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Meggendorfer-Blätter — 57.1904 (Nr. 693-705)

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Nr. 702
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https://doi.org/10.11588/diglit.20902#0119
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Zeitschrift für Humor und Aunst

Starke (Unbildung.


Auf falscher Spur.



°>er Detektiv Mr. Snurrer ging mißmutig am Hafen-
dämm auf und ab und kaute an seinem Bleistift,
für den er leider momentan keine andere Verwen-
dung hatte. Seit vierzehn Tagen schon lief er
umher, um irgend etwas verdächtiges auf-
zuspüren, aber die ganze Welt schien plötzlich
in lauter Tugendbolde umgewandelt zu sein.
Nicht die geringste Kleinigkeit wurde gestohlen,
noch überhaupt der versuch gemacht, es zu tun.
Ivie soll da unter solch abnormen Umständen
ein rechtschaffener Kriminalist noch
Freude haben an seinem Beruf? Ist er
doch rein des schlechten Gesindels wegen
auf der Welt, und wenn dieses plötz-
lich nach der moralischen Seite hin um-
schlägt, so ist er ein kaltgestellter Mann.
während Mr. Snurrer noch so vor sich hin philo-
sophierte, schlugen auf einmal halblaute Stimmen an
sein Vhr. wie ein elektrisches Fluidum fuhr es ihm
durch die Adern. Sein geübtes Hörorgan hatte deutlich
die Worte „Mord" und „Dolch" vernommen, kein Zweifel
also, er war einigen verruchten Verbrechern auf der Spur.
Mit katzenartiger Behendigkeit und Geräuschlosigkeit
schlich er sich näher; die Stimmen kamen hinter einem
Baumwollenballen hervor und dicht vor diesem faßte
daher der Detektiv Posts.
„Ls ist also abgemacht," hörte er die eine Stimme sagen.
„Zur Hölle mit dem alten Knauser, damit seine Füchse
locker werdenI" gab die andere Stimme zur Antwort.
„Ls fragt sich nur, welche Art die beste ist?"
„Drei Zoll Lisen zwischen die Rippen ist immer die
angenehmste Beförderungsart. Das kitzelt und macht
keinen Lärm."
„Doch Gift täte denselben Dienstl"
„Das brauchen wir für die Tante. Denn Gift ist
Weiberart und die Lhose muß so natürlich wie möglich
herauskommen. Man sieht eben, daß Du noch ein
Grüner bist."
„Aber wie bringen wir dann die Nichte um die Lcke?"
„Bah, derlei zarte Wesen wirft ein Schlag auf die
Nase um, wie eine junge Katze. Uebrigens, damit die
Geschichte einen richtigen Schluß kriegt, wird auch der
Bräutigam dran glauben müssen."
„Immer zul Liner mehr oder weniger — was
liegt da dran? 's ist 'ne Kleinigkeit für unsereiner,!"
Mit einem leisen Fluche trat Mr. Snurrer hinter
seiner Verschanzung hervor, bog um die Lcke
herum und ging mit einem wütend verächtlichen Blicke
an den beiden unbekannten Sprechern vorbei.
„Hol der Teufel diese elenden Romanklexerl"
knurrte er zähneknirschend, „wahrhaftig, wenn ich
nicht Mr. Snurrer wäre, ich könnte mich an diesen
Federhelden vergreifen!"
Dann ging er in eine Taverne und schluckte seinen

Intimus: „Wenn Du nur
nicht solche V-Beine hättest."
Frisch geadelter Bankier: „Schad'
nix, da werden de Leut denken, meine Vor-

Aerger durch ein paar Gläser Gin hinunter. —-
Am andern Tage aber rannte sich Mr. Snurrer im ohn-
mächtigen Zorn seinen Kopf gegen die Wand.
Denn die beiden Männer hinter dem Warenballen waren
wirklich zwei Gauner gewesen und keine Roman-Dichter.

fahren wären als Ritter so viel zu Pferde gesessen."
 
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