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Meggendorfer-Blätter — 56.1904 (Nr. 680-692)

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Nr. 688
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https://doi.org/10.11588/diglit.28279#0113
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Zeitschrift für Humor und Aunst

sO5

Hohe Schule für die (Zhe.
Humoreske von W. Mader.
New T)ork, den f.'Lebr. f90Z.
Geliebte Alma!
was wirst Du dazu sagen, wenn
Du erfährst, daß ich, deren Ideal Häus-
lichkeit und ein glücklicher Ehestand
sind, nunmehr eine Hochschule besuche!
Aber erschrick nicht; ich bin immer
noch Deine gleichgesinnte Freundin —
treu bis in den Tod! Wir haben
nämlich hier eine ganz neue Hoch-
schule, erfunden und geleitet von Mrs.
Louisa Williams. Dieses herrliche In-
stitut will jungen, natürlich hübschen
und nicht unbemittelten Mädchen
alle und jede praktische Anleitung
geben, wie sie sich der Männerwelt
gegenüber zu verhalten haben, um
nicht sitzen zu bleiben und um in der
Ehe wirklich glücklich zu werden.
Den ersten. Kurs habe ich nun
bereits absolviert; er hat uns gezeigt,
wie die leeren Kurmacher abgeschreckt
und die ernsten Freier herbeigezogen
werden. Klavierhämmern, Singen,
Malen, Tanzen und dergleichen ist
uns gründlich entleidet worden; denn
es wurde uns an Beispielen aus dem
Leben gezeigt, wie solche Künste selten
zu einer Ehe führen, und dann zu
keiner glücklichen. Auch allerlei Mode-
narrheiten, namentlich das Korsett
haben wir uns abgewöhnen müssen;
dagegen bringen wir durch gesunden
Sport unsere körperlichen Reize zur
vollsten Entwicklung und unsere Wan-
gen zu rosigem Blühen. Ein besonderes
Kolleg wurde über „Das Spiel des
Blickes" gelesen, und ich sage Dir, ich
verstehe es bereits ausgezeichnet, je
nach der Situation feurig und begeistert,
schüchtern und demütig, seelenvoll und
innig, geistreich und witzsprühend, ja
sogar zärtlich und verliebt zu blicken.
V, wenn Du wüßtest, wie leicht es
ist, durch geschickte Anwendung dieser
Kunst selbst einem gereiften Mann
den Kopf zu verdrehen, ohne ein Wort
zu sprechen! Aber so schön und lehr-
reich der erste vorbereitende Kurs auch
war, freue ich mich doch noch weit
mehr auf den zweiten, wo wir lernen

— „Nu, Herr von'Silberstern, was sagen Sie zu meiner Tochter?"
- „Hm.!"
— „Rosa, zeig doch dem Herrn von Silberstern Dein Sparkassabüchell"


— „Gott, was for e reizendes Kind!"



sollen, den verschiedenartigsten Bewunderern gegenüber die rich-
tigen Worte zu finden; es wird das vorzüglich praktisch probiert
durch Uebungen am Phantom. Du sollst bald Näheres darüber
hören. Inzwischen grüßt und küßt Dich in
treuer Freundschaft Mary.
-i- -i-
-i-
New Hork, den 6. Mai 1905.
Meine Herzens-Allna!
G, was wir gelernt haben! In Wahrheit glaube ich, kein

Männerherz vermag einem Mädchen zu widerstehen, das derart
geschult auf den Plan tritt.
was haben wir doch in Herrengesellschaft bisher ins
Blaue hinein geschwatzt und sind wohl heimlich von diesem und
jenem ausgelacht worden oder haben eben den, den wir zu
ködern vermeinten, abgestoßen, weil wir es nicht verstanden,
ihn seinem Lharakter gemäß zu behandeln.
Die „Phantome" sind eine äußerst sinnreiche Einrichtung.
Schon dem Aeußern nach verraten die beweglichen wachspuxxen
den Lharakter des Jünglings, den sie völlig naturgetreu und
 
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