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Meggendorfer-Blätter — 57.1904 (Nr. 693-705)

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Nr. 700
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^eggendorfer-BIätter, INünchen

9^

Das Bild der Teuren.

Jetzt platzt mir aber die Ieduld. — So ein Philister!
„Sie sind ein Pedant, Herr Vogel. Gestatten Sie mir,
Ihnen das mit größter Zartheit anzndeuten. von allem Schlim-
men, was es für mich in der Welt gibt, ist ein Pedant nämlich
das allerschlimmste."
„Herr Fähnrich, ich möchte Sie doch dringend bitten . . ."
„Ich Sie auch, Herr Vogel. Leben Sie wohl, Herr Vogel.
Adieu Herr Vogel, ich kenne sreundlichere Vögel als Sie
einer sind."
„Herr Fähnrich ... ich verbitte mir ernstlich solche Sottisen."
Ich höre nichts mehr. Ich schlage die Tür hinter mir
zu. Ich rase die vier Treppen herunter, denn Herrn Vogels
ungastliches Atelier nistet natürlich in Zedernwipfeln. Ich merke
nicht einmal, daß ich beinahe eine junge Dame umrenne, die
gerade die Treppe herauf schwebt.


„Pardon," sage ich, ohne sie anzugucken und stürze sporn-
streichs an ihr vorüber. Ich muß meinem Aerger Luft machen.
Ich eile in die Bodega und trinke einen halben Liter Schorle-
morle. Das beruhigt mir Blut und Nerven.
q- 4-
*
Ain Abend bin ich zum pekko beim Gberst eingeladen.
Pünktlich wie ein Fähnrich trete ich in Jupiters Wohnung.
Gberst von Hildebrandt reicht mir die biedere Rechte. Außer
Dienst ist der Alte nämlich immer sehr gemütlich. Heute abend

besonders. Er behandelt mich, als wäre ich schon Leutnant.
Wenn der aber wüßte, daß ich ein Auge auf seine Fräulein
Tochter . . .1 Ich glaube er würde mir mit kaltem Blut den
Hals umdrehen.
Ich begrüßte die Gesellschaft. Frau von Hildebrandt gibt
mir auch die Hand. Lisette, meine Lisette, neigt nur ihr Köxf-
chen. Ist das ein schlechtes Zeichen oder ein gutes? Wer
weiß es l Vielleicht kaschiert sie ihre Neigung für mich nur aus
Klugheit, — oder vielleicht — ... ja, „wer kann's wissen, ob
die Fische küssen. Auf dem Lande tun sie's nicht, und im
Wasser sieht man's nicht," reflektiere ich tiefsinnig und nehme
mir Rum mit Tee.
Als ich eben meinen kleinen Grog probiere, tönt plötzlich
von rückwärts eine wunderschöne Stimme an meine Lauscher:
„Nun, Herr Klippert?" Wahrhaftig, sie ist es, die Einzige, der
mein Herz gehört, vor Schreck fällt mir der Kuchen von meiner
Teetassc. Errötend hebe ich ihn aus.
„Gnädiges Fräulein —"
„Wissen Sie auch, daß Sie mich heute mittag beinahe um-
gerannt haben?"
„Ich? Aber gnädiges FräuleinI"
„Ia, ja."
„Wie können Sie nur so grausam scherzen? Ich sollte
. . . ich?"
„Ja, Sie, auf der Treppe zum Photographen. Ich ging
gerade hinauf, meine neuen Bilder abzuholen und sie schossen
herunter, wie Brest, der von den Furien verfolgt wird. Uebri-
gens, Herr Vogel ist höchst ergrimmt auf Sie. Er hat mir
den Grund Ihres Wortwechsels mitgeteilt. . . ."
„Hat er? Wahrhaftig?"
„Iadoch, er hat . . ."
„Dieser Philister! Und Sie, gnädiges Fräulein, nicht wahr,
Sie nehmen meine Partei gegen ihn? Sie werden doch sicher . . .
Sie geben ihre Erlaubnis?"
„wozu?"
„Na, daß ich mir das Bild kaufen darf."
„Mein Bild?"
„Das neue, das im Schaufenster hängt."
„Hat er es denn im Schaufenster?"
„Gewiß, ein herrliches Bild! Nein, es ist zu himmlisch!"
„Aber Herr Klipperti"
„Ach, gnädiges Fräulein, ach bitte . . . das Ziel meiner
Sehnsucht . . . das . . . ach ja . . . sagen Sie ja!"
„Aber Herr Klippert!"
„Ich bitte Sie fußfällig."
„Das ist doch nicht Ihr Ernst, Herr Klippert! Ich sollte
meine Erlaubnis geben, daß Sie mein Bild ... ha, ha, ha, ha,
ha-ha, ha, ha, ha, ha! — Nein, das ist zu köstlich! Das
ist zum Totlachen!"
„Aber warum denn? Ich ineine es doch so ehrlich. Sie
haben keine Ahnung, welche Seelenqualen ich mitunter . . ."
Da rauscht die Mama heran und flüstert dem Töchterchen
etwas in das süße Dehrchen. Fort ist sie, ins Eßzimmer, und
ich habe das Nachsehen, pechös! Was? — Na, sie weiß es
nun wenigstens, und im Grunde hat sie sich doch wohl gefreut.
Sie hält es aber für nötig, entrüstet zu scheinen. Das kennt
man schon, das muß man bei Damen nicht tragisch nehmen.
Ein Mann, der einer Frau imponieren will, muß zeigen, daß
er ein forscher Kerl ist, und das werde ich ihr zeigen. Ich
muß das Bild haben auf jeden Fall und wenn ich ewig Wasser
trinken sollte, ich muß es haben, trotz der ganzen Welt und
dem Photographen Vogel. So schwöre ich im stillen einen
heiligen Lid. Ihr hört es, ihr glitzernden Sterne da oben.
Die Soiree ist vorüber. Alles geht nach Hause. Da reift
 
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