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22

717eggendorfer-Llätter, 117 ünchcn

Line Bartgeschichte.
Der Major war ganz auseinander; er konnte die Sache
nicht länger mehr mit ansehen. Lines Morgens stürmte er das
Kabinett, in den: sein Adjutant sich eben wieder der „Zähmung
des widerspenstigen" hingab.
Sehr ironisch fragte der Major, was er denn da eigentlich
mache?
Von Schlunk aber sah, nachdem er sich achtungsvoll er-
hoben hatte, ihm mit unschuldsvollen Blicken in die Augen
und sagte:
„Verzeihen Herr Major, ich habe es immer sehr beklagt,
daß ich meinen Bart nicht besser pflegen konnte; das kam aber
daher, daß ich bei der Truppe keine Zeit dazu hatte — und
ich will es nun hier nachholen-denn einem Adju¬
tanten darf doch ein schneidiger Bart nicht fehlen!"

Leöensrcgct.
ucht man, was Du im Herzen trägst,
Mit bösem Wort Dir klein zu machen,
Schweig still! Denn stets ist man bereit,
Dich außerdem noch auszulachen.
A. Doeing.


Lin Geschäftsmann.
„Ich gebe Ihnen Ihren Verlobungsring zurück, denn ich
muß Ihnen leider gestehen: ich liebe jemand andersI"
„Ich bitte Sie, Fräulein, sagen Sie mir seine Adresse."
„Ums Himmels willen, Sie werden sich doch nicht etwa mit
ihm schlagen wollen?"
„Das nicht, nur sragen möchte ich ihn, ob er mir den Ring
nicht abkauft."

Äuf den Leim gegangen.


ie Straße des mittelgroßen Städtchens, in der Rentier
Alters und Sekretär Memmert wohnten, machte einen
recht freundlichen Eindruck. Mäßig große Häuser im
Villenstil, in weiten Abständen voneinander erbaut, umgeben
von Gärten; kein geräuschvoller Verkehr, keine „Elektrische"
u. s. w.
Alles das hatte den Rentier veranlaßt, sich hier eine Villa
zu kaufen, in der Hoffnung, einen ruhigen Wohnsitz zu finden.
Mit der Behaglichkeit und Stille aber war es vorbei, als das
Nachbarhaus von der Familie des Sekretärs bezogen wurde.
Memmert erfreute sich nämlich des Besitzes von fünf blühenden
Knaben im Alter von
sechs bis dreizehn Jah¬
ren, die alle überaus
„musikalisch" waren.
„Ich glaube," seufzte
Rentier Alters, „die
Folterqualen des Mittel¬
alters waren ein Vergnü-
gen gegen die Martern,
die Geigen, Trompeten,
Trommeln und Mund¬
harmonikas, von halb¬
wüchsigen Rangen be¬
arbeitet, zu bereiten
vermögen."
Bittere Feindschaft
zwischen den Nachbarn war die unausbleibliche Folge, und wo
sich irgend eine Gelegenheit bot, flickte eine Partei der andern
etwas am Zeuge.
Unter diesen Umständen glaubte Herr Memmert seinen
Sinnen nicht trauen zu dürfen, als Alters ihm eines Tages
auflauerte und, wie folgt, anredete:
„Verehrtester Herr Nachbar! Haben Sie die Güte, mir
auf ein paar Sekunden Ihr Dhr zu leihen. Morgen früh
kommt meine Erbtante auf Besuch. Mindestens hundert-
tausend Mark hoffe ich dereinst von ihr zu erben. Sie werden
es daher begreiflich finden, daß wir der reichen verwandten den
Aufenthalt bei uns so angenehm als möglich machen möchten,
eben im Hinblick auf ihr dereinstiges Testament. Nun ist die
alte Dame unglücklicherweise nervös im höchsten Grade, jedes
Geräusch bereitet ihr Pein. Und so wage ich es, verehrtester

Herr Nachbar, Sie trotz unsrer etwas gespannten Beziehungen
zu bitten, Ihren Knaben für einige Tage das Musizieren
untersagen zu wollen."
Auf diese Worte entgegnete Herr Memmert keine Silbe, er
kehrte dein Bittsteller einfach den Rücken und ging nach Hause;
über seine Züge aber glitt ein wahrhaft diabolisches Grinsen.
Als der Wagen nut dem Gaste vor der Villa Allers vor-
fuhr, wurde die alle Dame mit einem wahrhaft infernalischen
Tusch begrüßt. Lin zerplatztes Kindertrommelfell und zwei
zerrissene Geigensaiten waren die Vxfer dieses musikalischen
Attentates. Doch hatte der Schaden nichts zu bedeuten, denn
Reserveinstrumente und
-Materialien lagen be-
reit. Da man sich gerade
in der Zeit der Schul-
ferien befand, war der
Memmertsche Nachwuchs
in der Lage, ohne wesent-
liche Unterbrechungen
den ganzen Tag über
musizieren zu können;
ebenso den zweiten und
dritten.
Am Morgen des
vierten Tages erhielt
Herr Memmert einen
Brief durch die Post:
verehrtester Herr Nachbar!
Die Sprache ist zu arm, als daß ich Ihnen die über-
quellenden Empfindungen meiner Dankbarkeit ausdrücken
könnte! Drei Tage lang hat „sie" die Konzerte Ihrer
lieben Söhnchen ausgehalten; dann aber wurde die heroische
Ausdauer der kleinen Musikanten belohnt. Gestern Abend
ist „sie" abgereist, meine — böse Schwiegermutter
nämlich, die ursprünglich 8 (acht!) Wochen oder noch länger
bleiben wollte. Sollte sie einmal wiederkommen, so glaube
ich, abermals auf Ihre Hilfe rechnen zu können.
Ihr ewig dankbarer Nachbar Allers.
Rentier Allers erfreute sich fürderhin größerer Ruhe, denn
der Memmertsche Musikeifer ließ bedeutend nach; konnte man
doch nie wissen, ob man dem verhaßten Nachbar damit nicht
einen Gefallen erweise. —
 
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