III e g g e nd o r f e r - B l ä t t e r, III ü n ch e n
— und da ist sie selber I"
. (Fortsetzung von Seite ur.)
Oie j)re:snovelle.
besonderes Zeichen Ihrer Freundschaft und Ihres Wohlwollens
muß ich mir erbitten, mit keiner Silbe gegen irgend jemand
zu erwähnen, daß Sie diese Novelle kennen, noch weniger
aber jemand zu verraten, wer ihr Autor ist."
„Aber warum denn?" fragte Ella erstaunt. „Es ist eine
der schönsten Novellen, die ich je gelesen und verdient, in den
weitesten Kreisen bekannt zu werden."
„Dies ist wohl auch mein Wunsch und ich will offen bekennen,
daß ich auf diese Novelle die Hoffnung baue, durch sie mit einem
Schlage zu den bekannteren Schriftstellern unserer Vaterstadt
zu zählen. Sie kennen wohl die Preisausschreibung in einem
unserer ersten Tagesblätter, ich habe die Novelle eingereicht
und erwarte das Urteil der Preisrichter."
„Aber da könnte man vielleicht eben durch Konnexionen
ein wenig nachhelfen."
„Meine liebe Freundin, gerade das liegt mir ferne. Ich
will den Preis nicht erschleichen. Ich glaube an die ehrenhafte
Unbestechlichkeit der Preisrichter und erwarte von deren gereiftem
Ermessen das Urteil, ob ich Talent zur Schriftstellerei besitze.
Das größte Hemmnis für den ehrlich strebenden Menschen ist
der Zweifel an seinem Können, an sich selbst. Wird dieser
Zweifel in mir durch ein unbefangenes Urteil behoben, dann
weiß ich, daß ich etwas zu leisten imstande bin, — dann" —
und Egon ergriff die Hand Ellas und drückte sie leise; „dann
wage ich es auch, nach einem höheren Preise zu streben, um
den ich mich als ein unbekannter und unbedeutender Mensch
nicht bewerben kann."
Ella Dorn war errötet, sie erwiderte den Händedruck säst
unmerklich und versprach, das ihr anvertraute Geheimnis treu
zu wahren. Felsner verabschiedete sich, versprach am nächsten
Donnerstag wieder zu kommen und entfernte sich.-
Kaum hatte er das Haus verlassen, als ein neuer Gast
erschien. Wie ein Wirbelwind kam Mechthilde Spitzig herein-
gestürmt, umarmte gönnerhaft die junge Frau und warf sich
auf das Sofa.
„Nur auf zehn Minuten, liebe Ella, — Sie wissen ja,
wie unsereins den ganzen lieben Tag in Anspruch genommen
ist. Da ich Sie aber eine lange Zeit nirgends gesehen und
schon besorgt war, ob Ihnen nicht etwas zugestoßen sei, wollte
ich nicht vorbeigehen, ohne heraufzuschauen."
Ella, noch ganz in Gedanken bei den Mitteilungen und
Eröffnungen Felsners, entgegnete etwas gezwungen, wie sie
der Besuch freue und wollte dem Gaste mit einer Tasse Tee
aufwarten; doch Fräulein Spitzig lehnte entschieden ab.
„Wo denken Sie denn hin, meine Liebe, ich bin ja wie
im Fluge. Sie ahnen gar nicht, was einer gesuchten Schrift-
stellerin alles obliegt. Bald kommt dieser, bald jener Kollega
und erbittet sich meinen Rat, dann plagen einen die Anfänger
um eine Begutachtung ihrer Arbeiten und gar jetzt bei der
Preisausschreibung in unserem Blatte, denken Sie nur, siebzig
Novellen mußte ich lesen und beurteilen, dann die Konferenzen
mit den anderen Preisrichtern, — doch das hat ja gar kein
Interesse für Sie, liebe Kleine."
„Im Gegenteil, dies interessiert mich sehr," sagte die auf-
merksam gewordene Ella. „Haben Sie unter den eingelaufenen
Novellen nicht irgend eine besonders hervorragende entdeckt?"
„Ach Gottl" erwiderte Fräulein Spitzig und zuckte verächtlich
die Achseln, „selbst kann man sich ja nicht beteiligen, wer sollte
denn sonst das Preisrichteramt übernehmen. Man muß da eine
riesige Geduld entwickeln, zuerst das Minderwertige ausscheiden,
dann-doch meine liebe Ella, das verstehen Sie nicht."
„Ich sollte doch meinen — "
„Meinen Sie lieber nicht, — Sie lesen doch nur das von
der Redaktion approbierte, das bereits gedruckte, aber Manu-
skripte lesen, die noch niemand zuvor gelesen hat, oder sich vom
Dichter selbst vorlesen lassen, das hat einen ganz anderen Reiz, —
das kennen Sie nicht."
„So? Glauben Sie?" lächelte Ella pikiert.
Jetzt wurde Fräulein Spitzig aufmerksam.
„Hat denn einer unserer hervorragenden Schriftsteller Ihnen
schon eines seiner Werke vorgelesen?"
„Ein hervorragender — nein, aber vielleicht doch einer,
der ein großes Talent besitzt und nun durch Ihre Preisaus-
schreibung — doch was rede ich, das gehört doch nicht hierher,"
wollte Ella das Gespräch unterbrechen.
„Ahl — unsere Preisausschreibung kennen Sie also genauer?
Wer verkehrt denn doch in Ihrem Hause? Richtig — der
Dr. Felsner, — daß mir das nicht früher einfiell Sollte am
Ende die reizende Novelle von ihm sein, über deren Autor ich
mir schon so sehr den Kopf zerbrochen?" —
„Um Gottes willen, Mechthilde, schweigen Sie, — ich habe
doch kein einzig Wörtchen verraten."
„Verraten? Sie haben also Geheimhaltung versprochen
und hätten selbst mir, Ihrer besten Freundin, nichts gesagt?
Das ist aber interessant!" —-
Hier wurden die Damen im Gespräche unterbrochen. Egon
Felsner hatte sich erinnert, daß er am Donnerstag eine wichtige
Besprechung mit seinem Verleger habe, und war zurückgekehrt,
um sich bei Frau Dorn zu entschuldigen, daß er an diesem Tage
nicht kommen könne.
Als er eintrat, war Ella in der größten Verlegenheit, Fräulein
Spitzig rief ihm aber vergnügt entgegen: „Ah, Herr Dr. Felsner,
grüß Gottl Sie kommen mir wie gerufen. Wir sprachen soeben
von Ihnen!"
„Von mir?" fragte Egon und blickte vorwurfsvoll nach
Ella hin. Diese schlug schuldbewußt die Augen nieder und war
blaß wie eine Leiche.
„von Ihnen und von Ihrer spannenden Novelle, die den
Preisrichtern vorliegt. Doch ich muß fort — in die Redaktion,
wie wird da alles staunen, daß ich auch den siebzigsten Autor
entdeckt habe. Adieu, meine Herrschaften!" und wie ein Wirbel-
wind stürmte sie wieder zur Türe hinaus.
Ella stand auf und trat schüchtern an Felsner heran.
— und da ist sie selber I"
. (Fortsetzung von Seite ur.)
Oie j)re:snovelle.
besonderes Zeichen Ihrer Freundschaft und Ihres Wohlwollens
muß ich mir erbitten, mit keiner Silbe gegen irgend jemand
zu erwähnen, daß Sie diese Novelle kennen, noch weniger
aber jemand zu verraten, wer ihr Autor ist."
„Aber warum denn?" fragte Ella erstaunt. „Es ist eine
der schönsten Novellen, die ich je gelesen und verdient, in den
weitesten Kreisen bekannt zu werden."
„Dies ist wohl auch mein Wunsch und ich will offen bekennen,
daß ich auf diese Novelle die Hoffnung baue, durch sie mit einem
Schlage zu den bekannteren Schriftstellern unserer Vaterstadt
zu zählen. Sie kennen wohl die Preisausschreibung in einem
unserer ersten Tagesblätter, ich habe die Novelle eingereicht
und erwarte das Urteil der Preisrichter."
„Aber da könnte man vielleicht eben durch Konnexionen
ein wenig nachhelfen."
„Meine liebe Freundin, gerade das liegt mir ferne. Ich
will den Preis nicht erschleichen. Ich glaube an die ehrenhafte
Unbestechlichkeit der Preisrichter und erwarte von deren gereiftem
Ermessen das Urteil, ob ich Talent zur Schriftstellerei besitze.
Das größte Hemmnis für den ehrlich strebenden Menschen ist
der Zweifel an seinem Können, an sich selbst. Wird dieser
Zweifel in mir durch ein unbefangenes Urteil behoben, dann
weiß ich, daß ich etwas zu leisten imstande bin, — dann" —
und Egon ergriff die Hand Ellas und drückte sie leise; „dann
wage ich es auch, nach einem höheren Preise zu streben, um
den ich mich als ein unbekannter und unbedeutender Mensch
nicht bewerben kann."
Ella Dorn war errötet, sie erwiderte den Händedruck säst
unmerklich und versprach, das ihr anvertraute Geheimnis treu
zu wahren. Felsner verabschiedete sich, versprach am nächsten
Donnerstag wieder zu kommen und entfernte sich.-
Kaum hatte er das Haus verlassen, als ein neuer Gast
erschien. Wie ein Wirbelwind kam Mechthilde Spitzig herein-
gestürmt, umarmte gönnerhaft die junge Frau und warf sich
auf das Sofa.
„Nur auf zehn Minuten, liebe Ella, — Sie wissen ja,
wie unsereins den ganzen lieben Tag in Anspruch genommen
ist. Da ich Sie aber eine lange Zeit nirgends gesehen und
schon besorgt war, ob Ihnen nicht etwas zugestoßen sei, wollte
ich nicht vorbeigehen, ohne heraufzuschauen."
Ella, noch ganz in Gedanken bei den Mitteilungen und
Eröffnungen Felsners, entgegnete etwas gezwungen, wie sie
der Besuch freue und wollte dem Gaste mit einer Tasse Tee
aufwarten; doch Fräulein Spitzig lehnte entschieden ab.
„Wo denken Sie denn hin, meine Liebe, ich bin ja wie
im Fluge. Sie ahnen gar nicht, was einer gesuchten Schrift-
stellerin alles obliegt. Bald kommt dieser, bald jener Kollega
und erbittet sich meinen Rat, dann plagen einen die Anfänger
um eine Begutachtung ihrer Arbeiten und gar jetzt bei der
Preisausschreibung in unserem Blatte, denken Sie nur, siebzig
Novellen mußte ich lesen und beurteilen, dann die Konferenzen
mit den anderen Preisrichtern, — doch das hat ja gar kein
Interesse für Sie, liebe Kleine."
„Im Gegenteil, dies interessiert mich sehr," sagte die auf-
merksam gewordene Ella. „Haben Sie unter den eingelaufenen
Novellen nicht irgend eine besonders hervorragende entdeckt?"
„Ach Gottl" erwiderte Fräulein Spitzig und zuckte verächtlich
die Achseln, „selbst kann man sich ja nicht beteiligen, wer sollte
denn sonst das Preisrichteramt übernehmen. Man muß da eine
riesige Geduld entwickeln, zuerst das Minderwertige ausscheiden,
dann-doch meine liebe Ella, das verstehen Sie nicht."
„Ich sollte doch meinen — "
„Meinen Sie lieber nicht, — Sie lesen doch nur das von
der Redaktion approbierte, das bereits gedruckte, aber Manu-
skripte lesen, die noch niemand zuvor gelesen hat, oder sich vom
Dichter selbst vorlesen lassen, das hat einen ganz anderen Reiz, —
das kennen Sie nicht."
„So? Glauben Sie?" lächelte Ella pikiert.
Jetzt wurde Fräulein Spitzig aufmerksam.
„Hat denn einer unserer hervorragenden Schriftsteller Ihnen
schon eines seiner Werke vorgelesen?"
„Ein hervorragender — nein, aber vielleicht doch einer,
der ein großes Talent besitzt und nun durch Ihre Preisaus-
schreibung — doch was rede ich, das gehört doch nicht hierher,"
wollte Ella das Gespräch unterbrechen.
„Ahl — unsere Preisausschreibung kennen Sie also genauer?
Wer verkehrt denn doch in Ihrem Hause? Richtig — der
Dr. Felsner, — daß mir das nicht früher einfiell Sollte am
Ende die reizende Novelle von ihm sein, über deren Autor ich
mir schon so sehr den Kopf zerbrochen?" —
„Um Gottes willen, Mechthilde, schweigen Sie, — ich habe
doch kein einzig Wörtchen verraten."
„Verraten? Sie haben also Geheimhaltung versprochen
und hätten selbst mir, Ihrer besten Freundin, nichts gesagt?
Das ist aber interessant!" —-
Hier wurden die Damen im Gespräche unterbrochen. Egon
Felsner hatte sich erinnert, daß er am Donnerstag eine wichtige
Besprechung mit seinem Verleger habe, und war zurückgekehrt,
um sich bei Frau Dorn zu entschuldigen, daß er an diesem Tage
nicht kommen könne.
Als er eintrat, war Ella in der größten Verlegenheit, Fräulein
Spitzig rief ihm aber vergnügt entgegen: „Ah, Herr Dr. Felsner,
grüß Gottl Sie kommen mir wie gerufen. Wir sprachen soeben
von Ihnen!"
„Von mir?" fragte Egon und blickte vorwurfsvoll nach
Ella hin. Diese schlug schuldbewußt die Augen nieder und war
blaß wie eine Leiche.
„von Ihnen und von Ihrer spannenden Novelle, die den
Preisrichtern vorliegt. Doch ich muß fort — in die Redaktion,
wie wird da alles staunen, daß ich auch den siebzigsten Autor
entdeckt habe. Adieu, meine Herrschaften!" und wie ein Wirbel-
wind stürmte sie wieder zur Türe hinaus.
Ella stand auf und trat schüchtern an Felsner heran.