Zeitschrift für Humor und Runs!
Alte und neue Zeit.
zugedeckt, hatten die alters¬
schwachen Augen erschaut.
„D HimmelI" rief Gro߬
mama, sich auf die Arme des
herbeigeeilten Gatten stützend,
„das ist unser Lnkelchen ja gar
nicht, da liegt solch abscheuliches
Hundevieh in unserer wiege!"
Aus dem alten Kinder-
möbel ertönte ein zorniges
Knurren und die Mopsaugen
hingen drohend an den Gestalten
der fremden Störenfriede.
In diesem Momente traten
Herr und Frau vanselow junior
aus dem Hause.
„Vater, Mutter, ihr seid's?
Welche Ueberraschung!"
„Ja, welche Ueberrasch¬
ung!" wandte sich Großmutter
vanselow, in deren Stimme
der erlittene Schreck noch nach¬
zitterte, an die Schwiegertochter.
„Sieh, wie unartig Dein Töch¬
terchen gewesen ist! Da hat
es den garstigen Mops in die
wiege gelegt; das solltest Du
doch nicht dulden, solch Tier
hat meist Ungeziefer, das sich
dann leicht auf Dein Söhnchen
überträgt, wenn Du es nachher
in die Wiege legst."
vanselow junior machte
ein verlegenes Gesicht, seine
Frau aber lachte hell auf.
„Ach, Mama, Ihre Besorg¬
nisse sind gänzlich unbegründet.
von meinen Kindern hat noch
keines jemals in dieser oder
einer anderen Wiege gelegen."
„wie?"
Frau Schwiegertochter rich¬
tete sich in stolzer Ueberlegen-
heit auf und fuhr im Tone
eines dozierenden Professors
fort: „vom modernen hygieni¬
schen Standpunkt aus kann gegen
den leider noch weitverbreiteten
Gebrauch der Wiege gar nicht
energisch genug Front gemacht
werden. Im .höchsten Grade
schädlich ist die zwangsweise,
widernatürliche Herbeiführung
des Schlafes durch die schaukelnde Bewegung, deren ein-
schläfernde Wirkung in einem künstlichen Drängen des Blutes
nach dem Kopfe besteht. Welches sind die Folgen davon auf
das weiche Kindergehirn? Uebernährung desselben, Gereizt-
heit der Koxfnerven, Neigung zum Kopfschmerz, Schlaf-
losigkeit zur Nachtzeit. Durch dieses gefährliche Instrument
wird schon im zartesten Kindesalter der Keim zu der Geißel
der modernen Menschheit, der Nervosität, gelegt. Darum, wie
tief dieses Gerät auch in der Vorstellung des Volkes, in Sprich-
wörtern, Sagen und Märchen als selbstverständliches Kinder-
möbel wurzelt, die moderne, unterrichtete Mutter ruft: ,Fort mit
der Unsitte des Wiegens!' Und darum habe ich diesen Zeugen un-
aufgeklärter Epochen meinen Kindern als Spielzeug übergeben!"
„Darf ich unsere lieben Gäste nun bitten, ins Haus zu
treten," nahm hier der junge vanselow das Wort.
Großmama war für eine ganze Weile sprachlos. Im
Weitergchen warf sie einen wehmütigen Blick auf ihr entweihtes
Familienheiligtum, darin sich der feiste Mops bereits wieder
in sichtlichem Behagen von seiner kleinen Herrin schaukeln ließ.
Großvater aber meinte: „Siehst Du, Matchen, wir hätten doch
lieber nicht überraschend auf Besuch kommen sollen. Im übrigen
weißt Du jetzt, was solch eine Wiege für ein Mordinstrument ist!"
Alte und neue Zeit.
zugedeckt, hatten die alters¬
schwachen Augen erschaut.
„D HimmelI" rief Gro߬
mama, sich auf die Arme des
herbeigeeilten Gatten stützend,
„das ist unser Lnkelchen ja gar
nicht, da liegt solch abscheuliches
Hundevieh in unserer wiege!"
Aus dem alten Kinder-
möbel ertönte ein zorniges
Knurren und die Mopsaugen
hingen drohend an den Gestalten
der fremden Störenfriede.
In diesem Momente traten
Herr und Frau vanselow junior
aus dem Hause.
„Vater, Mutter, ihr seid's?
Welche Ueberraschung!"
„Ja, welche Ueberrasch¬
ung!" wandte sich Großmutter
vanselow, in deren Stimme
der erlittene Schreck noch nach¬
zitterte, an die Schwiegertochter.
„Sieh, wie unartig Dein Töch¬
terchen gewesen ist! Da hat
es den garstigen Mops in die
wiege gelegt; das solltest Du
doch nicht dulden, solch Tier
hat meist Ungeziefer, das sich
dann leicht auf Dein Söhnchen
überträgt, wenn Du es nachher
in die Wiege legst."
vanselow junior machte
ein verlegenes Gesicht, seine
Frau aber lachte hell auf.
„Ach, Mama, Ihre Besorg¬
nisse sind gänzlich unbegründet.
von meinen Kindern hat noch
keines jemals in dieser oder
einer anderen Wiege gelegen."
„wie?"
Frau Schwiegertochter rich¬
tete sich in stolzer Ueberlegen-
heit auf und fuhr im Tone
eines dozierenden Professors
fort: „vom modernen hygieni¬
schen Standpunkt aus kann gegen
den leider noch weitverbreiteten
Gebrauch der Wiege gar nicht
energisch genug Front gemacht
werden. Im .höchsten Grade
schädlich ist die zwangsweise,
widernatürliche Herbeiführung
des Schlafes durch die schaukelnde Bewegung, deren ein-
schläfernde Wirkung in einem künstlichen Drängen des Blutes
nach dem Kopfe besteht. Welches sind die Folgen davon auf
das weiche Kindergehirn? Uebernährung desselben, Gereizt-
heit der Koxfnerven, Neigung zum Kopfschmerz, Schlaf-
losigkeit zur Nachtzeit. Durch dieses gefährliche Instrument
wird schon im zartesten Kindesalter der Keim zu der Geißel
der modernen Menschheit, der Nervosität, gelegt. Darum, wie
tief dieses Gerät auch in der Vorstellung des Volkes, in Sprich-
wörtern, Sagen und Märchen als selbstverständliches Kinder-
möbel wurzelt, die moderne, unterrichtete Mutter ruft: ,Fort mit
der Unsitte des Wiegens!' Und darum habe ich diesen Zeugen un-
aufgeklärter Epochen meinen Kindern als Spielzeug übergeben!"
„Darf ich unsere lieben Gäste nun bitten, ins Haus zu
treten," nahm hier der junge vanselow das Wort.
Großmama war für eine ganze Weile sprachlos. Im
Weitergchen warf sie einen wehmütigen Blick auf ihr entweihtes
Familienheiligtum, darin sich der feiste Mops bereits wieder
in sichtlichem Behagen von seiner kleinen Herrin schaukeln ließ.
Großvater aber meinte: „Siehst Du, Matchen, wir hätten doch
lieber nicht überraschend auf Besuch kommen sollen. Im übrigen
weißt Du jetzt, was solch eine Wiege für ein Mordinstrument ist!"