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Meggendorfer-Blätter, München
Stroh. Was Wunder, daß ich mich eines schönen Tages in
die reizende Witwe eines benachbarten Gutsbesitzers verliebte?
Zogen doch sämtliche jungen Männer auf zehn Weilen in der
Runde an ihrem Triumphwagen und schmachteten in ihren
rosigen Fesseln! Ich aber hatte es mir in den Kopf gesetzt,
alle meine Rivalen auszustechen und die Hand der jungen Witwe
zu erringen. Aber alle Liebesmühe schien vergeblich. Sie
begünstigte alle und bevorzugte keinen. Umsonst plünderte
ich tagtäglich meine Treibhäuser, und überhäufte sie mit Auf-
merksamkeiten aller Art, kein Zeichen verriet mir, daß sie mir
vor allen anderen Bewerbern geneigt sei. Da zog ich kurz
entschlossen eines Tages meinen Frack an und hielt um ihre
Hand an.
Doch ich fuhr gründlich ab. Der Witwenstand sei ihr viel
zu behaglich, sagte sie, um ihn so rasch wieder aufzugeben u. s. w.
Geknickt und gebrochen schlich ich nach Hause, schaute die
ganze Welt als ein elendes Jammertal an und mich als ihren
Generalpächter. Ich aß und trank nichts mehr, verschanzte
mich hinter verschlossenen Türen und hing tiefsinnigen Grübeleien
nach. Und eines Tages ward es in mir zum unabänderlichen
Entschlüsse, »reinem Leben ein Ende zu machen. Ich machte
mein Testament, suchte aus meiner Waffensammlung eine kost-
bare Pistole heraus und legte sie mir auf meinem Nachttischchen
parat. Ehe ich aber an das unheilvolle Werk ging, lud ich
mir meinen einzigen, besten Freund zu Gaste, weihte ihn mit
der ganzen Seelenruhe des fest Entschlossenen in meinen Plan
ein, und bat ihn, nach vollbrachter Tat das Nötige zu ver-
anlassen. Er versprach es mir und gegen Morgengrauen
schieden wir.
Als seine Tritte draußen verhallt waren, setzte ich mich
auf das Sofa, nahm die Pistole zur Hand, hielt sie gegen die
Stirn und drückte los. Es gab einen furchtbaren Knall, und
ich hatte das Gefühl, als ob mir der ganze Kopf in Stücke
gerissen würde. Merkwürdigerweise aber fiel ich nicht um, wie
ich gehofft hatte, sondern spürte dafür ein entsetzliches prickeln
in Nase und Augen, gerade so, als wenn der Lauf mit lauter
Nadeln geladen gewesen wäre. Und dann mußte ich niesen,
niesen und niesen, wohl dreiviertel Stunden lang, und mit
Zorn und Aerger ward es
mir klar, daß der hinter-
listige Freund die Patrone
entfernt und den Lauf dafür
mit — Schnupftabak geladen
hatte.
Ich schwur fürchterliche
Rache. Als ich aber
endlich ausgeniest hatte, da
wurde es mir plötzlich so hell
vor den Augen und so leicht
um den Kopf; es war mir,
als sei ein schwerer Druck
daraus verschwunden und,
um mit Faust zu reden, die
Erde hatte mich wieder. Ich
erkannte, daß ich mein Herz
an eine unwürdige Kokette
gehängt hatte und ging, ein
wiedergeborener, frohge-
muter Mensch, auf Reisen,
um mich in der so schnöde
mißachteten Welt so recht
nach Herzenslust zu sonnen
und zu freuen. Und auf
dieser Reise lernte ich Dich,
mein herziges Annerl, kennen
und fand in Dir mein großes,
einziges, wahres Lebensglück.
Und wenn ich Dich nun so
ansehe, so muß ich an jene
Affäre denken, und ich kann
es dann nicht verwinden,
den Geschmack von damals
wieder in die Nase zu
kriegen. Und wegen dieser
Zierde meines Gesichtes
brauchst Du also wirklich
nicht in Angst zu sein; hat
ihr damals eine ganze
Ladung nichts geschadet, so
wird sie auch ab und zu ein
kleines Prischen nicht aus
der Fasson bringen.
boshaft.
Winziger Kadett: „Aeh, äh, — habe schon halbes Dutzend Mädchenherzen jebrochen!"
Herr: „Aber da sind Sie ja das wahre Wunder-Kindl"
Meggendorfer-Blätter, München
Stroh. Was Wunder, daß ich mich eines schönen Tages in
die reizende Witwe eines benachbarten Gutsbesitzers verliebte?
Zogen doch sämtliche jungen Männer auf zehn Weilen in der
Runde an ihrem Triumphwagen und schmachteten in ihren
rosigen Fesseln! Ich aber hatte es mir in den Kopf gesetzt,
alle meine Rivalen auszustechen und die Hand der jungen Witwe
zu erringen. Aber alle Liebesmühe schien vergeblich. Sie
begünstigte alle und bevorzugte keinen. Umsonst plünderte
ich tagtäglich meine Treibhäuser, und überhäufte sie mit Auf-
merksamkeiten aller Art, kein Zeichen verriet mir, daß sie mir
vor allen anderen Bewerbern geneigt sei. Da zog ich kurz
entschlossen eines Tages meinen Frack an und hielt um ihre
Hand an.
Doch ich fuhr gründlich ab. Der Witwenstand sei ihr viel
zu behaglich, sagte sie, um ihn so rasch wieder aufzugeben u. s. w.
Geknickt und gebrochen schlich ich nach Hause, schaute die
ganze Welt als ein elendes Jammertal an und mich als ihren
Generalpächter. Ich aß und trank nichts mehr, verschanzte
mich hinter verschlossenen Türen und hing tiefsinnigen Grübeleien
nach. Und eines Tages ward es in mir zum unabänderlichen
Entschlüsse, »reinem Leben ein Ende zu machen. Ich machte
mein Testament, suchte aus meiner Waffensammlung eine kost-
bare Pistole heraus und legte sie mir auf meinem Nachttischchen
parat. Ehe ich aber an das unheilvolle Werk ging, lud ich
mir meinen einzigen, besten Freund zu Gaste, weihte ihn mit
der ganzen Seelenruhe des fest Entschlossenen in meinen Plan
ein, und bat ihn, nach vollbrachter Tat das Nötige zu ver-
anlassen. Er versprach es mir und gegen Morgengrauen
schieden wir.
Als seine Tritte draußen verhallt waren, setzte ich mich
auf das Sofa, nahm die Pistole zur Hand, hielt sie gegen die
Stirn und drückte los. Es gab einen furchtbaren Knall, und
ich hatte das Gefühl, als ob mir der ganze Kopf in Stücke
gerissen würde. Merkwürdigerweise aber fiel ich nicht um, wie
ich gehofft hatte, sondern spürte dafür ein entsetzliches prickeln
in Nase und Augen, gerade so, als wenn der Lauf mit lauter
Nadeln geladen gewesen wäre. Und dann mußte ich niesen,
niesen und niesen, wohl dreiviertel Stunden lang, und mit
Zorn und Aerger ward es
mir klar, daß der hinter-
listige Freund die Patrone
entfernt und den Lauf dafür
mit — Schnupftabak geladen
hatte.
Ich schwur fürchterliche
Rache. Als ich aber
endlich ausgeniest hatte, da
wurde es mir plötzlich so hell
vor den Augen und so leicht
um den Kopf; es war mir,
als sei ein schwerer Druck
daraus verschwunden und,
um mit Faust zu reden, die
Erde hatte mich wieder. Ich
erkannte, daß ich mein Herz
an eine unwürdige Kokette
gehängt hatte und ging, ein
wiedergeborener, frohge-
muter Mensch, auf Reisen,
um mich in der so schnöde
mißachteten Welt so recht
nach Herzenslust zu sonnen
und zu freuen. Und auf
dieser Reise lernte ich Dich,
mein herziges Annerl, kennen
und fand in Dir mein großes,
einziges, wahres Lebensglück.
Und wenn ich Dich nun so
ansehe, so muß ich an jene
Affäre denken, und ich kann
es dann nicht verwinden,
den Geschmack von damals
wieder in die Nase zu
kriegen. Und wegen dieser
Zierde meines Gesichtes
brauchst Du also wirklich
nicht in Angst zu sein; hat
ihr damals eine ganze
Ladung nichts geschadet, so
wird sie auch ab und zu ein
kleines Prischen nicht aus
der Fasson bringen.
boshaft.
Winziger Kadett: „Aeh, äh, — habe schon halbes Dutzend Mädchenherzen jebrochen!"
Herr: „Aber da sind Sie ja das wahre Wunder-Kindl"