H6
Meggendorfer-Blätter, München
Äut pariert.
Erster Dickster (enorm reich, renommierend): „Ich kann gar nicht begreifen, daß es Leute geben kann, die nur für Geld schreiben;
ich zum Beispiel schreibe nur um die Ehre!".
Zweiter Dichter: „Hm, es schreibt eben jeder um das, was er nicht hat!"
Maxim Müllatuli.
wußte, wofür ihm dieses Honorar zugestellt wurde. Erst als
sich der Freudenbringer entfernt hatte, las er das Begleitschreiben:
Sehr geehrter Herr!
Wir haben das Vergnügen, Ihnen mitzuteilen, daß Ihnen
bei unserm Preisausschreiben, betreffend Häßlichkeitskon-
kurrenz für Männer, der erste Preis von 200 ein-
stimmig zuerkannt wurde. Sie erhalten den Betrag gleich-
zeitig per Postanweisung. Da Sie so gütig waren, Ihre
werte Photographie zur Bewerbung einzusenden, werden
Sie sich durch diese Auszeichnung nicht betroffen fühlen.
Ls war uns eine Ehre, zu hören, daß Sie Dichter sind.
Wir hegen für Ihre Person die größte Bewunderung,
denn: abnorme Physiognomie, abnorme Ge-
danken! Es ist wohl nicht zu zweifeln, daß Sie eine Be-
rühmtheit des neuen Jahrhunderts werden.
Indem wir bemerken, daß Ihnen Ihr Bild in kurzem
unversehrt zugehen wird, zeichnen wir
mit vorzüglicher Hochachtung
die Redaktion der „Gerechtigkeit".
Maxim fiel entsetzt auf einen Stuhl. Er ahnte, daß er
das Vpfer eines Bubenstreiches war. Da hatte er nun endlich
einen Preis, ohne daß er es wollte. Für solche Berühmtheit
dankte er. Die Zuschrift war mit Salz und Honig gemischt.
Er wußte wohl, er besaß keinen Appollokopf, aber niemand
hört es gern, wenn man ihn häßlich nennt, und nun gar preis-
gekrönt häßlich. Wenn Maxim durch etwas getröstet wurde,
so war es durch den Honig der Worte: abnorme Physiognomie,
abnorme Gedanken. Das war doch wenigstens eine gerechte
Würdigung seiner viel zu gering bewerteten Persönlichkeit.
Als Maxim Müllatuli einige Tage später bei seinen Freunden
im Literatencafe saß, wußte er, wer ihm den Possen gespielt
hatte. Die jungen Talente hatten seine Photographie auf
seinen Namen eingeschickt und beglückwünschten ihn nun mit
heuchlerischem Ernst zu dem ersten wohlverdienten Preise. Maxim,
der nunmehr wirklich abnorme Ideen hatte, ließ alles mit
heiterer Gleichgültigkeit über sich ergehen. Er schwelgte im Vor-
gefühl eines unbestimmten, kommenden Glückes. —
Preisausschreiben waren ihm ganz und gar verhaßt ge-
worden; dafür nahm er seinen ersten Roman aus dem Schreib-
tisch und überarbeitete ihn. Gerade, als er seinem Werke
einen neuen grandiosen Schluß gegeben hatte, erhielt er von
einem modernen Verleger die Aufforderung, ihm seine Photo-
graphie und seinen besten Roman zur Veröffentlichung einzu-
senden. Vor Freude zitternd packte der hoffnungsgeschwellte
Literat das Gewünschte ein. Der Verleger, der das Porträt
des abnormen, preisgekrönten Dichters in den Spalten der
„Gerechtigkeit" entdeckt hatte, spekulierte nicht umsonst.
Maxims Roman „Die schlafende Windmühle" wurde stark
begehrt. In allen Buchhandlungen hing das Bild des Autors.
Es lockte, den Roman zu kaufen. Ein so ungewöhnlich häß-
licher Dichterkoxf konnte seine Daseinsberechtigung nur durch
ungewöhnlich geistvolle Gedanken beurkunden. Man las „Die
schlafende Windmühle" mit hoher Erwartung, verblüfft und
entrüstet legte man das Buch aus der Hand, inan schlug es
wieder auf und fand zuletzt eine geniale Symbolik. Etliche
Kritiker meinten zwar boshaft, daß das abscheuliche Porträt des
Verfassers das Entzückendste des Buches wäre; das verursachte
Meggendorfer-Blätter, München
Äut pariert.
Erster Dickster (enorm reich, renommierend): „Ich kann gar nicht begreifen, daß es Leute geben kann, die nur für Geld schreiben;
ich zum Beispiel schreibe nur um die Ehre!".
Zweiter Dichter: „Hm, es schreibt eben jeder um das, was er nicht hat!"
Maxim Müllatuli.
wußte, wofür ihm dieses Honorar zugestellt wurde. Erst als
sich der Freudenbringer entfernt hatte, las er das Begleitschreiben:
Sehr geehrter Herr!
Wir haben das Vergnügen, Ihnen mitzuteilen, daß Ihnen
bei unserm Preisausschreiben, betreffend Häßlichkeitskon-
kurrenz für Männer, der erste Preis von 200 ein-
stimmig zuerkannt wurde. Sie erhalten den Betrag gleich-
zeitig per Postanweisung. Da Sie so gütig waren, Ihre
werte Photographie zur Bewerbung einzusenden, werden
Sie sich durch diese Auszeichnung nicht betroffen fühlen.
Ls war uns eine Ehre, zu hören, daß Sie Dichter sind.
Wir hegen für Ihre Person die größte Bewunderung,
denn: abnorme Physiognomie, abnorme Ge-
danken! Es ist wohl nicht zu zweifeln, daß Sie eine Be-
rühmtheit des neuen Jahrhunderts werden.
Indem wir bemerken, daß Ihnen Ihr Bild in kurzem
unversehrt zugehen wird, zeichnen wir
mit vorzüglicher Hochachtung
die Redaktion der „Gerechtigkeit".
Maxim fiel entsetzt auf einen Stuhl. Er ahnte, daß er
das Vpfer eines Bubenstreiches war. Da hatte er nun endlich
einen Preis, ohne daß er es wollte. Für solche Berühmtheit
dankte er. Die Zuschrift war mit Salz und Honig gemischt.
Er wußte wohl, er besaß keinen Appollokopf, aber niemand
hört es gern, wenn man ihn häßlich nennt, und nun gar preis-
gekrönt häßlich. Wenn Maxim durch etwas getröstet wurde,
so war es durch den Honig der Worte: abnorme Physiognomie,
abnorme Gedanken. Das war doch wenigstens eine gerechte
Würdigung seiner viel zu gering bewerteten Persönlichkeit.
Als Maxim Müllatuli einige Tage später bei seinen Freunden
im Literatencafe saß, wußte er, wer ihm den Possen gespielt
hatte. Die jungen Talente hatten seine Photographie auf
seinen Namen eingeschickt und beglückwünschten ihn nun mit
heuchlerischem Ernst zu dem ersten wohlverdienten Preise. Maxim,
der nunmehr wirklich abnorme Ideen hatte, ließ alles mit
heiterer Gleichgültigkeit über sich ergehen. Er schwelgte im Vor-
gefühl eines unbestimmten, kommenden Glückes. —
Preisausschreiben waren ihm ganz und gar verhaßt ge-
worden; dafür nahm er seinen ersten Roman aus dem Schreib-
tisch und überarbeitete ihn. Gerade, als er seinem Werke
einen neuen grandiosen Schluß gegeben hatte, erhielt er von
einem modernen Verleger die Aufforderung, ihm seine Photo-
graphie und seinen besten Roman zur Veröffentlichung einzu-
senden. Vor Freude zitternd packte der hoffnungsgeschwellte
Literat das Gewünschte ein. Der Verleger, der das Porträt
des abnormen, preisgekrönten Dichters in den Spalten der
„Gerechtigkeit" entdeckt hatte, spekulierte nicht umsonst.
Maxims Roman „Die schlafende Windmühle" wurde stark
begehrt. In allen Buchhandlungen hing das Bild des Autors.
Es lockte, den Roman zu kaufen. Ein so ungewöhnlich häß-
licher Dichterkoxf konnte seine Daseinsberechtigung nur durch
ungewöhnlich geistvolle Gedanken beurkunden. Man las „Die
schlafende Windmühle" mit hoher Erwartung, verblüfft und
entrüstet legte man das Buch aus der Hand, inan schlug es
wieder auf und fand zuletzt eine geniale Symbolik. Etliche
Kritiker meinten zwar boshaft, daß das abscheuliche Porträt des
Verfassers das Entzückendste des Buches wäre; das verursachte