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Meggendorfer-Blätter — 59.1904 (Nr. 719-731)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20904#0014
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^leggendorfer-Blätter, München


TlN.


eine
dein
Ge-
und

ihn ein sausender Schlag mit der Peitsche und
rote Striemen über sein zuckendes Gesicht. Gar
warf sich dann, von rasender Leidenschaft über-
unter die Räder dieses höllischen Triumphwagens

MMS.

6W.

s war einmal eine
Prinzessin, die
war so schön, daß jeder, der
sie sah, unglücklich wurde
oder gar sterben mußte, wenn
er nicht beständig in ihrer
Nähe sein konnte.
So weilten denn auch am
Hofederprinzessin eineganze
Anzahl von Prinzen und
Jünglingen von vornehmem
Geblüt, die alle hergekommen
ivaren in der Hoffnung, das
Herz der schönen Königs¬
tochter zu besiegen. Vie Prinzessin war aber ebenso hoch-
mütig wie schön, und da sie wußte, daß ihre Freier sich dem
Banne ihrer Schönheit nicht mehr entziehen konnten, wenn
sie einmal hineingeraten waren, so halte sie ihr Vergnügen
daran, den edlen Herrchen so übel mitzuspielen, als ihr es
ihre übermütige Laune und ihr fühlloses Herz nur immer
eingab. Sie mußten wahre Sklavendienste verrichten, und
ob auch manch einem Prinzen die Schaniröte über so un-
würdige Behandlung ins Gesicht stieg, so waren sie dennoch
wie durch Zaubergewalt in die Nähe der Prinzessin gefesselt,
und wenn diese sie gar einmal mit einem gnädigen Lächeln
beglückte, so war jede Aufwallung der Gefühle vergessen und
sie schwuren, lieber den letzten Atemzug unter den Füßen der
stolzen Prinzessin auszuhauchen, als jemals ihre Augen zu
einen: andern Meid zu erheben.
Ein ganz besonderes Vergnügen hatte die Prinzessin daran,
in einem goldenen Wagen, vor den sich ihre sämtlichen Ver-
ehrer spannen mußten, spazieren zu fahren. Wie eine Göttin
thronte sie dann auf ihrem hohen Sitze; weit zurück fiel ihr
Gewand und ließ die Reize ihrer junonischen Gestalt offen-
bar werden, wenn ihr schneeiger Arm die Zügel straffte oder
die silberne Peitsche schwang. Wie loderndes Feuer blitzten
ihre Augen, und grausame Lust sprach von ihren geschwellten
Lippen. Niemand von denen, die vor den Wagen gespannt
waren, durfte sich nach ihr umsehen, tat es einer dennoch,
so traf
zeichnete
mancher
mannt,
und hauchte sein Leben unter dem Gelächter seiner über-
mütigen Führerin aus.
Lines Tages, als die Prinzessin wieder einmal so spazieren
fuhr, geschah es, daß diesem seltsamen Gespann ein blutjunges
Bürschlein begegnete. Ls hatte ein gar buntes Wams auf

dem schlanken Leibe, und
Laute hing ihn: über
Rücken. Dichtes blondes
lock umrahmte seine Stirn
ein flaumiges Bärtchen sproßte
bereits auf den noch knaben-
haften Lippen.
Aus den Augen der
Prinzessin schoß ein heißer Blitz
nach dem schönen Jüngling
hinüber, und sie erwartete nichts
andres, als daß er in aufflam-
mender Leidenschaft sich gleich
den übrigen in das Sklavenjoch
würde; aber der Jüngling blieb ruhig stehen und

fugen
sah dem sonderbaren Treiben mit einer Art verwunderter
Geringschätzung zu. Als die Prinzessin sah, daß der Spiel-
mann keine Anstalten machte, sich vor ihren Triumphwagen
zu spannen, lenkte sie nach ihm hin und berührte ihn leicht
mit der Peitsche. Wie eine Schlange legte sich die seidene
Schnur uni den Hals des Knaben und mit heftigem Ruck
zog ihn die Prinzessin zu sich heran. Doch der unfreiwillig
Gefangene riß und zerrte an der Schnur, bis sie seinem Halse
wieder entfiel, und wollte sich zum Gehen wenden. Die Prinzessin
aber versperrte ihm den Weg und rief ihm in drohendem
Tone zu: „Wer bist Du, flaumbärtiger Fant, daß Du es wagst,
mir zu trotzen?"
Der Jüngling warf den Kopf in den Nacken und erwiderte
mit kecker Stimme: „Ich bin ein fahrender Spielmann, hohe
Frau, in dessen Brust das goldene Lied und die goldene Frei-
heit wohnt und der es verschmäht, um solcher Minne Sold zu
dienen."
Da loderte ein Glutblick unter den Wimpern des schönen
Weibes hervor und suchte die Flamme der Leidenschaft in der
Brust des Jünglings zu entfachen. Doch dieser hielt den
sengenden Blick mit ruhigem Lächeln aus und wandte sich von
neuem zum Gehen.
Da beugte sich die Prinzessin aus dem Wagen, daß ihr
heißer Atem die Wangen des Spielmanns streifte und sie
glutrot färbte.
„Und willst Du nicht mein Sklave sein, törichter Knabe,"
kam es zischend von ihren Lippen, „so sollst Du mein
Herr sein. Komm und steige zu mir in den Wagen!"
Der Jüngling schüttelte den Kopf. „Ich will auch Dein
Herr nicht sein," sagte er abweisend. „Als Dein Herr
müßte ich Deinen llebermut brechen und Hand an Deinen
göttlichen Leib legen. Das aber geziemt dem freien Manne
nicht."
 
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