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Meggendorfer-Blätter — 56.1904 (Nr. 680-692)

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Nr. 689
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https://doi.org/10.11588/diglit.28279#0127
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Zeitschrift für Humor und Auust

U9

können. Aber merkwürdig, mir kam alles so kalt und gemacht und lang-
weilig vor, und ich wagte sogar einmal, meinem Partner, dem einen,
von dem ich vorhin sprechen wollte, zuzuflüstern: „Ich glaube, die Pär-
chen im Seufzerwäldchen, über die wir so viel lachten, haben im Grunde
doch weit mehr Genuß von ihren vernunstlosen Reden, als wir von
diesen klassischen Phrasen."
Hierauf machte er mir den Vorschlag, wir wollten es einmal sel-
bander in einem Privatissimum im Seufzerwäldchen ausproben, die
Dunkelheit und die Natur täten viel zur Sache. Anfangs wollte ich
nichts davon wissen, aber die Idee ließ mich nicht los, und so führten
wir denn den versuch eines Abends wirklich aus; freilich, ohne daß
unsere Vorsteherin eine Ahnung davon hatte.
L) Alma! Ls war göttlich! Ich glaube, wir schwatzten einen
größeren Blödsinn als wir je gehört, — aber er beseligte uns; — und
die Rüssel Man kann wohl lachen, wenn man sie schallen hört, —
aber wenn man sie einmal verschmeckt hat . . .!
Aber nun denke Dir, dieses Pech! Bereits in der nächsten
Unterrichtsstunde bekamen wir unser eigenes geheimstes Gespräch zu
hören! Wie unvorsichtig! Mit keinem Gedanken hatten wir daran
gedacht, daß auch wir von dem heimtückischen Phonographen belauscht
würden! Jedermann erkannte meine und Johns Stimme. Dieses
Gelächter! Anfangs vermeinte ich, vor Scham in den Boden sinken zu
müssen, und ineine Tränen drohten hervorzubrechen. Dann aber gewann
ich meine Fassung wieder und rief: „Ihr mögt lachen, wie ihr wollt:
die Praxis ist tausendmal schöner als alle Theorie! Adieu, Mrs. Williams,
ich danke Ihnen für Ihren vortrefflichen, kurzen Unterricht; nun aber
habe ich, wie ich denke, ausgelernt und werde mich bemühen, alle
Theorie zu vergessen. Glück in der Lhe werde ich mit meinem John
ganz von selber finden; er ist auch zu klug, um sich durch meine schul-
mäßigen Rniffe überlisten zu lassen, und überhaupt will ich ihn haben
wie er ist!"
Damit faßte ich Johns Arm und ging mit ihm hinaus: Ls folgte
uns kein Lachen mehr, wohl aber eine Menge neidischer Blicke.
Zum Schluß lasse Dir gestehen, liebe Alma, — so viel ich gelernt
habe und zu wissen glaubte, nun ist mir doch alles neu und der Braut-
stand an Johns Seite ist so ganz anders, als er sich nach meinen er-
lernten Theorien hätte gestalten sollen; aber John ist glücklich und ich
bin selig und gehe mit wahrer Wonne in die wirkliche Lheschule hinein.
A8! Linen Hauptmangel hat noch Mrs. Williams' System, wie
mir jetzt einfällt: über Rinderxflege haben wir nichts gelernt! Doch
davon später!
Ls küßt Dich
Deine glückliche Mary.
Lüge.
log Deine Sippe, Dein Ruß — Dein Blick,
Ls log Deines Atems Wogen —
Dein Lachen — Dein Weinen, Dein Schmerz — Dein Glück —
Ich weiß: es war alles gelogen!
Du logst mit offenem Rinderblick,
Mit neckisch plauderndem Munde —
Du hast auch mich zum Lügner gemacht —
Zum Lügner — seit jener Stunde . . .
Ich lüge Dir eisige Rälte vor
Und wortlos stummes verachten,
Und lieb' Dich so glühend doch wie zuvor
In kindisch-törichtem Schmachten . . I


Der umständliche Herr Professor.





Ernst Staus.
 
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