Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Zeitschrift für Humor und Kunst

U


„Kennst Du diesen Ring?"
„Er ist bei mir gekauft."
„was ist er wert?"
„Das ist schwer zu sagen, viel oder wenig, es kommt
darauf an, wer ihn besitzt. Dieser Ring ist ein Lalisman unter
dem Einflüsse wunderreicher Gestirne, mit dem Beistände aller
sieben Genien zusammengesetzt und verkündet die Gewissen-
haftigkeit desjenigen der ihn besitzt. Macht sich sein Besitzer
der geringsten List oder Schelmerei schuldig, so verliert der Stein
seinen Glanz, die Fassung ihre Farbe, der Ring erscheint wertlos.
Ich habe mit vieler Mühe ihn bereitet, doch mir ist er unnütz.
Ich lebe in der Einsamkeit, wo ich bemüht bin, die Geheim-
nisse der Natur zu erforschen und wohltätige Geister zu meinen
Diensten zu beschwören. Bei solchen Werken und in gänzlicher
Abgeschiedenheit von allen Menschen wird das Gewissen nicht
gefährdet. Daher habe ich dieses Ringes mich entäußert und
es dem Schicksale überlassen, ihn in die Hände eines edlen
Besitzers zu führen."
„Und diesen kostbaren Talisman botst Du mir zu hundert
Goldstücken an; ist das Gewissen eines Herrschers nicht mehr
wert?"

„So lieb mir dieser Ring ist," begann er, „so will ich ihn
doch nicht für mich behalten, auch andre bedürfen des ver-
trauens und vorzüglich die Kaufleute, wohlan, ich habe ver-
sprochen, den Redlichsten von euch zu belohnen. Nehmt diesen
Ring, er soll von Hand zu Hand gehen, und an wessen Finger
er am hellsten strahlt, der soll ihn behalten."
Tiefe Stille. Ls rührte sich nichts und — niemand nahte.
Achmed wiederholte noch zweimal den Befehl. Umsonst.
Da erhob er sich zornig vom Sessel und sprach:
„wer den Ring nicht anzunehmen wagt, ist ein Betrüger,
der selbst mich, den Sultan, zu täuschen im Sinne hatte und
soll augenblicklich sterben."
Diese Worte waren kaum gesprochen, als alle Kaufleute
voll Hast sich nach den Pforten drängten und sich balgten und
rauften, nur um den Ausgang zu gewinnen. Im Nu war der
ganze Schloßhos leer, nur ein einziger Grieche stand noch
mitten in dem weiten prächtigen Raume und machte nicht
Miene, zu wanken und zu weichen.
„Der Ring ist Dein!" ries Achmed, „Du bist geblieben,
während Deine Standesgenossen fliehen, was beweist, daß Du
das beste Gewissen von allen hast. Nimm hier Deinen Lohn dafür."

„Großer Sultan, Enkel des Propheten
Dich nicht."
„wisse," sprach Achmed, „dieses Kleinod
eines Sultans ist hundertmal hundert Gold-
stücke wert; gehe hin zu meinem Schatz-
meister und laß Dir die zehntausend Gold-
stücke auszahlen."
Bei diesen Worten des Sultans sing der
Ring so hell an zu strahlen und spielte so
kostbare Farben, daß alle Anwesenden in
Ruse der Verzückung ausbrachen und voll
Bewunderung das Kleinod anstaunten, bis
ihre Augen vom Glanze der Farbenglut
schmerzten.
„Dies ist der glückliche Augenblick," ries
Achmed, „der meinen schönsten, heißesten
Wunsch erfüllt. Das Kleinod des Gewissens
strahlt hell in meinen Händen, und aller
Augen überzeugen sich, daß meine Seele rein
ist und ich das Beste will. Dieser Ring soll
nie wieder von meinem Finger kommen,
damit mein Volk mir nie mißtraue."
In diesem Augenblick aber gewahrte er,
wie der fremde Juwelier mit dem Kopse
schüttelte, und er fragte, zornig und überrascht
zugleich, was diese mißbilligende Gebärde zu
bedeuten habe.
„Erhabener Sultan I Beschützer des
GlaubensI" entgegnete jener, „der Talisman,
den ich zusammensetzte, könnte in reinere
Hände nicht kommen als in Deine; nur
fürchte ich, daß er Dir wenig Freude machen
wird, denn wir haben unser Gewissen vor
Gott und nicht vor den Menschen. Ich gehe,
um zu beten, daß er Dir Glück bringen möge,
und will die zehntausend Goldstücke an die
Armen verteilen, damit sie leben wie ich."
Er ging, und Achmed betrachtete lange
gedankenvoll sein Kleinod. Plötzlich schien
ein neuer Gedanke ihn zu beseelen. Er erhob
das Haupt, und seine stolzen Blicke musterten
von neuem den Kreis der Anwesenden.

Ich erkannte
in den Händen

„Erhabener Sultan I" antwortete der Grieche kläglich,
„behalte immerhin den Ring, denn er würde an meinem
Finger augenblicklich kohlschwarz werden. Siehe, ich wäre davon-
 
Annotationen