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Meggendorfer-Blätter — 57.1904 (Nr. 693-705)

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Nr. 698
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https://doi.org/10.11588/diglit.20902#0077
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Zeitschrift für Humor unü Aunst

69

In der Mlden-DZude.


Der Tnkel.
Humoreske von Berthold Schidlof.

^Mut's in a nams?" fragt Shakespeare, und Goethe ant-
V V wartet prompt: „Name ist Schall und Rauch, um-
nebelnd Himmelsgut." So poetisch diese Antwort sein
mag, trifft sic doch nicht immer ganz zu, und dies mag vielleicht
darin liegen, weil sie so poetisch, unser Leben aber meist sehr
prosaisch ist.
Mehr als irgend jemand habe sicher ich Grund, zu sagen,
daß ein Name mehr ist, wie Schall und Rauch, denn für mich
ist mein Name schon wiederholt bedeutungsvoll geworden und
zwar deshalb, weil er gar so bedeutungslos ist.
Ich heiße Josef Meier! Ich will nichts gegen den Namen
einwenden und wahrlich, es sei ferne von mir, alle meine
Namensbrüder oder gar meine Ahnen verletzen zu wollen —
aber bei aller Sympathie für die Gesellschaft der „Meier" muß
ich doch gestehen, daß irgend ein anderer, prägnanterer, aus-
drucksvollerer Name mir lieber wäre. Und noch dazu Josef
Meier! Was nützte es mir, daß ich den Josef in Pepi um-
wandelte? Ls gibt auch „Pepi Meier" genug, um mich das
Dpfer unangenehmster Verwechslungen werden zu lassen.
Man möchte es nicht glauben, wie oft es mir schon passiert
ist, daß, trotz der vielen, vielen Meiers gerade ich der lang-
gesuchte Josef Meier war. Langgesucht von der heiligen

Hermandad als der „wiederholt abgestrafte und von Wien
ständig abgeschaffte" beschäftigungslose Josef Meier; von
Schneidern, Schustern, Kellnern als der endlich gefundene „Hader-
lump, Schuldenmacher und Zechpreller" Meier; von blonden,
braunen, schwarzen und roten Mädchen, Frauen und Witwen
als der „treulose, unehrenhafte, pflichtvergessene Geliebte,
Bräutigam, Gatte und Vater" Josef Meier und so fort. Nur
Lines verweigert mir das Schicksal mit grausamer Hartnäckigkeit:
niemals wurde ich als der nach Jahren entdeckte Universalerbe
eines in Amerika gestorbenen Milliarden-Meiers agnosziert.
Ich habe mich in mein Schicksal gefunden. Jede Nachricht,
jeden Brief, den ich erhalte, jede amtliche Verständigung, die
mir zukommt, empfange und prüfe ich mit den berechtigten
Zweifeln, ob auch die Sache tatsächlich mich oder irgend einen
anderen Josef Meier angehe. Nur dadurch, daß ich krampfhaft
seit einiger Zeit in derselben Wohnung — obwohl sie mir gar
nicht paßt — festsitze, daß ich mich allen Polizeibeamten, Wach-
leuten, Briefträgern, sowie Kaffeesiedern, Wirten und sonstigen
Gewerbsleuten meiner Umgebung vorgestellt habe, um jederzeit
über einen Identitätszeugen zu verfügen, endlich daß ich durch
eine geradezu absonderliche Haar- und Bartfrisur mich von
meinen Mitmenschen, besonders aber von meinen Mitmeiern
 
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