlich gut bewirtet wurde, und weil der gute Heinz fast
immer eine offene Brieftasche hatte.
Anfangs November feierte der Mäcen seinen fünfzigsten Geburtstag.
Und zu diesem Fest kamen alle Künstler des Kreises mit Angebinden und
Widmungen für das Geburtstagskind, so daß Herr Heinz und die teure Gattin
schier aufgelöst waren vor freudiger Ueberraschung.
Gegen Wittag kam auch Karl Weinhold mit seiner Gabe. Er war ein
junger Tiermaler, der trotz seiner enormen Begabung noch immer vergeblich
um die Anerkennung kämpfte. Er hatte ein kleines humorvolles Genrebild
gemalt, das er „Lin Kunstkenner" benannte; es stellte einen Schafbock dar,
der vor einem Bild, einer gemalten grasgrünen Wiese, bewundernd steht und
am liebsten das gemalte saftig grüne Gras auffressen möchte.
Als Herr Heinz Hartwig das Bild ansah, wußte er zuerst nicht, ob er
sich freuen oder ärgern sollte; im heimlichen Zweifel sah er das Bild, bald
auch seine Gattin an, als suche er bei ihr Beistand in dieser Ungewißheit.
Aber Frau Therese ging es nicht viel besser, auch sie wußte nicht, was
sie davon denken sollte; schließlich aber ermannte sie sich doch, betrachtete das
Bild durch ihr Lorgnon, und endlich sagte sie höflich, aber ein wenig kühl:
„Sehr nett, sehr wirkungsvoll und auch recht lebenswahr."
Als aber eine halbe Stunde später das Ehepaar allein war, trat Frau
Therese noch einmal vor das Bild hin und sah es lange und prüfend an,
und endlich schüttelte sie den Kopf, indem sie sagte: „Das Bild muß fort —
wir dürfen es nicht zeigen — wir machen uns lächerlich damit!"
Lin wenig erstaunt fragte der Gatte: „Aber weshalb denn nur,
Frauchen?"
Und sie nun lächelnd, überlegend: „Ja, merkst Du denn gar nicht, daß
der Wensch Dich uzen wollte I? Sieh Dir doch nur das Bild genau anl"
Varodie eines Sonntagsrciters.
:r niemals noch im Sattel saß,
Wer nie, geworfen von dem „Braunen"
In kühnem Schwung die Luft durchmaß,
Der kennt euch nicht ihr Pferde-Launen!
A. Kotsch.
Kache des eifer fuchtigen Kaminkehrers.
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