Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Meggendorfer-Blätter — 57.1904 (Nr. 693-705)

DOI Heft:
Nr. 705
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.20902#0162
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
M eggen do rfer-Blätter, München

gefährlich werden und gibt sich mit Hühnern ab; komisch, sehr
komisch l"
Als er ausging, erkundigte er sich beim Portier, wer dieser
seltsame Jüngling sei, und erfuhr zu seinem Staunen, daß er seit
Jahresfrist mit einein Liedermacher unter demselben Dache wohne.
In seinem Klub erzählte er dann von seinem Hausgenossen, der
in seiner Erscheinung einen Stich ins Geniale habe und Hühner füttere.
„Den mußt Du uns einmal zeigen," meinte einer seiner Freunde.
Diese Idee blieb dem Junggesellen im Kops stecken.
Gewiß, er konnte sich das leisten, er konnte seinen Freunden
bei seinem nächsten Herrenabend einen Dichter zeigen. Er hatte
ihnen schon einmal einen jungen Löwen gezeigt, einen ganz jungen
natürlich, den er sich von einem Tierbändiger ausgeliehen, und den er
an einer silbernen Kette in seinem Salon angebunden hatte. Warum
sollte er ihnen nicht auch einmal einen deutschen Dichter zeigen?
Dieser Plan gab seinem Leben auf einmal ein wenig Inhalt;
er fühlte sich angenehm angeregt, vorerst erkundigte er sich nach
dem Namen des Kunstjüngers. Dann tat er etwas ganz Unerhörtes,
etwas, was er seit seiner schwärmerischen Jünglingszeit nicht mehr
getan hatte, — er trat in einen Buchladen. Daß die Gedichte Ernst
Donalds säst so viel kosteten wie eine Flasche guten Weines, nämlich
vier Mark, schien ihm eine Gewähr für das Talent des jungen
Mannes. Und als er sich zu Hause in das Buch vertiefte, wunderte
er sich, daß es so viele Worte gäbe, die sich so tadellos aufeinander
reimen, und noch mehr, daß es Leute gäbe, die diese Worte so schön
zueinander passend herausfinden.
Am andern Tag lauerte er dem Dichter auf, das heißt, er gab
seinem Diener den Auftrag, ihm aufzulauern.
Als dann Ernst Donald im Begriff war, die ersten Stufen zu
seiner Musenburg zu erklimmen, kam ihm von oben der Rentier
entgegen, wie sonst wollte er mit höflichem Gruß vorübergchen,
der Rentier aber hielt ihn mit einer jovialen Bewegung auf.
„verzeihen Sie, mein junger Herr, wenn ich nur gestatte, Sie
anzusprechen, mein Name ist Rosendank, Gotthold Rosendank. Ich
habe Ihre Gedichte gelesen, großartig, wirklich wunderbar gereimt.
Ls drängt mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, und da wir unter
demselben Dache wohnen, so — hm — so wäre ein Verkehr wohl
eigentlich ganz natürlich."
Der Dichter verneigte sich flüchtig. Sein Blick glitt halb staunend,
halb mißtrauisch über die imposante Gestalt seines Verehrers.
„Sehr liebenswürdig," sagte er etwas verlegen, „ich bin angenehm
überrascht, zu vernehmen, daß meine Lieder auch gelesen werden."
„Aber, mein lieber, junger Freund, natürlich werden sie gelesen,
und gekauft, sag' ich Ihnen, gekauft — der Buchhändler, bei dein
ich mir Ihr Werk holte, hatte nur noch ein Exemplar am Lager,
tatsächlich, aber tatsächlich!"
Ernst Donald nahm diesen Wortschwall mit einem schmerzlich-
spöttischen Lächeln auf.
„Sie werden mich besuchen," fuhr der andere fort, „ich werde
Sie mit meinen Freunden bekannt machen, das kann Ihnen nur
nützen; Sie wissen, das Talent will getragen sein, zum Ziele
getragen; wir wollen Sie tragen — denn Sie sind ein Talenti"
Er lächelte selbstgefällig, da ihm das irgendwo einmal gelesene
Wort so ü propos einfiel.
Der Dichter wurde im Ernst gerührt. Er ergriff die gebotene
Hand und drückte sie.
„Ich werde so frei sein, da Sie mir in so liebenswürdiger Weise
entgegenkommen."
Und als er dann seine Treppen weiter hinanstieg, pochte ihm
das Herz. Sollte der Moment gekommen sein, der ihn herausreißcn
würde aus der Dunkelheit, aus der Not?
Es dauerte dennoch einige Tage, bis er sich entschließen konnte,
den versprochenen Besuch in der ersten Etage zu machen.
Dort wurde er aber so herzlich ausgenommen, daß er bald warm
(Fortsetzung Seite ^55.)

Vikkolo-Ktreich.
l
 
Annotationen